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Foto © Ruedi Suter

Langjähriger Arbeitsort von Ridha Ben Ayed: Moschee in Basel

Interview-Partner Ridha Ben Ayed* war vor seiner Flucht in die Schweiz Verbindungsmann der Ennahda in Algier, der islamistischen Partei Tunesiens. Bis heute steht er in regelmässigem Kontakt mit dem Ennahda-Chef Ghannouchi, der in London lebt. Während fünf Jahren war Ben Ayad Mitglied des Leitungsteams des islamischen Zentrums ("Islamische König-Faisal-Stiftung") an der Friedensgasse in Basel und wohnte in Liestal BL. Ridha Ben Ayed lebt seit 1993 als anerkannter politischer Flüchtling in der Schweiz. Da sein Studienabschluss nicht anerkannt war, holte er das medizinische Staatsexamen an einer Schweizer Universität nach - finanziert durch den Kanton Baselland und das Schweizerische Rote Kreuz. Seit rund einem Jahr arbeitet Ben Ayad als Assistenzarzt an einem Spital in der Westschweiz.


"Wir haben unsere Extremisten, ihr habt eure Neonazis"

Interview mit Ridha Ben Ayed*, einem der prominentesten Islamisten der Schweiz

VON BEAT STAUFFER

Ridha Ben Ayed ist einer der prominentesten Islamisten der Schweiz. Seit 1993 lebt er als anerkannter politischer Flüchtling in der Schweiz. Während mehr als fünf Jahren spielte er eine führende Rolle in der Moschee an der Basler Friedensgasse. Im Interview mit OnlineReports äussert sich Ben Ayad zu der Behauptung der Schweizer Staatsschützer, die Ennahda sei in Anschäge verwickelt, aber auch zu seinem Leben als Islamist in der Schweiz.

OnlineReports: In einem kürzlichen Interview mit der SonntagsZeitung nahm der Ennahda-Chef Ghannouchi eine sehr moderate Position ein. Gleichzeitig verdichten sich die Hinweise, dass sich tunesische Islamisten in ganz Europa aktiv am Netzwerk al-Kaida beteiligten. Hat Ghannouchi die Kontrolle über seine eigenen Leute verloren?

Ridha Ben Ayed: Im Westen wird einmal mehr alles miteinander vermischt. Neben der Ennahda gibt es in Tunesien verschiedene islamistische Gruppierungen wie zum Beispiel Hizb Tahrir**, der "Front Islamique Tunisien" (FIT) und andere mehr. Ghannouchi ist nur verantwortlich für seine eigene Partei. Er hat sich bereits 1981 für den legalen, gewaltfreien Weg entschieden und als erste islamistische Partei ein Gesuch um staatliche Anerkennung gestellt. Dieses wurde allerdings abgelehnt. Mit den erwähnten Gruppierungen, die teilweise einen extremistischen Kurs verfolgen, hat Ennahda nichts am Hut.

OnlineReports: Die Schweizer Behörden sind der Überzeugung, Ennahda-Mitglieder seien zumindest in der Vergangenheit an Anschlägen beteiligt gewesen.

Ben Ayed: Das ist vollkommen falsch. Ennahda hat zu keinem Zeitpunkt eine solche Strategie gewählt. Die Bewegung verfügt über keinen bewaffneten Arm. Wer solche Behauptungen aufstellt, sollte Beweise vorlegen.

Das tunesische Regime versucht uns seit Jahren zu kriminalisieren, um eine brutale Repressionspolitik zu rechtfertigen.

OnlineReports: Auch in Tunesien heisst es, die Ennahda verfüge über einen bewaffneten Arm.

Ben Ayed: Das tunesische Regime versucht uns seit Jahren zu kriminalisieren, um seine brutale Repressionspolitik zu rechtfertigen.

OnlineReports: Die Tunesier, die in den letzten Wochen in verschiedenen europäischen Ländern verhaftet worden sind, gehören also nicht der Ennahda an?

Ben Ayed: Da bin ich mir absolut sicher. Ich habe zudem grosse Vorbehalte gegenüber den Anschuldigungen, von denen in verschiedenen Medien die Rede ist. Meines Wissens ist noch in keinem einzigen Fall bewiesen, dass diese Tunesier wirklich die Delikte begangen haben, die man ihnen zur Last legt. Ich bin überzeugt, dass da viel westliche Propaganda im Spiel steckt.

OnlineReports: Kennen Sie persönlich Anhänger dieser extremistischen Gruppierungen?

Ben Ayed: Ich kenne zum Beispiel einen tunesischen Asylbewerber, der dem Hizb Tahrir angehört. Er ist in Tunesien gefoltert worden und nach seiner Freilassung in die Schweiz geflüchtet. Ich teile die Auffassungen dieser Gruppierung nicht. Doch meines Wissens haben diese Leute bis anhin nirgendwo Attentate begangen.

In den Moscheen, in denen ich verkehre, ist al-Kaida nicht präsent.

OnlineReports: Was wissen Sie von Organisation al-Kaida? In den letzten Wochen und Monaten wurden in ganz Europa Islamisten verhaftet, die angeblich in engem Kontakt zu dieser Organisation stehen sollen oder gar eigene Zellen gebildet haben.

