In die Gentechnologier verrannt

Vorwurf der Parteischädigung gegenüber dem Basler SP-Ständerat

Der Basler SP-Ständerat Gian-Reto Plattner sorgt ein weiteres Mal für Kopfschütteln unter seinem Parteivolk: Mit einer Werbeaktion gegen die Genschutzinitiative habe er "parteischädigend" gehandelt.

Mit Datum vom 9. Dezember verteilte Plattner "an alle Mitglieder des Ständerates" ein Positionspapier der deutschen Sozialdemokraten zur "Bio- und Gentechnolgier" (sic!). Dieses Papier, so Plattner in einem
Begleitbrief, sei "politisch sehr interessant", weil es zeige, dass sich das Ja der Schweizer Sozialdemokraten und der Grünen zur Genschutzinitiative nicht auf einen europäischen links-grünen Konsens abstützen könne. Vielmehr befänden sich diese Parteien "auf unserem Kontinent im Abseits".

Das offensichtlich schludrig abgefasste Papier, herausgegeben von einem SPD-Abgeordneten des Europaparlaments, empfahl Plattner den Ständeräten, im Kampf gegen die Genschutzinitiative "auf Podien, in Leserbriefen oder bei Interviews" einzusetzen.

Mit dieser Aktion stiess Plattner innerhalb seiner Reihen auf helle Empörung. "Dieses Vorgehen ist in höchstem Mass parteischädigend", kommentierte SP-Fraktionspräsidentin Ursula Hafner das Rundschreiben gegenüber der SonntagsZeitung. Plattner könne durchaus seinen von der offiziellen Parteimeinung abweichenden Standpunkt vertreten, "aber dies geht zu weit". Für die radikale Basler Gentech-Kritikerin und SP-Nationalrätin Margrith von Felten ist Plattners Brief gar "unsäglich".

Nach mehreren Gesprächen kam Plattner zur Einsicht, dass "zu meiner Ueberraschung" alle die Einsicht teilten, diese Aktion "strapaziere die Solidarität der Partei mit mir auf ungebührliche Weise". Dies schreibt er in einem
Brief an die Fraktionspräsidentin. Plattner: "Offenbar habe ich mich verrannt." Deshalb wolle er sich entschuldigen: "Ich werde so etwas nicht mehr tun."

Damit ist auch für Ursula Hafner "die Sache erledigt". Andere staunen indes darüber, dass der Physikprofessor "seine Aussenwirkung immer weniger unter Kontrolle hat". Als er im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung der Mängel in der Eidgenössischen Versicherungskasse öffentlich gegen den damaligen SP-Finanzminister Otto Stich auf die Pauke haute, schlug der frühere SP-Präsident Peter Bodenmann gegen Plattner verbal zurück.

Kopfschütteln löste Plattner erneut aus, als er in der Herbstsession gegen das links-grüne Herzensanliegen einer Lenkungsabgabe im neuen Energiegesetz eintrat. Nur durch einen Rücktritt als Stiftungsrat der Greina-Stiftung konnte er laut "Südostschweiz" einem Rausschmiss zuvorkommen. Bodenmann über Plattners Haltung: "Eine Monsterkalberei." Der eigenwillige Parlamentarier, so ein SP-Funktionär, habe "Mühe mit einem Minimum an Spielregeln".

Basler Sozialdemokraten, unter denen sich ein flexibles Ja zur Geschutz-Initiative abzeichnet, sind über den tüchtigen und effizienten, aber als abgehoben und arrogant empfundenen Volksvertreter seit einiger Zeit irritiert. "Plattner setzt die Chemie-Interessen mit den Basler Interessen gleich. Er wäre ein guter Freisinniger", meint ein sozialdemokratischer Mandatsträger. Für den Basler SP-Präsidenten Joggi Winistörfer ist der "brillante Sololäufer, von dem ich etwas mehr Teamgeist erwarte", allerdings "im Moment kein Problem". Mit seinem Engagement zugunsten von Europa und dem Wirtschaftsstandort Schweiz bewege sich Plattner "auf sozialdemokratischem Boden". Plattner macht geltend, als Ständerat müsse er übergeordneten Interessen folgen, reine Parteiinteressen müssten zurückstehen.

Kein Problem mit dem Standesherrn des Chemiekantons hat auch der Basler FdP-Nationalrat und Novartis-Kadermann Johannes Randegger. Am Freitag legte er im Bundeshaus ein Positionspapier auf, das eine zunehmende genpolitische Isolation der Schweizer Sozialdemokraten gegenüber den europäischen Schwesterparteien diagnostiziert. Quelle der Munition: Gian-Retos Plattners SPD-Rundbrief.
(
Kommentar)

20. Dezember 1997

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