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"Anbieten statt abwarten": Energierohstoff Holz

Grösstes Holzheizkraftwerk der Schweiz bis 2008 in Basel geplant

Absatzchance für Nordwestschweizer Waldbesitzer / Jährlicher Bedarf von 65'000 Kubikmeter Festholz

VON MARC GUSEWSKI

Waldbesitzer in Basel-Stadt, Baselland, Aargau und Solothurn schreiten mit der baselstädtischen Energieversorgerin IWB zur energetisch-ökologischen Selbsthilfe: Neben der Fachhochschule Nordwestschweiz ist das geplane Holzheizkraftwerk in Basel das zweite aktuelle Projekt, das vereinte Kräfte am Juranordfuss nutzt.

Gemeinsam für die Umwelt und gegen die wirtschaftliche Dauermiesere, welche die Waldbesitzer existenziell bedroht: Über 120 Wald besitzende Bürgergemeinden und Private aus dem Aargau, beiden Basel und Solothurn planen mit den Industriellen Werken Basel (IWB) das grösste Holzheizkraftwerk der Schweiz. Die Verwertung von heute praktisch unverkäuflichen Holzqualitäten hilft auch klimaschädliches Kohlendioxid in der Grössenordnung von 23'000 Tonnen jährlich einzusparen, indem Heizöl und Erdgas betriebene Heizkessel ersetzt würden.

31 Millionen Franken Investition

Geschehen soll dies durch die Einrichtung eines dritten, rein der Energieerzeugung dienenden "Ofens" von 30 Megawatt Leistung am Standort der Kehrichtverbrennungsanlage Basel. Diese verfügt bereits über alle Merkmale, die für einen wirtschaftlich konkurrenzfähigen Fernheizkraftwerksbetrieb dieser Grössenordnung nötig sind: Gleisanschluss Fernwärme, Stromnetz, Stromturbine. Vorausgesetzt, das Vorhaben wird diesen Sommer von der obersten Bewilligungsinstanz der IWB, dem Grossen Rat, abgesegnet, ist eine Inbetriebnahme Anfang 2008 denkbar. Zustimmung erscheint so gut wie sicher. Die Investition beträgt rund 31 Millionen Franken. Erzeugt werden sollen Fernwärme und Strom, die dem Heizungsbedarf von 20'000 Haushaltungen entsprechen.

Dem IWB-Engagement bezüglich Holzheizkraftwerk ist ein jahrelanges, hartnäckiges Lobbyieren forstwirtschaftlicher Kreise vorausgegangen, gelenkt und koordiniert vorab vom Kantonsoberförster beider Basel, Ueli Meier. Dieser Tage starten Meier und seine Mitstreiter offiziell in die Endrunde, von der mutmasslich alles weitere abhängt: Die rund 120 bisher interessierten Waldbesitzer aus den vier Kantonen sind aufgerufen, bis spätestens Mitte August dieses Jahres ihren bisher nur unverbindlichen Interessensbekundungen auch Taten folgen zu lassen - und 6,2 Millionen Franken Aktienkapital zu zeichnen. Zur Zeichnung bereit stehen ab sofort 1'240 Namenaktien zu nominell 5'000 Franken der zu gründenden Raurica Waldholz AG in Liestal.

Waldbesitzer müssen umdenken

Die "Raurica" dient dem geeinten Auftritt der grossen und auch heterogenen Gruppe von Biomasse-Lieferanten nach aussen mit einer einzigen Stimme. Sie wird sich anschliessend mit 50,1 Prozent in die zu gründende Holzheizkraftwerk Basel AG einkaufen, welche die Betriebsführung des Werks besorgt. Aufgabe der IWB als Juniorpartnerin ist die Vertrauensbildung und Garantie einer Vergütung der Öko-Elektrizität nach dem neuen eidgenössischen Ökostrom-Einspeiseschema. Im Gespräch ist zudem eine Beteiligung der Elektra Baselland (EBL), der Oberbaselbieter Energieversorgerin, nach dem Muster der kürzlich gegründeten Geopower AG und Biopower AG. Nach Aussagen Beteiligter würden die IWB der EBL einen Teil ihres Aktienpakets abtreten.