Ben Ayed: Ich kann ihnen darauf keine Antwort geben. Ich kenne keine Muslime, die dieser Gruppierung angehören. In den Moscheen, in denen ich verkehre, ist al-Kaida nicht präsent.

OnlineReports: Hat sich Ennahda in der Schweiz klar von der Gruppierung al-Kaida abgegrenzt?

Ben Ayed: Wir wollen in erster Linie unseren eigenen Weg definieren. Das scheint uns wichtiger als uns bei jeder Gelegenheit abzugrenzen. Nach den Attentaten vom 11. September haben wir klar Stellung bezogen gegen diese Form von blindem Terrorismus. Doch gleichzeitig weigern wir uns, das amerikanische Vorgehen pauschal zu akzeptieren.

OnlineReports: Wie stark sind extremistische Tendenzen unter Schweizer Muslimen vertreten?

Ben Ayed: Extrem ist nur eine winzige Minderheit. Ich bin überzeugt, dass man in den islamischen Zentren der Schweiz vor allem die Interessen der hier lebenden Muslime vor Augen hat und nicht irgendwelche abstrakten Ziele. Im eigenen Interesse versuchen deshalb die Verantwortlichen der Moscheen, radikale Gruppierungen zu kontrollieren. Dazu kommt, dass die Behörden in der Schweiz die Moscheen sehr gut überwachen.

OnlineReports: Dennoch haben Menschen auch hierzulande Angst, dass sich radikale Muslime in Zukunft Ziele in Europa vornehmen könnten.

Ben Ayed: Meiner Ansicht nach ist diese Angst nicht gerechtfertigt. Man könnte ebenso gut Angst vor Neonazis und Rechtsextremen haben. Extremisten gibt es überall. Wir haben die al-Kaida, ihr habt die Neonazis.

Wir sind nicht generell gegen den Westen eingestellt.

OnlineReports: Es irritiert, dass Islamisten, die in Europa Asyl beantragt haben, die hierzulande üblichen Freiheiten und Rechtsgarantien ausnutzen, um letztlich gegen diesen Westen vorzugehen.

Ben Ayed: Ich kann nur als Mitglied von Ennahda sprechen. Wir sind nicht generell gegen den Westen eingestellt, sondern in erster Linie gegen die Einmischung Frankreichs in Nordafrika und gegen das arrogante Auftreten der Weltmacht USA und deren Haltung im Nahostkonflikt. Die Schweiz nimmt als westliches Land eine Sonderstellung ein. Mir scheint es sehr wichtig, dass nun endlich ein Dialog zwischen dem Westen und den islamistischen Bewegungen zustande kommt. Dabei möchten wir als gleichberechtiger Partner behandelt werden. Wir verlangen allerdings, dass unsere islamisch-arabische Kultur und Weltsicht respektiert wird.

OnlineReports: Hat sich Ihr Bild des Westens nach acht Jahren Aufenthalt in der Schweiz verändert? Immerhin wurde Ihnen hierzulande nicht nur der Lebensunterhalt, sondern auch ein Zweitstudium finanziert.

Ben Ayed: Ich möchte klar festhalten, dass ich aus politischen Gründen in die Schweiz geflüchtet bin und nicht aus Armut oder um mich hier weiterzubilden. Mein Bild des Westens hat sich vielleicht in einem gewissen Mass verändert. Die Demokratie auf Gemeinde- und Kantonsebene beeindruckt mich. Positiv scheint mir auch, dass in der Schweiz der Laizimus weniger extrem ausgeprägt ist als etwa in Frankreich.

OnlineReports: Es erstaunt, dass Sie als Islamist Gefallen an der Demokratie finden..

Ben Ayed: Im Westen wird der Islamismus verzerrt wahrgenommen. Ich möchte klarstellen, dass die grundlegenden Freiheitsrechte eine zentrale Forderung der islamistischen Bewegung sind.

Das islamische Genf hat für mich etwas Verschlafenes.

OnlineReports: Genf wird häufig als ein internationales Zentrum islamistischer Aktivitäten bezeichnet. Von Genf aus sollen in den letzten Jahren auch immer wieder junge europäische Muslime für die Ausbildunglager in Pakistan rekrutiert worden und anschliessend ausgereist sein. Was wissen Sie darüber?

Ben Ayed: Davon weiss ich nichts. Meiner Ansicht nach wird die Rolle Genfs in diesem Zusammenhang massiv übertrieben. Das islamische Genf hat für mich etwas Verschlafenes. Die Genfer Muslime bringen es nicht fertig, ihre Interessen wirklich zu vertreten.

OnlineReports: In muslimischen Kreisen sind sie unter dem Pseudonym "Dr. Ridha" bekannt und ihre Telefonnummer und Adresse liessen Sie sperren. Weshalb diese Geheimnistuerei?

Ben Ayed: Ich habe leider immer wieder unangenehme Telefone erhalten und habe beschlossen, mich auf diese Weise zu schützen. Mit Untergrundmethoden hat dies nichts zu tun.

*Der Name des Interviewpartnes wurde geändert, ist der Redaktion aber bekannt.
** Kleine, radikal-islamische Gruppierung ist, die Anwendung von Gewalt nicht ausschliesst.


Verein gegen islamischen Fundamentalismus. Porträt

10. Dezember 2001

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© by Peter Knechtli