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"Fahrgäste wandern ab": Hanselmann-Brief an Verwaltungsrat

BVB-Direktor Urs Hanselmann wehrt sich gegen ÖV-Kahlschlag

Rückendeckung durch den Verwaltungsrat und "Aussetzung" weiterer Sparmassnahmen gefordert

VON PETER KNECHTLI

Ungewohnt entschlossen wehrt sich Urs Hanselmann, Direktor der Basler Verkehrsbetriebe (BVB), gegen eine weitere von der Regierung verordnete Sparrunde: In einem Brief an den Verwaltungsrat schreibt er, ohne dessen Rückendeckung sehe sich die Direktion ausserstande, "weitergehende als die bereits in der ersten Tranche beschlossene Sparmassnahmen vorzuschlagen".

Der Brief Hanselmanns an den Verwaltungsrat, der OnlineReports vorliegt, markiert eine Weigerung, sich auf ein weiteres Streichkonzert einzulassen, das die Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Verkehrs gegenüber dem Individualverkehr in der Region Basel in Fage stellt.

Im ersten Sparpaket war die BVB verpflichtet worden, 5,76 Millionen Franken einzusparen - darunter 4,56 Millionen als regulären Anteil und zusätzliche nicht näher definierte 1,2 Millionen Franken "gemäss Vereinbarung" mit Wirtschaftsminister Ralph Lewin, der Präsident des BVB-Verwaltungsrates ist. Laut den Vorgaben der zweiten Sparrunde müssten die BVB nochmals mindestens 2,5 Millionen Franken einsparen.

"Sehr schnell eine hohe Anzahl Entlassungen"

Hanselmann hat offensichtlich erkannt, dass die Schmerzgrenze beim Abbau des einst als gesamtschweizerisch vorbildlich bewerteten öffentlichen Verkehrs in Basel beim Personal und erst recht bei der Bevölkerung erreicht ist. Nur schon die "heftigen Reaktionen" auf den als "unkritisch beurteilten" Bereich der Bus-Umstellung - Diesel statt Trolley - liessen erwarten, "dass schmerzhafte Einschnitte beim Angebot wohl kaum hingenommen werden", signalisiert Hanselmann seine Überraschung über den wachsenden Widerstand gegen die Abbaupläne.

Hanselmann rechnet dem Verwaltungsrat vor, dass zur Erreichung einer gewissen Netto-Einsparung "ein Vielfaches davon brutto eingespart werden muss, weil bei Angebotsreduktionen nicht nur die Kosten, sondern auch die Einnahmen zurückgehen". Haselmann gibt auch zu bedenken, dass über die erste Sparrunde hinaus gehende Abbaumassnahmen "sehr schnell zu einer hohen Anzahl Entlassungen" führen würden.

Es droht massive Reduktion der Fahrgäste

Bei weiteren Taktausdünnungen könnte die Folge sein, dass wegen der beschränkten Länge der Tramzüge "die wartenden Kunden nicht mehr transportiert werden könnten" oder dass die Fahrzeuge "so dicht belegt wären, dass viele Fahrgäste abwandern". Die Verkürzung oder Aufhebung von Linien sei aus mehreren Gründen so unattraktiv, dass mit einer "massiven Reduktion der Fahrgäste" gerechnet werden müsse.

Nicht die vorhandene Nachfrage abzuwürgen, wäre marktwirtschaftlich die richtige Antwort auf ein zu schlechtes Finanzergebnis, sondern die Erhöhung der Preise, bis die Nachfrage entsprechend gesunken sei. Doch diese Lösung sei weder standortfördernd noch politisch durchsetzbar und verkehrspolitisch erwünscht, meinte "Bündnis"-Fraktionspräsident Urs Müller gegenüber OnlineReports. Denn die Folge wäre eine Verlagerung des Nahverkehr vom öffentlichen Transportmittel auf die bereits überlasteten Strassen.

Verwaltungsrats-Entscheid am 27. Januar

Laut Hanselmanns Vorstellungen soll der Verwaltungsrat bei der Regierung den Antrag stellen, die ÖV-Abbaumassnahmen der zweiten Spar-Tranche "so lange auszustellen, bis die erforderlichen Massnahmen zur Umsetzung der ersten Tranche rechtskräftig beschlossen und deren Auswirkungen klar ersichtlich sind". Zudem sollen Regierungsrat Lewin und Hanselmann mit den Baselbieter Behörden Kontakt aufnehmen, um die Koordination von Sparmassnahmen sicherzustellen. Denn es könne "ja wohl nicht sein", dass die BLT wegen Nachfragesteigerung den Takt erhöhe und die BVB den Takt ausdünne.

Wie BVB-Sprecher Pius Marrer am Samstag auf Anfrage gegenüber OnlineReports erklärte, hat der Verwaltungsrat über Hanselmanns Anträge noch nicht entschieden. Am 27. Januar ist eine ausserordentliche Verwaltungsratssitzung angesetzt, an der über Hanselmanns Anträge entschieden wird. Marrer: "Jetzt geht es ans Eingemachte." Der Sprecher verwies auf die Ergebnisse einer Umfrage, die klar zeige, dass ein Grossteil der BVB-Kunden eine Transport-Alternative habe. Marrer betont, dass der Erfolg der BVB mit der Qualität des Angebots zu tun habe: "Es ist nicht so, dass die Kunden auf uns angewiesen sind."

Der SP-Regierungsrat trägt den Abbau mit

Wie brisant der Hanselmann-Brief ist, zeigt die Aussage von "Bündnis"-Politiker Urs Müller. Danach steht SP-Regierungsrat Lewin als Ökonom "doch klar zu diesen 2,5 Millionen Franken". Müller: "Lewin trägt den Abbau mit." Er sei auch im Gegensatz zu andern Departementen schon in der ersten Runde "aktiv beim Sparen" gewesen. Urs Müller, von OnlineRepots mit dem Inhalt des Hanselmann-Antrags konfrontiert, stellte weit gehende Übereinstimmung zu den Positionen der Gewerkschaften fest: "Da decken sich die Interessen von Arbeitnehmerschaft und BVB-Direktion."

17. Januar 2004


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