![]() ![]() ![]() Zählt zu den weltweit führenden Forschungszentren: Basler Augenspital unter Professor Josef Flammer Die Basler Augenklinik im Brennpunkt der Forschung Die Behandlung des weit verbreiteten Grünen Stars macht Fortschritte VON PETER KNECHTLI Etwa 50 Millionen Menschen auf der Welt sind blind, davon leiden rund 20 Millionen am Grünen Star. Die Volkskrankheit mit wissenschaftlichem Namen Glaukom könnte verhindert oder gemildert werden, wenn der Arzt rechtzeitig zugezogen würde. An einem Kongress in Basel diskutieren 400 Fachleute aus aller Welt über die neusten Forschungsergebnisse und Medikamente. Josef Flammer (50), der ärztliche Direktor der Universitätsaugenklinik Basel, weiss, wovon er spricht: "Sehr viele Leute sind durch das Glaukom stark sehbehindert. Der Patient merkt lange nicht, dass ihm etwas fehlt. Erst wenn er einen unerklärlichen Autounfall hat oder ungewollt an einer Türe anstösst, merkt er, dass irgend etwas an seiner Sehfähigkeit nicht mehr stimmt." Im Gesichtsfeld des Patienten trübt nicht nur - was üblich ist - ein blinder Flecken die Wahrnehmung, sondern gleich mehrere. Doch, so Flammer weiter, "wenn man die schleichenden Ausfälle spürt, dann ist es zu spät". Dann ist der Kopf des Sehnervs schon teilweile abgestorben. Basler Hauptforschungsgebiet Glaukom Was die Medizin gegen den Grünen Star unternehmen kann und welches die neusten Ursachenerkenntnisse sind, diskutieren kommendes Wochenende in Basel über 400 Wissenschafter aus 30 Ländern am jährlich wiederkehrenden Weiterbildungs-Kongress. Dass in Basel der Grüne Star sein wissenschaftliches Nest hat, ist kein Zufall: Die Rheinstadt mit ihrer renommierten Augenklinik zählt zu den weltweit führenden Glaukom-Forschungszentren. Chefarzt Josef Flammer und sein Team haben unter anderem entdeckt, dass eine Veranlagung zu Gefässkrampf - eine Regulationsstörung, die sich in einer schlechten Durchblutung des Auges äussert - zu den wesentlichen Glaukom-Ursachen zählt. Lange Zeit galt zu hoher Augendruck als die einzige Ursache des Grünen Stars. Heute ist bekannt, dass neben der Durchblutungsstörung auch zu tiefer Blutdruck vor allem im Schlaf geeignet ist, das noch unheilbare Leiden auszulösen. Zudem, so Professor Flammer, "spielen sehr häufig mehrere Risikofaktoren zusammen". Weshalb Nervenzellen allerdings absterben, ist derzeit noch nicht endgültig bekannt, doch wird mit den Methoden der Molkularbiologie intensiv an der Ursachenforschung gearbeitet. Psychosomatik trifft auch das Auge Zu den Risikogruppen gehören alle älteren, aber auch junge Menschen mit erblicher Belastung. Ueber 15 Prozent der Achtzigjährigen sind laut Flammer vom Grünen Star betroffen. Bekannt ist heute aber auch, dass das Auge - lange Zeit als sehr robust gegenüber seelischen Belastungen empfunden - sehr sensibel auf Stress reagiert. Kein Wunder, tritt die Gefäss-Regulationsstörung als eine der Glaukom-Ursachen weniger in der ländlichen Bevölkerung auf als vielmehr in der urbanen Gemeinschaft. Jener spezielle Typus des Grünen-Star-Patienten ist städtisch, eher schlank, strebsam, erfolgreich, präzis, akademisch. Deshalb empfiehlt Professor Flammer: Jede und jeder über vierzig sollte einmal den Augenarzt aufsuchen. Bei der Untersuchung wird sofort klar, ob das Risiko eine Glaukoms vorhanden ist oder nicht. Steht der Befund einmal fest, geht es darum, "den Ernst der Lage zu erklären, aber keine Panik aufkommen zu lassen". Dank der Risikoabklärung wird es möglich, den Krankheitsansatz zu erkennen und mit Medikamenten, Laserbehandlung oder Operation zu behandeln. "Wenn man nichts unternimmt, droht Blindheit", sagt Professor Flammer. Im Gegensatz zum Grauen Star, der Augenmedizinern kaum noch Probleme aufgibt, ist die Behandlung des Grünen Stars ungleich komplexer. "Im Moment kann man einen Schaden, der da ist, nicht heilen. Das Ziel aber ist es, dass man ihn auf dem entdeckten Stand halten kann." In nächster Zeit kämen auch neue drucksenkende Medikamente auf den Markt, deren Wirkung auf dem Kongress auch diskutiert wird. Zukunftsmusik: Kamera als Augen-Ersatz für Erblindete Ein "ganz heisses Thema" ist auch die Frage, wann und wie weit der Sehnerv medikamentös gegen aggressive Risikofaktoren geschützt werden kann. Noch offen ist auch, ob sich für bereits Erblindete - nicht nur als Folge des Grünen Stars - technische Lösungen abzeichnen. "Zukunftsmusik" ist laut Josef Flammer der Ersatz des blinden Auges durch eine Kamera, die dem Patienten zwar nicht das perfekte natürliche Augenlicht zurückgibt, aber immerhin gewisse optische Wahrnehmungen ermöglichen sollte. An diesem Projekt arbeitet ein vom deutschen Forschungsfonds grosszügig unterstütztes Team hochspezialisierter Experten der Bereiche Mikrotechnik und Medizin der Universität Tübingen. Für Professor Flammer ist klar: "Wir müssen auf breiter Ebene kommunizieren." Weil die Patienten "gern mehr wissen möchten", will er Ende Jahr im Huber-Verlag ein praktisches und für Laien verständliches Handbuch in einer Auflage von mindestens 50'000 Exemplaren herausgeben.
16. März 1999 |
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