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"Nichts anbrennen lassen": Regierungsrätin Sabine Pegoraro, Polizeichef Kurt Stucki

Sämtliche Liestaler Bahnhof-Schläger gefasst: 15 Skins geständig

Rechtsextreme Täter haben ihr Zentrum vor allem im Raum Sissach/Gelterkinden

VON PETER KNECHTLI

Der brutale Überfall auf den Pronto-Shop am Bahnhof Liestal ist geklärt: Die Polizei konnte 15 Täter und Täterinnen festnehmen, die alle geständig sind. Es handelt sich ausnahmslos um junge rechtsextreme Schweizer, die mit einer gewaltbereiten Gruppe Ausländern am Bahnhof Liestal abrechnen wollten. Der verstärkte Polizeieinsatz kostete bisher schon über 200'000 Franken.

Die Szenerie am Abend des 30. April war gespenstisch: Wie aus dem Nichts tauchen nach 22 Uhr am Liestaler Bahnhof über ein Dutzend schwarz gekleidete, vermummte und mit Baseball-Schläger (Bild), Ketten, Eisenstangen und einem nagelgespickten Axtstiel bewaffnete Gestalten auf, verletzen wahllos zwei Passanten und verwüsten den Pronto-Shop. Ambulanzen kreuzen auf, als sich die Schläger längst aus dem Staub gemacht haben. Die Polizei informiert Medien und Öffentlichkeit nicht. OnlineReports berichtet als erstes Medium über den "Gewalts-Spuk am Liestaler Bahnhof".

Motiv: Seit Monaten schwelender Streit

Jetzt, gut einen Monat später, ist der Fall grundsätzlich geklärt, die Polizei Basel-Landschaft kann einen beachtlichen Fahndungserfolg vorweisen: Sämtliche 15 Schläger - 12 Männer, drei Frauen, alle von schweizerischer Nationalität - sind verhaftet, geständig und - gereuig. Die letzten 5 Schläger wurden gestern Donnerstag angehalten. Dies wurde heute Freitag an einer Medienkonferenz in Liestal bekannt. Zehn Schläger sind über 18 Jahre, deren fünf unter 18 Jahren alt. Schwerpunkt ihrer Herkunft und Treffpunkte ist die Region Sissach/Gelterkinden. In Liestal traf sich die Gruppe am Bahnhof, in der "Allee" und in Beizen. Elf Täter stammen aus dem Baselbiet, zwei aus Basel-Stadt und jener einer aus den Kantonen Aargau und Bern.

Motiv der Tat war ein seit Monaten schwelender Streit der Gruppe mit einer nicht näher definierten, aber ebenfalls gewaltbereiten "ausländischen Gruppierung", deren bevorzugter Sammelort ebenfalls der Liestaler Bahnhof war. Schon während der Liestaler Fasnacht war es zwischen den rivalisierenden Banden zu Kämpfen, die scheinbar zu Ungunsten der Schweizer Gruppe ausging, die anschliessend Anzeige erstattete.

Frust, weil ausländische Gegner abhauten

An jenem Freitagabend Ende April hätte die grosse Rache geführt und der ausländische Gegner "gezielt abgerieben" (so Beat Krattiger, stellvertretender Baselbieter Kripo-Chef) werden sollen. Die Gruppe traf sich am Brunnweglein, fuhr anschliessend auf die Wintentalhöhe - dem Übergang zwischen Liestal und Arisdorf. Dort bewaffneten sie sich und enthemmten sich mit Alkohol, bevor sie ihre Wagen in der Nähe des Liestaler Bahnhofs parkierten und zu Fuss zum Ort des Showdowns gingen. Da sie dort nur drei "Gegner" antrafen, die sich in den Pronto-Shop und anschliessend in unbekannte Richtung flüchteten, verletzten sie "aus Frust" (Krattiger) wahllos zwei Personen und schlugen Teile des Einkaufsladens zusammen (Schaden: 1'200 Franken), bevor sie sich selbst Richtung Gempen aus dem Staub machen konnten. Diese Gruppe war es auch gewesen, die zuvor "als klares Ablenkungsmanöver" in Liestal entsprechende anonyme Flugblätter gestreut hatte.

Täter gehören nicht zur PNOS

Bei den Verhafteten handelt es sich um rechtsextreme, "national gesinnte Männer und Frauen", darunter auch gewaltbereite Mitläufer. Die Polizeiverantwortlichen betonten jedoch klar, dass es sich nicht - wie in einzelnen Medien verdächtigt - um Mitglieder der "Partei National Orientierter Schweizer" (PNOS) handle. Diese rechtsradikale Polit-Gruppierung hatte "mit Nachdruck" klargestellt, "dass mit absoluter Sicherheit weder die PNOS als Organisation noch irgend ein Mitglied aus der Parteileitung in irgendeiner Form mit dem Gewaltakt in Zusammenhang steht". Viel mehr seien die verhafteten Skins, so die Polizei weiter, auf "diffuser Basis" und ohne parteipolitisch-ideologischem Motiv aktiv geworden. Krattiger wies anderseits darauf hin, dass "auch die gewaltbereiten ausländischen Gruppierungen gar nicht zu unterschätzen sind".

Pegoraro: "Wir dulden keinen Extremismus"

Die Baselbieter Justiz- und Polizeidirektorin Sabine Pegoraro lobt an der Medienkonferenz den "tollen Erfolg" ihrer Fahnder. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass sie keinen Extremismus dulde - "egal welcher Couleur". Nachdem schon vor vier Jahren rechtsextremistische Aktivisten am Todestag des Nazis Rudolf Hess durch Liestal gezogen waren und den jüngsten nationalistischen Randalen sei die polizeiliche Schwergewichts-Präsenz an den Bahnhöfen verstärkt worden. Laut Polizeikommandant Kurt Stucki kostete allein die verstärkte Präsenz in Liestal während drei Wochen 207'000 Franken. Polizeiliche Aktivitäten an den sensiblen Schauplätzen würden seit Anfang Juni "flexibel und situationsgerecht" weiter geführt. Stucki: "Man muss mit der Polizei überall rechnen." Zudem werde der "Runde Tisch", an dem der Kanton, die Stadt Liestal und die SBB teilnehmen, weiter geführt.

Regierungsrätin Pegoraro erinnerte überdies an einen ganzen Massnahmenkatalog zur Bekämpfung des Rechtsextremismus - von Arbeitsgruppen, FCB-Fanprojekt-Beteiligung, Anlaufstellen und Merkblättern bis zu Vorsicht bei der Vermietung von Waldhütten oder anderen lokalen an rechtsextreme Organisationen. Mit diesem "breitgefächerten Instrumentarium" werde die Baselbieter Polizei "proaktiv handeln und nichts anbrennen lassen". Erste Erfolge seien, so Pegoraro, schon sichtbar: "Rechtsextremistische Ereignisse im Baselbiet sind am Sinken."

Pronto-Shop: Alkohol erst ab 20 Jahre

Auch der Pronto-Shop will Lehren aus dem Überfall ziehen und das Mindesalter für den Alkoholverkauf auf 20 Jahre hinauf setzen.

(Video-Statement Kommissar Beat Krattiger zum politischen Motiv der Täter)

4. Juni 2004

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