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Rochartis als Vision: Pharma-Strategen Daniel Vasella und Franz B. Humer


In der Pipeline steckt die Pharma Schweiz AG

Hinter der 20prozentigen Novartis-Beteiligung an Roche kann nur das Fernziel Fusion stehen

VON PETER KNECHTLI

Nach dem Verkauf von Martin Ebners Roche-Aktienpaket an Novartis könnte durch die Ausgliederung und anschliessende Fusion der Pharmadivisionen von Novartis und Roche die "Pharma Schweiz AG" entstehen. Durch Nutzung von Synergien, Straffung von Forschung und Entwicklung sowie Zusammenlagung der Verkaufsbrigaden könnte ein neues schlagkräftiges Weltunternehmen entstehen und in der Region Basel in einen "Biotech-Rausch" auslösen, wie Experten schon schwärmen.

Franz B. Humer, CEO und neuer Präsident des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche, ist gefordert: Demnächst wird er den Abbau von weltweit mehreren tausend Stellen öffentlich konkretisieren müssen, den er im Interview mit OnlineReports Anfang April schon signalisiert hatte.

Mehr Kummer wird ihm aber längerfristig der Überraschungscoup bereiten, den BZ-Banker Martin Ebner zum Abschluss seines finanziellen Engagements bei Roche hat steigen lassen. Das Paket von 20 Prozent der Roche-Inhaberaktien, das Ebner vor einer Woche an Novartis verkaufte, muss der neue starke Mann von Roche wie eine Faust im Nacken empfinden.

Nach aussen gibt er sich unbeeindruckt. Die Blitz-Transaktion über 4,8 Milliarden Franken, von Novartis innerhalb von 24 Stunden entschieden, sieht er laut "Finanz und Wirtschaft" bloss als einen "Wechsel eines grossen Roche-Pakets von einem Investor zu einem andern". Weder auf die Strategie noch auf die operativen Pläne habe der Transfer einen Einfluss.

Gegenseitige verbale Weichspülerei

Diese von Novartis auf einen gewöhnlichen Investor ist zumindest so fragwürdig wie Novartis-Chef Daniel Vasellas Beschwichtigung, er plane nichts weiter als die überzähligen Gelder langfristig anzulegen. Als böte sich Konkurrent Roche rein zufällig als valabelster Titel an. Firmennahe Strategen sehen hinter solch verbaler Weichspülerei mehr - den Start zu einer neuerlichen Verschiebung ganzer Konzerngebilde.

Der Zeitpunkt, die Initiative zu ergreifen, ist aus Novartis-Optik günstig: Das Fusions-Kombinat scheint topfit, Gewinne und Aktienkurse stimmen, die Kriegskasse ist prall gefüllt, aber das Volumen ist mit einem Weltmarktanteil unter vier Prozent zu schwach. Roche präsentiert sich derzeit in der Depression: Absinken auf Rang zwölf im Pharma-Weltmarkt, ausgedünnte Pipeline, Probleme mit Produkten, bevorstehender Personalabbau, Vitaminskandal.

"Pharma-Landschaft wird sich verändern"

Das Roche-Investment von Novartis sei denn auch "nur der erste Schritt hin zu einer Fusion", glaubt ein früherer Roche-Kadermann. Ein anderer Roche-Insider ist überzeugt: "In eineinhalb Jahren sieht die Pharma-Landschaft anders aus."

Denkbar halten Strategen folgendes Szenario einer "Pharma Schweiz AG":

Die Pharmadivisionen von Roche und Novartis werden zuerst ausgelagert und dann fusioniert. Gemeinsame Besitzerinnen der neuen Pharma-Grossmacht sind Roche und Novartis.

Die Divisionen Diagnostica und Vitamine mit einem Umsatz von rund acht Milliarden Franken bleiben bei der heutigen Roche. Damit lässt sich die breitbandige Wertschöpfungspalette beibehalten.

Die Division Vitamine und das Food-Geschäft von Novartis könnten auch verkauft werden, beispielsweise an Nestlé, dessen Konzernchef Peter Brabeck im Roche-Verwaltungsrat sitzt.

Die kalifornischen Biotechkonzerne Genentech (mehrheitlich in Roche-Besitz) und Chiron (zu knapp fünfzig Prozent in Novartis-Besitz), weniger als zwanzig Kilometer voneinander entfernt, werden zu einem schlagkräftigen Hightech-Mammut zusammengelegt.

Der Weg zur Einheitsaktie

Ein solches Modell könnte den Weg zur Einheitsaktie ebnen: Die Roche-Besitzerfamilien Hoffmann und Oeri-Hoffmann wären dann - allerdings nicht mehr mehrheitlich - am neuen Pharmariesen, an der Rest-Roche sowie an Givaudan beteiligt.

