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"Finanzierung hat einen Systemfehler": Basler Kongress-Manager Leonhard Loew

"Wir brauchen ein Stadtpräsidium als Repräsentant der Marke Basel"

Das Kongresszentrum schreibt auch nach 20 Jahren rote Zahlen, ist aber für den Wirtschaftsplatz Basel unentbehrlich

VON PETER KNECHTLI

Seit zwanzig Jahren verfügt Basel über ein Kongresszentrum, das beträchtliche volkswirtschaftliche Effekte auslöst. Doch im harten nationalen und internationalen Konkurrenzkampf löse Basel seine Hausaufgaben bezüglich des Stadtmarketings nicht optimal. Es fehle insbesondere ein Stadtpräsidium als Symbolfigur, die die Marke Basel in die Welt hinaus trägt, sagt Leonhard E. Loew im Interview mit OnlineReports.

OnlineReports: Welches ist die Bedeutung des Kongresszentrums innerhalb der Messe Schweiz?

Leonhard E. Loew: Mit sieben Millionen Franken hat es einen kleinen Anteil von weniger als fünf Prozent am Gesamtumsatz des Unternehmens. Aber als Plattform des Wissensaustaschs hat es eine sehr hohe Bedeutung. In unseren Räumen finden jährlich zwischen 280 und 300 Anlässe statt.

OnlineReports: Kommerziell sind Kongresse kein blühendes Geschäft.

Loew: Der Betrieb ist kostendeckend, durch Abschreibungen und Zinsen entsteht ein jährlicher Fehlbetrag zwischen 2,5 bis 3 Millionen Franken. Die Aktivität ist jedoch nicht bestritten - nicht zuletzt, weil wir auch für Messen Räumlichkeiten für Kongresse und Workshops zur Verfügung stellen. Die Messe Schweiz betont aber immer wieder, dass das Kongresszentrum fester Bestandteil des Unternehmens ist. Es ist fast einmalig in Europa ist, dass der Bau des Kongresszentrums vollständig durch die Messe selbst finanziert wurde. Der Staat hat keinen Franken beigetragen.

"Die Nutzniesser müssen sich in irgend einer Form
am Defizit beteiligen."


OnlineReports: Gab es auch schon Ideen, das Kongresszentrum als selbstständige Tochtergesellschaft der Messe Schweiz auszulagern?

Loew: Aufgrund der heutigen Rahmenbedingungen ist das keine Option. Aber wir machen uns Gedanken, wie wir das Defizit besser verteilen können. Das Ziel muss sein, dass sich die Nutzniesser in irgend einer Form am Defizit beteiligen ...

OnlineReports: ... an wen denken Sie dabei in erster Linie?

Loew: Der Kanton sollte uns in einer Form helfen, das Defizit zu finanzieren. Denn wir generieren 100 Millionen externen Umsatz pro Jahr. Hotels, Restaurants und der Detailhandel sind Nutzniesser. Allerdings ist es in der heutigen Zeit nicht denkbar, bei ihnen einen Beitrag zu erheben.

OnlineReports: Denken Sie an eine Kongress-Steuer?

Loew: Nein. Viel wichtiger wäre es, wenn die ganze Stadt die Zielsetzung hätte, die Messe- und Kongressstadt international besser zu verkaufen.

OnlineReports: Wie hat sich das Basler Kongresszentrum, vom damaigen Generaldirektor Frédéric Walthard gegründet, in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Loew: Die Idee war und ist es , den Messeplatz mit einer Kongress-Sparte zu stärken. In den letzten fünf Jahren fand jedoch ein starker Wandel statt. Früher hatte das Kongresszentrum ein breites Aktivitäten-Spektrum mit Musical, Hotelreservation und einer Kongressorganisations-Abteilung. Seither haben wir uns professionalisiert. Seit letzten Sommer haben wir uns auf Marketing und Verkauf sowie den Betrieb der Kongress-Säle fokussiert.

"Wir wollen die Kommunikation stärken
und unser Profil schärfen."


OnlineReports: In der Öffentlichkeit ist über die Aktivitäten des Kongresszenturms relativ wenig zu hören. Ist es bewusst eine Insider-Angelegenheit?

Loew: Nein. Aber uns erscheint es schwierig, dass wir immer nur über unsere Anlässe wahrgenommen werden. Unser Profil wird immer geprägt durch Anlässe, die in unserer Infrastruktur stattfinden. So nehmen uns Musikfreunde durch die Avo-Session wahr, Wissenschafter durch einen hoch spezialisierten Biotechnologie-Kongress. Wichtig ist uns, dass wir in der lokalen Öffentlichkeit verankert sind. Dazu wollen wir künftig die Kommunikation stärker pflegen und unser Profil als Kongresszentrum schärfen - nicht zuletzt, weil wir von unserem Image und unserer Marke leben.

OnlineReports: Gibt es auch Fälle, in denen Veranstaltungen ganz bewusst diskret abgehalten werden, ja sogar unter Geheimhaltung stehen?

