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Bürobezug am 1. Juli. Neuer Big Star Werner Schnorf: "Ich drücke und drücke."


Die beschleunigte Inszenierung des Traums vom Westen

Nach Swatch und Bally: Der neue Big-Star-Boss Werner Schnorf will den Jeans-Konzern mit Tempo expandieren

Am 1. Juli steigt der 39jährige Manager Werner Schnorf in die Hosen: Dann löst er den Gründer an der Spitze des Jeans-Konzerns Big Star ab. Angesagt ist dynamisches Wachstum durch einen firmenkulturellen Paradigmawechsel.

Manchmal hat Werner Schnorf keine Zeit, sein schalkhaftes Lachen zu Ende zu führen. Dann verwandeln sich seine sonnigen Gesichtszüge abrupt wie im Filmschnitt zur Entschlossenheitsmiene im Strategieseminar. "Ja, ich stehe immer unter Strom", bekennt er, "und wenn ich lange sitze, dann werde ich wahnsinnig nervös". Auf Geschäftsreisen wählt er Hotels mit Kraftraum, um die Entbehrung des heimatlichen Joggens und Mountainbikens zu kompensieren.

Energie und Ausdauer kann Schnorf brauchen, wenn er ab Anfang Juli Big-Star-Boss wird: Bei einer Grösse von 176 Millionen Umsatz-Franken und 5'000 Verkaufspunkten in 36 Ländern ist der Zeitpunkt gekommen, den Paradigmawechsel vom Pionierbetrieb zum Wachstumsmanagement zu vollziehen. Gründer Laurin Faeh, der im Sommer 1974 zusammen mit seinen Brüdern Walter und Edwin in einer Basler Abbruchliegenschaft den ersten Jeans-Laden eröffnete und sein Geschäft inzwischen zur Nummer sieben in Europa ausbaute, wird jetzt durch den externen Wachstums-Manager abgelöst.

Letztes Faeh-Geschäftsjahr: "Knapp befriedigend"

Nur noch "knapp befriedigend" verlief unter Faeh das letztjährige Geschäftsjahr des Konzerns, der 80 Prozent seines Umsatzes mit Jeans erzielt: In den Kernmärkten Deutschland und Frankreich verflachte sich das Wachstum, in der Schweiz war der Umsatz gar rückläufig. Der Ertrag sank um 21 Prozent auf 9,1 Millionen Franken.

Die Erwartungen an die neue Führungskraft sind ambitiös: Big Star, so Verwaltungsratspräsident Peter Rutishauer, soll in drei Jahren zu den fünf Grössten in Europa aufsteigen und bis 2002 den Umsatz verdoppeln. Die Bank Vontobel rechnet 1998/99 dank Managementwechsel und neuer Strategie mit einem Gewinnwachstum von über 17 Prozent.

Verantwortung mit Vorgaben delegieren

"Dieses Umsatzziel liegt absolut im Bereich des Möglichen, zu den Gewinnerwartungen möchte ich mich noch nicht äussern", hält sich Schnorf bedeckt. Bewusst dagegen sind ihm die Unterschiede zu Faeh. Als externer Einsteiger könne er "distanzierter, rationaler und weniger emotional entscheiden". Verantwortung will er delegieren - "aber mit klaren Vorgaben". Auch verfügt der HSG-Oekonom, anders als der Ur-Jeanser, über breite Branchenerfahrung in Marketing und Verkauf.

Die Vermarktung emotionaler Konsumgüter stand schon immer im Zentrum von Schnorfs Berufsleben. Während acht Jahren kümmerte er sich als Hayek-Mann bei SMH ums Handgelenk und Marken wie Omega, Swatch, Endura und Tissot. Eineinhalb Jahre - bis Ende März - dauerte das abrupt abgebrochene Gastspiel bei Ballys Fussbekleidung unter Ernst Thomke. Seine eigene Hautbedeckung ist heute übersät mit den Jagdtrophäen seiner Karriere: Er trägt - trotz allem! - Bally-Schuh, Tissot-Uhr und neuerdings Jeans und Hemd von Big Star. Die Konkurrenz-Jeans, die jetzt plötzlich etwas irritierend im Kleiderschrank liegen, "werde ich sicher nicht fortwerfen, aber sukzessive durch Big Star ersetzen".

