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Fotos Ciba SC Geschäftsbericht 1998, zvg


Hier hat die Spezialitätenchemie die Hand im Spiel: Effekt-Produkte Farben, Lacke, Kunststoffe; Ciba-SC-Finanzchef Michael Jacobi (r.)


Das Know-how sucht das Know-what

Mit der Verselbständigung der Lonza entsteht in der Spezialitätenchemie neue Dynamik

VON PETER KNECHTLI

Mit der Verselbständigung der Lonza Group am 1. November kommt neue Dynamik in die Brachen der Spezialitäten-Chemie. Um das Kerngeschäfts des Algroup-Sprosses - die Auftrgs-Synthese - wird sich in den kommenden Jahren die Konkurrenz verstärken. Die beiden Schweizer Branchenführer Clariant und Ciba Spezialitätenchemie versuchen mit einer Positionierung auf höherwertige Verfahren und Produkte ihre Rentabilität zu verbessern.

Die Augen der Chemie-Industrie und ihrer Anleger sind für einmal nicht nach Basel, sondern nach Zürich gerichtet. Die Limmat-Stadt wird Sitz der Lonza Group AG, die per 1. November aus der Algroup ausgegliedert wird und zur Börse schreitet.

"Wir versuchen den Betrieb vom ganzen Wirbel frei zu halten", sagt Lonza-Sprecher Walter Eschenmoser, derweil diese Woche Road Shows an den internationalen Finanzplätzen starteten. "Wichtig ist, dass Kunden weiter bereut werden und das Geschäft läuft", sagt Eschenmoser über das Unternehmen, das zu 23 Prozent Martin Ebner und zu über 9 Prozent Christoph Blocher ("Ems-Chemie") gehört und von Algroup-Chef Sergio Marchionne operativ dirigiert wird.

Spezialitätenchemie im Schatten der Pharma-Industrie

Das Geschäft betrifft die Spezialitätenchemie, die erst vor wenigen Jahren ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte: Was mit der Verselbständigung der technischen Divisionen von Sandoz (1995, "Clariant") und Ciba 1997, "Ciba Spezialitätenchemie") begann, setzt sich jetzt mit der Ausgliederung der "Lonza Group AG" aus der ihrerseits zum Alu-Weltkonzern Nummer eins ("APA") fusionierten Algroup (früher "Alusuisse") fort.

Dass die Branche im Schatten der Pharmaindustrie auch heute noch kaum ein Aussenstehender bewusst wahrnimmt, ist erklärbar. Mit Ausnahme des Ciba-Klebstoffs "Araldit" stellen die Spezialchemiekonzerne kaum Güter her, die für den Endkunden direkt identifizierbar sind. Spezialchemikalien sind Substanzen, die entweder in der chemisch-pharmazeutischen Industrie weiterverarbeitet werden oder in zahlreichen andern Industriezweigen für Spezialeffekte zur Anwendung kommen: Von Textilfarbstoffen und Autolacken über Kunststoff-Stabilisatoren und Aufhellern bis zu Waschmittel-Zusätzen und lichtempfindlichen Flüssigkeiten der Elektronikbranche.

Eine ausgereifte Branche: "Know-how fast zu gross"

Nicht erst seit Clariant-Chef Rolf Schweizer in einem Ueberraschungs-Coup den Spezialitätenchemie-Bereich von Hoechst übernahm, gelten die Schweizer Umsatzriesen Clariant (9,3 Milliarden), Ciba SC (8,5 Milliarden) und Lonza (2,1 Milliarden) zur Weltspitze in ihren Bereichen. Doch die Ertragskraft dieser Konzernspezies erreicht bei weitem nicht die Werte der hochkarätigen pharmazeutischen Unternehmen. Als Ciba diese Woche für die ersten neun Monate ein vierprozentiges Umsatz-Plus vorlegte, nickten Beobachter schon mal anerkennend. Eine Ausnahme ist das in Bubendorf BL angesiedelte und auf Peptide spezialisierte Ertrags-Kleinod Bachem AG, das bei 96 Millionen Franken Umsatz satte 32 Millionen Franken Reingewinn vorweist.

Die biografischen Unterschiede sind für einen unabhängigen Branchenkenner fundamental: "Die Spezialitätenchemie ist eine volljährige, ausgewachsene und hochreife Branche. In den Bereichen Pharmazeutika und Agro dagegen gibt es noch endlos viele Indikationen, die nach einem Produkt rufen." Kunstfasern und Farben seien heute "derart perfektioniert, dass gar keine Bedürfnisse nach andern Produkten mehr bestehen". Der Kenner: "Das Know-how ist fast zu gross."

Unberechenbare Konjunkturzyklen

Kommt dazu: Während die forschungsintensive Pharma-Industrie über einen praktisch stabilen Markt verfügt, sind die Industriezyklen der kapitalintensiven Spezialitätenchemie unberechenbar. Wenn die Automobil-Industrie in Detroit ihre Produktionsziffern senkt, dann brechen auch die Geschäfte der Spezialchemie-Zulieferer schlagartig ein. Darum haben fast alle Chemieunternehmen laut dem Zürcher Kantonalbank-Analysten Meinrad Gyr "die Nase voll vom ewigen konjunkturellen Auf und Ab in der Massenchemie".

Jetzt sucht das Know-how das Know-what. Bei ihrer Neupositionierung scheinen die Spezialchemiekonzerne allerdings von der Fusions-Euphorie nach dem Hoechst-Transfer zu Clariant etwas abgekommen zu sein. "Grösse allein ist nicht das Alleinseeligmachende, es ist die Stärke in spezifischen Marktsegmenten", sagte Ciba-SC-Finanzchef Michael Jacobi gegenüber ONLINE REPORTS. Aber es brauche eine kritische Grösse, um Forschung und Entwicklung für weltweite Präsenz finanzieren zu können.