Loew: Das gibt es. Es gibt Kunden wie Pharmaunternehmen, die firmeninterne Anlässe beispielsweise über Verkaufsstrategien oder Produkteentwicklungen durchführen und dies hinter zuverlässig verschlossenen Türen machen wollen. Das geht sogar so weit, dass selbst unsere eigenen Leute nur sehr beschränkt Zutritt haben. Dann gibt es auch Verwaltungsratssitzungen oder Hochsicherheitsanlässe, wenn wir sehr prominente Gäste haben wie zum Beispiel die Kaiserin von Japan oder der frühere US-Vizepräsident Al Gore.

OnlineReports: Wie muss man sich das vorstellen? Kommen hochrangige Uno-Vertreter oder Staatspräsidenten diskret ins Kongresszentrum, um sich mit Politikern, Diplomaten oder Wirtschaftsführern zu treffen?

Loew: Das gibt es, aber diese politische Dimension ist im Basler Kongresszentrum nur selten zu finden. Diesbezüglich sind die Standorte Bern und Genf eher gefragt. Wir hoffen aber, dass das Uno-Umweltprogramm wie 1989 wieder in Basel zu Gast sein wird. So etwa im Jahr 2009, wenn die Basler Konvention über grenzüberschreitenden Sondermüll das 20-jährige Jubiläum feiert.

OnlineReports: Wie hoch ist in solchen Fällen die Bedeutung der Sicherheit?

Loew: Eine sehr hohe Bedeutung. Allerdings sind diese spezifischen Anlässe eher selten. Die Schweiz ist ein sehr sicheres Land und oftmals sind unsere Veranstaltungen öffentlich. Ist besondere sicherheit gefragt, arbeiten wir mit den polizeilichen Behörden im Kanton zusammen. Wir haben keinen eigenen Sicherheitsdienst.

"Es gab Jahre, in denen das Kongresszentrum
einen kleinen Gewinn abwarf."


OnlineReports: Wo steht Basel bezüglich Marktanteil an Kongress-Veranstaltungen in der Schweiz?

Loew: Das ist auf Grund der Komplexität des Kongressgeschäfts nicht zu beziffern. Wir messen uns mit den grossen Zentren Palexpo in Genf, Beaulieu in Lausanne und dem KKL Luzern.

OnlineReports: Welches waren für das Kongresszentrum die "Goldenen Jahre"?

Loew: Das ist schwierig zu beurteilen. Es gab Jahre, in denen das Kongresszentrum einen kleinen Gewinn abwarf oder mindestens kostendeckend arbeitete. Das waren aber Ausnahmen. Das reine Kongress- und Veranstaltungsgeschäft war aber nie kostendeckend.

OnlineReports: Welches sind international die wichtigsten Konkurrenten?

Loew: Alle Kongresszentren der gleichen Grössenordnung. Mit Paris, Wien oder New York City wollen wir uns nicht vergleichen, aber mit Hamburg, München oder mit St. Louis und New Orleans.

"Wir müssen aufpassen,
dass wir nicht an Boden verlieren."


OnlineReports: Gewinnt Basel im Konkurrenzkampf an Boden?

Loew: Aufgrund der tendenziell sich verschlechternden Rahmenbedingungen in der Stadt müssen wir aufpassen, dass wir nicht an Boden verlieren. Konkurrenz-Destinationen gehen dazu über, ihr Profil mit massiven Mitteln zu stärken bis hin zu aktiven Investitionen in Rahmen-Infrastrukturen durch die öffentliche Hand. Dem Kongressgeschäft wird in Basel zu wenige Bedeutung beigemessen Wir müssen das Image von Basel als Industriestadt korrigieren und Basel als Kulturstadt im Dreiländereck und als touristisch attraktive Stadt im herzen Europas positionieren.

OnlineReports: Welches sind die Vor- und Nachteile des Standorts Basel?

Loew: Als Kongress-Stadt sind wir sehr überschaubar. Wir sind eine Stadt der kurzen Wege. Das gibt es fast nirgends in ganz Europa. Wir haben eine tolle Altstadt, die von den Gästen bewundert wird. Und wir haben ein schönes Umland mit der Schweiz, dem Elsass und dem süddeutschen Raum. Basel als Reise- und Kongressdestination hat aber ein Imageproblem: Man kennt es nur als Industriestadt. Wir haben zudem immer noch eine begrenzte Zahl an Hotelkapazitäten trotz Zunahme in den letzten zwei Jahren. 2003 war die Auslastung höher als 2002, und dies trotz einer Zunahme von 400 Hotelzimmern. Die Basler Hotels sind aber nur so gut ausgelastet, weil vom Montag bis Donnerstag so viele Geschäftsreisende da sind. 85 Prozent der Übernachtungen sind Geschäftstouristen.

"Das Stadtmarketing führt eher zu einer Verzettelung
statt zu einer Konzentration."


OnlineReports: Sind Sie glücklich darüber, wie das Stadtmarketing den "Kongressplatz Basel" international verkauft?

