Fotos: OnlineReports, zvg, Claude Giger Wettbewerbs-Produkt "Baslerstab": Kontrahenten Schneider, Meyer Mediengruppe-Manager drohten Regierungsrätin mit "Schützenfest" "20 Minuten" statt der "Baslerstab" bekam Zuschlag auf BLT-Strecken: Basler Mediengruppe drohte mit publizistischen Konsequenzen VON PETER KNECHTLI Noch ist der Basler Pressekampf nicht ausgebrochen und schon fliegen die Fetzen: Weil der Verwaltungsrat der Baselland Transport AG (BLT) den Zuschlag für die Platzierung von Zeitungsboxen auf Tram-Haltestellen exklusiv an die Zürcher Pendlerzeitung "20 Minuten" vergab und den "Baslerstab" nicht berücksichtigte, drohte die Spitze der Basler Mediengruppe bei Regierungsrätin Elsbeth Schneider, mit der eigenen publizistischen Kanone gegen sie aufzufahren. Jahrelang war Basel betulicher Presseplatz im Schatten Zürichs. Jetzt wendet sich das Blatt: Ab Montag deckt die Zürcher Gratis-Pendlerzeitung "Metropol" nebst Bern, Luzern und Aargau auch die Region Basel ein, demnächst wird am Rheinknie zudem die Flutwelle von "20 Minuten" erwartet. Bereits seit 1. September ist die Basler Mediengruppe (BMG) mit ihrem "Baslerstab" unterwegs: Der publizistische Platzhirsch (Basler Zeitung, Weltwoche, Bilanz) wappnete sich mit der Einverleibung seiner defizitären Gratiszeitung "Basler Woche" in die Gratisgoldgrube "Baslerstab" gegen die Gefahr, durch die angekündigte Zürcher Konkurrenz Anzeigen-Umsatzverluste in Millionenhöhe zu erleiden. BLT-Verwaltungsrat einstimmig für 20 Minuten Schon liegen in der Basler Zeitungsschlacht die Nerven blank. Grund: 20 Minuten - Schweizer Tochter des norwegischen Grossverlags Schibsted - hat sich in der Verteilung, einer der wichtigsten Erfolgsquellen des Pendlerzeitungs-Geschäfts, die besseren Startbedingungen gesichert. Denn am 28. August beschloss der Verwaltungsrat der Baselland Transport AG (BLT) einstimmig, 20 Minuten während der Vertragsdauer von fünf Jahren exklusiv sämtliche 120 Haltestellen auf dem Netz der Vorortsbahnen für die Platzierung von Verteilboxen zur Verfügung zu stellen. Damit ist der seit 77 Jahren in der Region Basel erscheinende "Baslerstab" gezwungen, Boxen auf privaten Ausweichflächen ausserhalb der BLT-Tramstationen anzumieten. Nuance: Diese Haltestellen gehören nicht der Öffentlichkeit, sondern der privatrechtlich organisierten BLT, die sich in staatlichem Besitz befindet. Der Entscheid hatte schnurstracks Folgen: Nur gerade fünf Tage später sassen BMG-Konzernchef Beat Meyer und sein Finanzchef Peter Wyss im Büro der Baselbieter Baudirektorin und BLT-Verwaltungsratspräsidentin Elsbeth Schneider. "Wir machten der Regierungsrätin ganz klar und unmissverständlich unseren Standpunkt deutlich", erklärte Meyer gegenüber OnlineReports und ärgerte sich gleichzeitig darüber, dass der ebenfalls teilnehmende BLT-Direktor Andreas Büttiker von diesem unvegesslichen Treffen "eine total einseitig formulierte Aktennotiz anfertigte und verschickte". "Die Herren vom vierten Stock" Laut Informationen von OnlineReports waren die beiden BMG-Topmanager an jenem 1. September mit einem Geschütz aufgefahren, dass der CVP-Politikerin und ihrem Transport-Manager das Staunen verging. So soll insbesondere Finanzchef Wyss unverfroren mit dem Einsatz der publizistischen Inhouse-Waffe gepokert haben. Nachdem sich Schneider geweigert hatte, den Verwaltungsratsentscheid in Frage zu stellen, kündigten die BMG-Topmanager laut Aktennotiz an: "Wir werden Ihrem Wahlvolk die Sache schon erklären". Gemeint war, "den Sachverhalt" durch "die Herren vom vierten Stock", wo die Redaktion der Basler Zeitung logiert, "entsprechend darstellen lassen" zu wollen. Begriffe wie "Schützenfest" und "Breitseite" gegen die Verantwortlichen und insbesondere die Regierungsrätin sollen gefallen sein. Regierungsrätin Schneider, die gegenüber OnlineReports nicht Stellung nehmen wollte, habe die Angriffe als "Drohung" empfunden und als inakzeptabel zurückgewiesen. Sogar "unter Eid", vertraute sie ihrem Umfeld an, werde sie die Attacken bezeugen. BMG-Chef Meyer: "Es war keine Drohung" Beat Meyer wies die Behauptung zurück, seine dominierende publizistische Stellung in der Region Basel als politisches Druckmittel eingesetzt zu haben: "Es war keine Drohung." Eine