Für den Werkplatz Basel wäre eine Fusion der beiden Pharma-Divisionen - da stimmen selbst Wirtschaftsvertreter der Einschätzung der Arbeitneher zu - "eine Katastrophe". Doch wenn "der erste Schmerz verklungen" sei, würden die Chancen sichtbar: Aus dem Stellen-Desaster könnte dank erstklassigem Fundus an Knowhow "eine sensationelle Möglichkeit entstehen, einen Biotech-Rausch und einen Life-Science-Boom auszulösen", schwärmt ein Basler Hightech-Unternehmer. Falls eine derartige Bewegung erwogen würde und der Wille dazu vorhanden wäre, könnte das kreative Potenzial in Basel genutzt und "die ganze Life-Science-Industrie in der Region auf Weltniveau gebracht werden".

Vorrücken unter die Top fünf des Weltpharmamarktes

Eine Fusion insbesondere der Pharmadivisionen mache "auf allen Ebenen Sinn", glauben Kenner: Das Forschungs- und Entwicklungs-Management könnte gestrafft und die Forschungsbasis verbreitert werden, die Portfolios könnten vereint und die "riesigen und teuren Streitmächte an Verkaufskräften" in den USA gemeinsam genutzt werden. Ausgestattet mit einer riesigen Kriegskasse könnte die "Pharma Schweiz AG" wieder unter die Top fünf des Weltpharmamarktes vordringen und neue Wachstumsszenarien aushecken.

Nicht alle Beobachter trauen diesem Szenario. Franco Catanzaro, Head of Equity Research der Bank Sarasin, glaubt, dass die stimmrechtsgewaltigen Roche-Besitzerfamilien Hoffmann und Oeri-Hoffmann die Strategie der Ebner-Blockade nun erst recht auf den neuen Grossaktionär und Konkurrenten am linken Rheinufer anwende. Roche habe bisher im Alleingang und dank der dualen Kapitalstruktur mit Inhaberaktie und Genussschein komfortabel allen Fusions-Trends und Forderungen nach Einfühung der Einheitsaktie widerstanden. Ein Novartis-Insider: "Die Familie ist bisher immer als Phalanx aufgetreten. Sie wird es auch in Zukunft tun."

Vasella hat weitere Pläne im Köcher

Das ist die grosse Frage. Sicher ist, dass die Familien immerhin bereit wären, "über eine Einheitsaktie nachzudenken, wenn es die strategischen Möglichkeiten notwendig machen" (so Humer zur SonntagsZeitung). Vasella dagegen sieht sein Roche-Aktienpaket bereits als möglichen "Gesprächskanal in Bezug auf Kooperationen". Wer dies öffentlich sagt, dürfte konkretere Pläne im Köcher haben. Und falls es zu einer operativen Zusammenarbeit käme, stellte sich ohnehin schnell die Frage nach Vertraulichkeit, Geschäftsgeheimnissen und schliesslich Einsitz von Novartis im Roche-Verwaltungsrat.

Wer Chef der "Pharma Schweiz AG" werden könnte, wird in Basel schon debattiert - vielleicht bald auch in der Romandie: Novartis-Architekt und ex-Sandoz-Präsident Marc Moret wohnt am Genfersee, nur einen Spaziergang von Domizil des Roche-Verwaltungsrates André Hoffmann entfernt.



Franz B. Humers Täuschung

In den letzten Wochen herrschte dicke Luft im sonst trauten Führungstrakt von Roche: Konzernchef Franz B. Humer und Anton Affentranger, seit erst vier Monaten neuer Finanzchef, waren aneinander geraten.

Nach Informationen von OnlineReports hat der Streit nichts damit zu tun, dass Affentranger den Verkauf von Ebners 20prozentigem Aktienpakets an die Konkurrenz vom linken Rheinufer nicht vereitelt habe. Vielmehr habe die Dissonanz "schon lange vorher ihren Anfang genommen". Der Finanzchef habe seinen Posten ernst genommen und Humer dazu gedrängt, die Kosten zu senken, vor allem die immensen Marketingaufwändungen im Pharmabereich.

Fazit: Affentranger wurde unter Verdankung der geleisteten Dienste per Ende Mai gefeuert. "Die Chemie", räsonierte Humer, habe "nicht gestimmt". Damit gestand der neue Roche-Chef ein, dass er sich bei der Auswahl Affentrangers in der gegenseitigen Harmoniefähigkeit getäuscht hatte. Humer, der schon mit dem früheren Finanzchef Henri B. Meier nie warm wurde, habe damit ein "schlechtes Augenmass für die Beurteilung seiner Mitarbeiter" gezeigt, so eine häufig gehörte Einschätzung. Sein Vorgänger Fritz Gerber galt als Patron mit gutem Instinkt für die richtige Personenwahl. "Kein Top-Manager kann es sich leisten, einen andern andern Leistungsträger nach vier Monaten zu entlassen." Ein Humer-Vertrauter über das jähe personalpolitische Signal: "Humer ist ein Machtmensch. Wenn einer nicht spurt, dann geht das so."


Vorgeschichte

13. Mai 2001

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© by Peter Knechtli