Dritte-Welt-Pestizide für Basler Sondermüll-Ofen


Mit Altlasten aus Entwicklungsländern könnte die Hightech-Anlage von Novartis ausgelastet werden

Neue Hoffnung zur Auslastung des Sondermüllofens von Novartis: Die Hightech-Anlage soll mit Pestizid-Altlasten aus Drittweltländern gefüttert werden - finanziert vor allem mit Krediten für Entwicklungshilfe.

Ein Artikel in der SonntagsZeitung über Millionenverluste um die modernste Sondermüllverbrennungsanlage der Welt vom 21. September letzten Jahres brachte den Stein ins Rollen. Aktiv wurde die Abfallmanagement-Firma Muff+Partner im aargauischen Egliswil. Der l0köpfige Betrieb präsentierte den beiden Basel und der Ofenbetreiberin Novartis einen bisher unangefochtenen Vorschlag, wie die Leer-Kapazität von 6'000 Tonnen auch ethisch sinnvoll genutzt werden könnte.

Das Konzept sieht vor, die immensen Pestzidfrachten aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Basel fachgerecht zu verbrennen. Zur Diskussion stehen drei Dutzend potentielle Lieferländer - von Benin über Moçambique und Sambia bis Sansibar und den neuen GUS-Staaten.

Die brisanten Frachten im Niemandsland sind immens: Eine Uno-Studie geht davon aus, dass allein in den Nicht-OECD-Staaten rund 100'000 Tonnen veraltete, überlagerte oder mittlerweile verbotene Schädlingsbekämpfungsmittel in Schuppen schutzlos vor sich hin gammeln. In diesen desolaten Depots lauern in Form hochgiftige halogenierter Stoffe wie DDT oder Dieldrin massive Gefahren für Menschen und Umwelt. Schon vor zwölf Jahren ging die Weltgesundheits-Organisation WHO von 20'000 Todesopfern und einer Million Vergiftungen als Folge unsachgemässer Lager und Anwendung von Pestiziden aus.

Die Entsorgungsidee der Aargauer Kleinfirma überzeugte Abfallfachstellen, Regierungsrätinnen und Novartis-Manager auf Anhieb, so dass die beiden Baudirektorinnen Barbara Schneider (Basel-Stadt) und Elsbeth Schneider (Baselland) mit Brief vom 31. Oktober das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) einschalteten. Der Basler Regierungsrätin gefällt am Projekt, "dass es auch aufzeigt, wie wir einen ethisch sinnvollen Beitrag an die Lösung der globalen Umweltprobleme leisten können".

Den beiden Basel und der Chemiefirma Novartis bescherte das auf 16'000 Tonnen Kapazität angelegte Ofen-Juwel vor allem einen finanziellen Notstand: Weil die beiden Halbkantone die zugesagten Sondermüllkontingente von 3'700 Tonnen pro Jahr bei weitem nicht liefern können, müssen sie Novartis jährlich über sechs Millionen Franken als blosse Risikogarantie zahlen. Für Novartis ist die Verbrennung im schlecht ausgelasteten 120-Millionen-Franken-Ofen ein Verlustgeschäft.

Mit dem neuen Ansatz entsteht, so ein Basler Abfallexperte, "eine Situation, von der alle profitieren". Die Chemikalien werden fachgerecht und - dank Schulung vor Ort - nachhaltig aus den Entwicklungsländern abgezogen, der Novartis-Ofen erhält das ihm angemessene hochgiftige Futter, der Bund löst ein handfestes Drittweltproblem und die beiden Basel sparen Millionen, weil ein Teil der importierten Pestizide ihrer Garantieverpflichtung gutgeschrieben werden soll.

Die grosse Frage ist nur noch, wer zahlt. Mathias Tellenbach, Chef Buwal-Sektion Industrie- und Gewerbeabfälle: "Unsere Sektion hat kein Budget für diese Aufgabe. Aber wir können die Tür öffnen. Es könnten Entwicklungshilfe-Gelder bereitgestellt werden."

Botschafter Nicolas Imboden vom Bundesamt für Aussenwirtschaft (Bawi) zeigte sich gegenüber der kreativen Lösung nicht abgeneigt. Aus welchen Quellen allenfalls Gelder requiriert werden, will er aber noch offen lassen. Auch müsse vom entsprechenden Land ein Finanzierungsgesuch vorliegen. Imboden: "Nicht alle Länder kommen für eine solche Zusammenarbeit in Frage."

Projektleiter Clemens Jehle von Muff+Partner schlägt einen unabhängigen Fonds vor, der hauptsächlich von Bund, Kantonen, Banken, Versicherungen und Entwicklungshilfe-Organisationen, aber auch von Chemiefirmen und - durch personelle oder infrastrukturelle Unterstützung - die Regierungen der Standortländer gespeist würde. Kaspar Eigenmann, bei Novartis zuständig für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt, signalisierte preisliches Entgegenkommen: "Bei Abfällen, die von Ciba und Sandoz stammen, würden wir sicher speziell schauen, einen Beitrag leisten zu können."

Mit einem Jahresvolumen von 50 bis 300 Tonnen und Ausgaben von gegen einer Million Franken möchte Jehle starten. Wenn im Vollbetrieb die Finanzierung von jährlich rund 15 Millionen Franken pro Jahr (Schätzung der SonntagsZeitung) sichergestellt ist, "können wir mindestens einen grossen Teil der fehlenden Kapazitäten beschaffen".

"Keine rechtlichen Probleme" sieht Buwal-Sprecher Tellenbach auch bei der Beschaffung von Sondermüllimport-Bewilligungen, sofern die Länder dem UNO-Sondermüll-Abkommen angehören. Zur Verbindung von Entwicklungshilfe-Geldern mit dem Novartis-Ofens meint Bawi-Botschafter Imboden: "Auf Kosten der Entwicklungshilfe darf sich niemand sanieren. Aber wenn ein sinnvolles Projekt allen Beteiligten nützt, haben wir damit kein Problem." (
Kommentar)

18. Januar 1998

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(c) by Peter Knechtli