solche sei mit den Redaktionsstatut auch nicht vereinbar: "Es ist ganz klar, dass wir auf die redaktionelle Freiheit nicht entsprechend Einfluss nehmen." Vielmehr seien bestimmte Äusserungen "halt aus der Emotion hinaus" gefallen, da "wir als Medienunternehmen viel tun für die Region". Zudem habe der "Baslerstab" bloss an insgesamt 17 ausgewählten Haltestellen präsent sein wollen. Hochgradig verärgert sind die Basler Medienunternehmer, weil "die Ausschreibung nicht so lief, wie sie hätte laufen sollen" (Meyer). So habe die "Baslerstab"-Verlegerin nie einen Fragebogen erhalten, auch habe die BLT "die Anforderungen und Bedürfnisse nie richtig definiert und das Gespräch mit uns nie gesucht hat". Zürcher boten viel mehr Geld und Leistungen Dem widerspricht BLT-Chef Andreas Büttiker entschieden: Anders als 20 Minuten und Metropol, hinter der die schwedische Metro-Gruppe steht, habe der Baslerstab eine Einladung zum Gespräch "nicht wahrgenommen". Während die beiden skandinavischen Anbieter "professionell und engagiert" vorgegangen waren, liess es der Baslerstab laut sicheren Quellen bei einer anderthalbseitigen Offerte bewenden. Büttiker: "Der 20-Minuten-Verlag hat bezüglich Auftritt, Reinigung und finanziellem Angebot mit Abstand am besten abgeschnitten." So habe sich die Firma verpflichtet, die Trams täglich zweimal von gelesenen Zeitungen zu befreien. Ein Zurück kommt für Büttiker nicht in Frage: "Jeder hatte dieselben Chancen, die Würfel sind gefallen, die Verträge unterschrieben." Der BLT-Chef bestätigte, dass sein Unternehmen von Anfang an nur mit einem Anbieter ins Geschäft kommen wollte. Zu Zahlen wollte er sich nicht äussern. Gemäss Insidern soll 20 Minuten für Boxenplatzmiete und Innenreinigung Geld und Zusatzleistungen im Wert um 550'000 Franken angeboten haben - über 2,5 Millionen Franken während der fünfjährigen Vertragsdauer. Die Basler Mediengruppe dagegen offerierte laut Chef Beat Meyer gerade mal 500 Franken pro Boxen-Standort und Jahr, insgesamt also 60'000 Franken für das gesamte Netz oder 8'500 Franken für 17 Standplätze. Dieser Betrag sei allerdings bloss eine "erste Verhandlungsofferte" gewesen, Spielraum nach oben habe durchaus bestanden. Auch bei BVB hat 20 Minuten die Nase vorn Zum Zug kam 20 Minuten vor Metropol auch in Basel-Stadt, wo für die Platzierung von über 600 Zeitungsboxen direkt in Trams und Bussen der Basler Verkehrsbetriebe (BVB) ein noch höherer Betrag als im Baselbiet fällig wird. Den Ausschlag für den Entscheid gab das Produkt: "20 Minuten mit seinem Tabloid-Format kam eindeutig am besten an", sagt BVB-Sprecher Pius Marrer. Um den Innenraum der Verkehrsmittel hatte sich der Baslerstab wegen seines normalen Zeitungsformats nicht beworben. Für die Benützung der in öffentlichem Besitz stehenden BVB-Haltestellen erhalten kommenden Monat alle Anbieter provisorische Bewilligungen der staatlichen Allmendverwaltung. Wie in Zürich soll nächsten Frühling ein einheitliches Boxensystem eingeführt werden. 20-Minuten-Verlagsleiter Rolf Bollmann freut sich über die vorteilhaften Distributionsbedingungen in der Region Basel. Den Starttermin für seine 75'000 Basler Exemplare aber will er nicht verraten. Weil die Druckerei (Aargauer Zeitung) kurzfristig eine Heftmaschine bestellen musste, kommt es zu einigen Wochen Verzögerung. Aber der Markteintritt wird kraftvoll sein. Bollmann ("Ich lasse mich von der Basler Lobby überhaupt nicht beeindrucken") ist fest davon überzeugt, "dass in zehn Jahren niemand mehr für eine Zeitung zahlt". Gysin will vermitteln Die Basler Mediengruppe indes will sich mit dem jetzigen Zustand nicht abfinden. So bot sich der freisinnige Nationalrat und Gewerbedirektor Hans Rudolf Gysin - Verwaltungsrat der BMG-Tochter Birkhäuser - in einem Brief an Regierungsrätin Elsbeth Schneider als Vermittler an. Es sei "mehr als fragwürdig", ortsansässige Medienunternehmen auszuschliessen, die "bisher dem Kantons Baselland wohlgesinnt waren". Nächsten Mittwoch findet das Gespräch statt. Gysin ist sich sicher, dass der BLT-Verwaltungsrat "noch einmal über die Bücher muss".
Interview mit Matthias Hagemann Die drei Angebote im Vergleich 11. September 2000 |
Zurück zu Wirtschaft
Zurück zur Hauptseite
© by Peter Knechtli