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© Foto by Marc Gusewski / OnlineReports


"Den Rechtsweg empfohlen": Solarpionier Heinrich Holinger

Ökostrom-Gesetz: Aus dem Lichtblick wurde ein Black-out

Die neuen Baselbieter Ökostrom-Paragrafen erweisen sich als untauglich

VON MARC GUSEWSKI

Stillstand in der Baselbieter Energiepolitik: Die neuen Ökostrom-Paragrafen, die Marktwirtschaft und Umweltschutz harmonisch zu verschmelzen versprachen, entpuppen sich als undurchführbar. Der Gesetzgebungs-Flop beschädigt das Ansehen der Verwaltung und das Image der nachhaltigen Energieproduktion.

"Regierung produziert Lichtblick für erneuerbaren Strom." Mit diesen Worten präsentierte die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektorin Elsbeth Schneider am 22. August 2002 in Liestal ihre Lösung für eine boomende Ökostrom-Erzeugung. Drei Jahre später herrscht Black-out statt Boom, Verdruss statt Öko-Volt.

Ökostrom-Erzeuger machen einen Bogen ums Baselbiet. Für die Solarstrom-Produzenten aus dem Einzugsbereich der Elektra Baselland (EBL) bringen die neuen Ökostrom-Paragrafen sogar mehr Nach- als Vorteile. Der Energieberater und Szenekenner Robert Horbaty bilanziert: "Diese Angelegenheit ist eine reine Alibiübung und bringt gar nichts." SP-Landratspräsident Eric Nussbaumer, als Elektroingenieur selbst in der Branche tätig, doppelt nach: "Das ist schlampig, wie da vorgegangen wurde."

Wer bestimmt, wann Nachfrage herrscht?

Der Streit dreht sich um den revidierten Paragraf 13 des kantonalen Energiegesetzes, der von Schneider als Lichtblick präsentierten Ökostrom-Reform und um die dazu gehörige Verordnung "über die kostendeckende Vergütung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien" vom 19. April 2005. Sie regelt, wie Ökostrom zu entschädigen sei, und wann dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Die Solarstrom-Vergütung gilt nämlich nur eingeschränkt, nämlich dann, wenn freiwillige Ökostrom-Nachfrage nach neuen Anlagen herrscht, die "marktgerechte Zubauleistung" (so der Gesetzestext). Fehlt die Kauflust für Ökostrom, so Schneiders Idee, sind "Zubauten" nicht marktgerecht und somit obsolet.

Die Frage, die durch die umständliche und kaum transparente Formulierung im Raum stehen bleibt, ist, wer bestimmt, wann welche Nachfrage herrscht. Die marktbeherrschenden Baselbieter Elektrizitätswerke, die EBL in Liestal und die EBM in Münchenstein, behaupten jedenfalls, die Ökostrom-Erzeugung sei heute grösser als die Nachfrage. Das bestreiten aber Private und Kanton. Tatsächlich weigert sich die EBL in einem aktuellen Fall in Bubendorf, einen Abnehmer ans Netz zu nehmen. Faktisch ist die Gesetzesanwendung blockiert.

Kein Geld für den Öko-Pionier

Opfer der verkorksten Gesetzgebung ist der für sein Engagement vielfach mit Preisen ausgezeichnete Solarpionier Heinrich Holinger mit seinem Büro- und Gewerbehaus "Wattwerk" in Bubendorf. Holinger: "Wir mussten einen Anwalt einschalten, der einen Regierungsratsbeschluss erwirken soll. Wenn das nichts hilft, müssen wir vor Gericht."

Holinger hatte im Hinblick auf Schneiders "Lichtblick"-Ankündigung in eine Viertelmillion Franken teure Solarstromanlage investiert. Auf deren Energieernte im Wert von 18'000 Franken pro Jahr bleibt Holinger jetzt hocken. Grund: Die in seinem Fall zuständige Abnehmerin Elektra Baselland (EBL), die sich innovatives Öko-Management auf die Fahnen geschrieben hat, schaltete auf stur und zahlungsunwillig.