Junge Go-West-Legende

Mittlerweile hat der neue Chef auch schon ausfindig gemacht, wo sich die nächste Big-Star-Boutique befindet. Das breite Publikum dagegen hat mit diesbezüglicher Sachkunde noch etwas Mühe. Zwar ist es Laurin Faeh gelungen, die Marke in Blitzeseile als Go-West-Legende zu positionieren und mit seinem Shop-in-the-Shop-Konzept ein "beeindruckendes Handelsmarketing" (Schnorf) zu betreiben. Doch in der Ueberzeugung des Endkunden, die in aufwendiger Imagewerbung geweckte Assoziation zu Western-Feeling und Sex-Appeal im Verkaufsladen bestätigt zu sehen, hapert es noch.

Hier sieht Schnorf Nachholbedarf: Ueber verstärkte Werbung will er intensiver mit dem Endkonsumenten kommunizieren und das Produkte-Image an allen Verkaufspunkten konsequenter durchsetzen - bis hin zu sauber gestapelten Regalen: "Kontrolle ist für mich sehr wichtig, ich drücke und drücke." Die ertragsschmälernden Kosten will er strukturellen Massnahmen und einer Ausweitung des Geschäfts in Grossbritannien und Spanien, vor allem aber in den Ostländern auffangen: Kaum etwas verkörpert dort den kollektiven Traum des Westens stärker als die blaue Beintextilie.

Zuerst nach Chancen fragen

Damit auch die gut 600köpfige Belegschaft und das Faeh-fixierte Management mitziehen, trägt sich der neue CEO mit der Idee eines Aktienbeteiligungsplans und einer Ausweitung der Geschäftsleitung. Als erste Handlung ("das mache ich immer so") will der ehemalige Schweizermeister der Segler-Bootsklasse Yngling das tun, was ihn schon als Pfadfinder-Stufenleiter reizte: "Auf andere Leute zugehen" und "zu allererst nach den Chancen fragen, nicht nach den Problemen". Rechtschaffen klingt seine Kooperationsabsicht: "Gemeinsam Ziele erreichen, sehr konsequent und gerecht sein." Nach einer für Schnorfs Begriffe wohl endlos langen Denkpause von vielleicht zwei Sekunden sagt er: "Ich bin ein Team-Mensch. Aber ich sage immer gern, wo es durchgeht."

Dieses Führungsmuster prägte schon seine Grossväter und seinen Vater, der in der Alusuisse-Geschäftsleitung sass: "Wir hatten eine sehr vernetzte Familie mit Freunden und Bekannten in der ganzen Welt". Diese Kontakte will der Vater zweier Töchter im Alter von drei und fünf Jahren weiter pflegen und bei Bedarf auch geschäftlich nutzen.

Aktien ziehen an

Dass der in Meilen aufgewachsene Weltmann mit High-School-Abschluss in Dayton/Ohio auch in seiner heutigen Heimat am Sempachersee leidenschaftlich gern Einladungen gibt und mit Freunden diskutiert, trifft sich nach seiner Einschätzung perfekt mit der "sehr kommunikativen Art" seiner Frau, der ehemaligen Weltweisterin im Freistil-Skifahren und Snowboarden Eveline Wirth.

Wo sich soviel Sportsgeist und Leistungswille paart, wird der Firmenname zum Investitionsprogramm: Seit Bekanntwerden des Führungswechsels ziehen die Big-Star-Aktien an.


BIG STAR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE / LAURIN FAEH
NEUERES INTERVIEW MIT WERNER SCHNORF

15. Juni 1998

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(c) by Peter Knechtli