Das Vorgehen bei der Realisierung des Grünstromwerks verlangt insbesondere den Waldbesitzern neue Denkweisen ab, registriert Oberförster Ruedi Meier: "Es muss unternehmerisch gedacht werden." In der Unerfahrenheit der Forstleute, die im Wald traditionell eigenbrötlerisch zu Werke gingen, lag die grösste Herausforderung. Für Projektkoordinator Stefan Vögtli heisst das: "Die Forstwirtschaft muss lernen, die eigene Tätigkeit neu wahrzunehmen, sich anzubieten statt abzuwarten."

Schwachholz als Ausweg aus der Krise

Im Überwinden alter Denkmuster liegen die grössten Herausforderungen: In nie gekanntem Umfang muss Tag für Tag und mindestens 25 Jahre lang garantiert sein, dass der Mega-Ofen jährlich 65'000 Kubikmeter Festholz zu schlucken erhält. Das sind 40 Eisenbahn-Containerwagen am Tag, oder ein Zug mit 13 Containeraufladewagen. Umgerechnet auf den Werktag bedeutet das die Verladung eines Containers voller Holzhackschnitzel alle 12 Minuten. Vögtli: "Beispiele zeigen, dass es geht. Wir müssen noch die richtige Variante für diese Region finden." Hier erhebt der Naturschutz vorsorglich seinen Mahnfinger: Weder grossflächige Schläge noch neue Strassen oder der Einsatz schwerer, Boden verdichtender Maschinen sollen den sensiblen und geplagten Waldgemeinschaften zusetzen.

Tatsächlich suchen die Waldbesitzer, in der Region sind es vornehmlich die Bürgergemeinden, Hände ringend nach Absatzkanälen. Schon "versteppen" die Wälder, werden dunkel und artenarm. Bürgergemeinden droht die Auflösung mangels Betriebskapitals. Von erstklassigen Qualitäten abgesehen, verlieren die Holzbesitzer laufend gegen Konkurrenz aus Skandinavien, Osteuropa und Asien Boden. Ausgerechnet Schwachholz könnte ein Ausweg aus der Krise bieten. Verwertbar sind die minderen Qualitäten, oft auch der "Abfall" ökologisch vorangetriebener Hecken- und Waldrandpflege.

Elf Franken pro Kubikmeter Schnitzel

Ein erster Schritt in dieser Richtung war die Einrichtung eines Heizwerks beim Liestaler Fernheizkraftwerk, dem sechs Mal kleinerem, bisher aber grössten regionalen Fernwärmeofen. Daneben bestehen, vorab im Oberbaselbiet, bereits eine Reihe Holzschnitzel-Nahwärmeverbünde. Ein Mega-Heizkraftwerk aber eröffnet den Beteiligten ein ständiges, wenn nicht gerade üppiges, so doch bezahltes Investment. Die Produzenten erhalten umgerechnet elf Franken pro Standard-Schnitzelkubikmeter ausbezahlt. Geld, das zudem sonst in Öl und Gas erzeugende Volkswirtschaften abfliesst, bleibt in den Ortskassen. Ferner erhalten die Beteiligten für ihre Aktienanlage eine Dividende, als ob sie in Bundesanleihen investierten.

Steigende Brennstoffpreise sowie die auf Anfang 2006 geplante CO2-Abgabe auf Brennstoffe verbessern die Bedingungen ein weiteres Mal. Dass selbst diese Dividenden verlockend erscheinen, zeigte die Aktienemissions-Auftaktversammlung der Raurica Waldholz AG in Pratteln vorgestern Mittwoch: Statt der erwarteten 160-180 Interessierten strömten rund 230 Gemeindevertreter herbei. Schon aber werden teils neue Töne angestimmt, die geeignet sind, den Promotoren Angstschweiss auf die Stirn zu treiben. Die hohen Brennstoffpreise verleiten Schnellrechner dazu, noch ungelegte Eier für eine Omelette zu halten. Dies brachte ein Vertreter aus dem Laufental so auf den Punkt: "Wenn ich mein Energieholz demnächst besser verkaufen kann als an das Heizkraftwerk - kann ich dann aus meinem Vertrag aussteigen?" Seufzte ein Vertreter aus Itingen: "Wenn das so los geht, können wir gleich wieder einpacken."

8. April 2005

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