Verwaltung empfahl Rechtsweg

Als Holinger die Kantonsverwaltung um Hilfe bat, habe diese nicht gehandelt, sondern ihm den Rechtsweg empfohlen, sagte der Solarpionier gegenüber OnlineReports. Für Peter Stucki, zuständiger Abteilungsleiter im Amt für Umweltschutz und Energie (AUE), ist es trotzdem "zu früh", über Erfolg oder Misserfolg zu reden. Zunächst heisse es, verwaltungsintern die in diesem Jahr gesammelten Erfahrungen abzuwarten und dann ein weiteres Vorgehen zu entscheiden. Stucki, Probleme einräumend: "Der entsprechende Paragraf der Verordnung ist nicht in Stein gemeisselt."

Gegenüber OnlineReports erklärte auch Umweltschutzdirektorin Elsbeth Schneider, die Wirkung von Gesetz und Verordnung in der Praxis seien "bis heute ist noch nicht abschliessend beurteilbar". Dazu sei die Zeit seit Inkrafttreten zu kurz. Eine Bilanz werde "Ende 2005 erfolgen". Auf die Frage, wie zu erklären sei, dass unbezahlten Einspeisewilligen seitens Amtes für Umweltschutz und Energie empfohlen werde, einen Regierungsratsbeschluss zu erwirken oder gar den Fall gerichtlich klären zu lassen, konnte Elsbeth Schneider ("ich gehe davon aus, dass dies nicht den Tatsachen entspricht") "keine Antwort" geben.

Ein absehbares Debakel

Das Unheil kündigte sich schon im Herbst 2002 an, als sich die Spitzen der Baselbieter Umweltschutzdirektion ausserstande sahen, die Umsetzung der "marktgerechten Zubauleistung" plausibel zu erklären. Stattdessen verstieg sie sich zur grotesken Aussage, Solarstrom werde bald in Mengen erzeugt, dass "ein Verkauf nach Holland, oder sonst ins Ausland" denkbar erscheine. Folge: Die Landratsmehrheit fragte bei der Gesetzesberatung nicht nach, der Rechtsdienst des Regierungsrates segnete die unbegreifliche Verordnung ab und der Regierungsrat billigte sie mit vier Stimmen bei einer Enthaltung.

Selbst gegenüber frühzeitigen, internen Warnungen blieb Schneiders Team immun: Beispielsweise EBM-Direktor Hans Büttiker und die Freisinnige Rita Kohlermann, damals Energieverantwortliche der Handelskammer beider Basel, warnten vor der Undurchführbarkeit der Rechts-Norm. Schneider sah das Problem damals woanders: Eine fixe Vergütung für Sonnenstrom, wie sie die damals hängige Solar-Initiative forderte, sei unrealistisch. Die Regierungsrätin legte darauf einen Kompromiss vor, der besser als die Initiative "Marktwirtschaft und Umweltschutz" zu funktionieren vorgab. Schneider damals: "Wenn wir in Zukunft Solarstrom wollen, gibt es keine andere Wahl als meinen Vorschlag. Die Solar-Initiative ist chancenlos."

Ihr Gegenvorschlag - der neue Ökostrom-Paragraf im Energiegesetz - wurde in der Volksabstimmung angenommen, die Initiative der Grünen und Solarstrom-Produzenten dagegen verworfen. Doch weder das revidierte Gesetz noch die darauf aufbauende Verordnung führte die nachhaltige kantonale Energiepolitik auch nur einen Schritt weiter.

EBL mit doppelbödiger Politik

Solar-Unternehmer Holinger bleibt jetzt keine Wahl als der sündhaft teure Rechtsweg. EBL-Mitarbeiter Beat Andrist, der den Fall betreut, ist wegen Ferienabwesenheit nicht erreichbar. Aber EBL-intern wird die Regierung für den Streitfall verantwortlich gemacht. Denn an anderen Orten äusserte sich Geschäftsführer Urs Steiner dahingehend, die vorliegende Ökostrom-Verordnung sei unbrauchbar. Bezüglich Öko-Energie agiert aber auch die EBL doppelbödig: Sie verkauft ihren eigenen Solarstrom zu Vollkosten für einen Franken die Kilowattstunde und gleichzeitig verweigert sie diese Praxis unabhängigen Stromproduzenten wie Holinger.

Da haben es die Unterbaselbieter einfacher. Zwar bezeichnet EBM-Chef Büttiker den von ihm ungeliebten Solarstrom als "Kapitalvernichtung", aber zumindest hat sein Unternehmen eine Solarstrombörse eingerichtet, die zwischen Nachfrage und Angebot vermittelt.

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14. September 2005

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