Loew: Das Stadtmarketing hat nach meiner Meinung nicht den Auftrag, Basel international zu verkaufen, sondern es sollte koordinierend zwischen den Partnern wirken, die sich hauptsächlich mit dem Verkauf der Destination Basel befassen. Es sind insbesondere Basel Tourismus, die Wirtschaftsförderung, Basel Convention Bureau, Messe Schweiz, Kongresszentrum und kulturelle Institutionen. Das derzeitige Stadtmarketing führt zu einer Verzettelung der Massnahmen statt zu einer Konzentration. Das Stadtmarketing interpretiert seinen Auftrag viel zu breit.

OnlineReports: Was müsste besser werden?

Loew: Die Anstrengungen, Basel international zu positionieren, müssten auf dem gleichen Fundament stehen, die Mittel müssten gebündelt und die Ziele auf gewisse Bereiche fokussiert werden.

OnlineReports: Wird der Beitrag des Kongresszentrums an die regionale Volkswirtschaft genügend geschätzt?

Loew: Zum Teil ist gar nicht bekannt, dass wir in unserem wirtschaftlichen Umfeld jährliche Umsätze von 100 Millionen Franken auslösen. Dahinter stehen auch Arbeitsplätze. Man muss sich bewusst sein, dass dies ein nicht unwesentlicher Teil der regionalen Wirtschaft und Wertschöpfung darstellt. In der Finanzierung unserer Aktivitäten sind aber Systemfehler. Darum suchen wir Wege, sie breiter abzustützen.

"Die Verwischung der Verantwortlichkeiten
schadet dem Profil der Stadt."


OnlineReports: Uns scheint eine klar definierte Symbolfigur zu fehlen.

Loew: Für mich ist klar: Basel braucht ein Stadtpräsidium. Hier liegt der Hauptmangel. Das Stadtpräsidium wäre Repräsentant der Marke "Basel", die nach innen und nach aussen vertreten würde. Wir aber haben eine Verwischung der kommunalen und kantonalen Verantwortlichkeiten. Das schadet dem Profil der Stadt.

OnlineReports: Wir finden den Eingang zum Kongresszentrum trist, abweisend, nicht einladend. Sind hier Änderungen geplant?

Loew: Wir sehen dies auch so, das war eine Konzession an den Stadtort in der Stadt. Wir sind dabei, im inneren Eingangsbereich eine wärmere Atmosphäre zu erhalten. Wir wollen dort verstärkt unsere Stadt zeigen. Wir können aber nicht mit der grossen Kelle investieren. Bei einer von aussen sichtbaren Veränderung wäre schnell ein zweistelliger Millionenbetrag nötig.


* Leonhard E. Loew, 40, ist seit Anfang 2003 Leiter des Kongresszentrums der Messe Schweiz. Er ist gelernter Buchhändler mit Zusatzausbildungen in Ökonomie und Marketing. Loew ist verheiratet, Vater von vier Kindern und lebt in Basel. Das Basler Kongresszentrum präsentiert sich kommenden 17. Oktober an einem Tag der offenen Tür.

8. April 2004

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"Viel Geld für wenig Ergebnis"

Zu warten, bis es einen Stadtpräsidenten gibt, hat keinen Sinn. Wesentlich wichtiger wäre, wie dies auch am Podium zum Thema "Stadtmarketing quo vadis?" der Vereinigung für eine Starke Region zusammen mit dem Efficiency-Club und der Regio deutlich zum Ausdruck kam, dass die Koordination zwischen den zahlreichen Basel vermarktenden Organisationen spielt. Um zielgerichtet und entsprechend erfolgreich vorgehen zu können, sind aber auch klare Vorstellungen nötig, was wir eigentlich sein wollen: Kulturstadt, Eventstadt, Medienstadt, Messestadt, Museumsstadt ... und wie binden wir die Region ein? Dazu wäre einmal fundiertes Nachdenken notwendig. Warum brauchen selbst kleine Städte wie etwa Siena oder Cambridge kaum Werbung? Seit Jahrzehnten verpulvern wir für die "Basel"-Werbung viel Geld mit eigentlich wenig Ergebnis, weil die involvierten Organisationen entsprechend ihren Aufträgen kurzfristig handeln müssen. Das Kongresszentrum braucht jetzt und nächstes Jahr eine Auslastung. Viel Zeit ins Jahr 2015 zu investieren bringt dem heutigen Chef nichts, weil ohnehin alles anders und er nicht mehr da ist. Das langfristige Planen wäre Aufgabe der Regierung. Warum lädt man nicht einmal die in der Vermarktung Tätigen und zusätzlich ein paar gescheite Leute zu einem Seminar ein und zwingt sie dabei, eine mindestens 20-jährige Zielvorgabe für Basel zu erarbeiten. Daran könnte man sich anschliessend bei den kurzfristigen Aktivitäten orientieren.

Hans Rudolf Bachmann
Kommunikationsberater
Basel


 


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