Clariant-Ciba-Fusion hätte "wenig gebracht"

Darüber, dass vor knapp einem Jahr die öffentlich gross angekündigte Fusion von Ciba mit Clariant scheiterte, herrscht heute allgemein eher Erleichterung: "Ausser Grösse und kartellrechtlich problematischer Marktdominanz", die so die allgemeine Auffassung, "hätte die Fusion nichts gebracht".

Vielmehr richten sich die Unternehmen darauf ein, das Produkte-Portfolio nach Rendite-Kriterien umzuschichten. So übernahm Ciba letztes Jahr zum stolzen Preis von 3,6 Milliarden Franken die "Allied Colloids", das auf dem innovativen Gebiet der Wasserbehandlung weltweit führend ist und - neben Kunststoff- und Lackadditiven, Haushalt- und Körperpflegeprodukten sowie Farben für Druck, Lacke und Kunststoffe - einer der fünf definierten Wachstumsbereichen ist. Nicht dazu zählt die Kunststoff-Division Polymere, die laut Jacobi möglicherweise vor dem Verkauf steht: "Bis Ende Jahr haben wir klarere Ideen."

Jacobi ist überzeugt, nach dem grossen Spin-off von 1997 auf dem richtigen Weg zu sein. "Wir wollten ein fokussiertes Unternehmen, dies haben wir erreicht. Noch nicht erreicht haben wir die hohen Rentabilitätsziele."

Clariant drängt auf Lonza-Kerngebiet

Auch Clariant arbeitet an einer strategischen Neuorientierung und Wachstumszielen, die zwei Prozent über dem Markt liegen: Der Umsatzanteil renditeträchtiger Wachstumsprodukte soll in den nächsten fünf Jahren auf Kosten der weniger rentablen Halbspezialitäten mehr als verdoppelt werden.

Dabei peilt Clariant verstärkt ein Gebiet an, welches das eigentliche Kerngeschäft der gut positionierten Lonza darstellt: Die Herstellung von Zwischenprodukten für Pharma und Agro bis hin zur integralen Auftrags-Synthese eines Wirkstoffs. Allein mit der chemischen und biotechnologischen Exklusiv-Produktion setzt Lonza jährlich 600 Millionen Franken um, mit organischen Zwischenprodukten über 500 Millionen. Alle 20 weltgrössten Pharmaunternehmen sind Lonza-Kunden.

Boomende Zukunft für Auftrags-Synthese erwartet

"Dies ist ein hochvertrauliches Geschäft", sagt Lonza-Sprecher Walter Eschenmoser. Mit solide aufgebauter Erfahrung und Produktionsstandorten in Visp, aber auch in den USA, Grossbritannien, Tschechien, China, Italien und Singapur ist Lonza im Exklusiv-Geschäft die Nummer eins. Und diese Nische boomt: Durch Auslagerung der Wirkstoff-Produktion an einen spezialisierten Hersteller, so Eschenmoser, könnten Produkte schneller auf den Markt gebracht werden.

Schweizerische und deutsche Pharma-Firmen hätten zwar mit der Arbeitsteilung noch Mühe ("Sie hängen daran, alles selbst zu machen"), doch Eschenmoser zweifelt nicht daran, dass um dieses Geschäft "in den nächsten Jahren enorme Bewegung" entstehen wird. "Mit Chemikalien à la Lonza", weiss ein Branchenkenner, "könnten auch andere Unternehmen ihr Know-how und und Entwicklungskapazitäten rentabler einsetzen".

Erhöhte Dynamik bewirkt aber auch die Herauslösung der Lonza aus dem Gemischtwarenladen Algroup und ihre Marktpräsenz als selbständiges börsenkotiertes Unternehmen. Eschenmoser: "Gegenüber der Konkurrenz, den Investoren und der Oeffentlichkeit stehen wir jetzt offener im Schaufenster."

Keine Anzeichen für Mega-Merger

Anzeichen für Mega-Merger durch Schweizer Firmen sind derzeit nicht akut wahrnehmbar. Mehrfach hat Ems-Chemie-Besitzer Blocher deutlich gemacht, dass zwischen Lonza und Ems mit Ausnahme von Ems Dottikon kaum Synergien nutzbar wären.

Zu rechnen ist aber mit Verschiebungen ganzer Geschäftseinheiten, wie letztes Jahr der Austausch des PVC-Hitzstabilisatorenzweigs von Ciba mit dem Epoxidharz- und Klebstoffgeschäft von Witco.

Allein schon aus fiskalischen Gründen könnte Lonza, die schuldenfrei und einer mit 500 Millionen Franken gefüllten Kasse an den Start geht, an einem kräftigem Zukauf interessiert sein. Jedenfalls ist Lonza laut einem Vertrauten in so guter Verfassung, dass sogar "der eine oder andere Grosskunde ein Auge auf dieses Bräutlein haben könnte".


Schweizer Spezialitätenchemie
1998 in Millionen Franken

  Clariant Ciba SC Lonza Group Ems-Chemie
Umsatz 9341 8423 2153 1'064
Gewinn 524 877* 292** 161
Angestellte 29279 24'456 5'600 2'633
Ausrichtung Fertigprodukte Fertigprodukte Auftrags-Synthese Technische Kunststoffe

* vor Restrukturierungkosten und Sonderbelastung von 1,1 Mrd Fr.
**Betriebsergebnis



Interview mit Clariant-CEO Reinhard Handte 2001
Clariant-Chef Schweizers magere Bilanz

Spezialitätenchemie Branchenanalyse
Neues Lohnsystem von Lonza
Ankündigung der Fusion mit Ciba SC

18. Oktober 1999

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(c) by Peter Knechtli