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© Foto Liu Chen-hsiang

"Choreografie reiner Langsamkeit": Cloud Gate Dance Theatre
Fallende Körper, mystische Bilder
Die Compagnie Philipp Saire und das "Cloud Gate Dance Theatre" aus Taiwan gastierten bei "basel tanzt 05"
VON ISABELL STEINBÖCK
Sie kippen rücklings von Hockern, lassen sich aus dem Stand nach vorne fallen oder sinken sitzend zur Seite. Sechs Tänzer verlieren in geradezu jeder beliebigen Körperhaltung das Gleichgewicht, um nach einfachen Regeln zu agieren: Wer um Hilfe ruft, lässt sich fallen und wird von den anderen aufgefangen. Wer geschlagen wird, der schreit, wem der Mund aufgesperrt wird, der ruft. "Sang d'encre" ("Blutige Tinte"), ein Tanzstück von Philippe Saire, das im Rahmen von "basel tanzt 05" in der Kaserne Basel uraufgeführt worden ist, bildet Objekte ab, die Ursache und Wirkung auf die Bühne bringen. Wie Puppen erscheinen die Tänzer, wenn sie sich zu Boden stürzen, festgehalten werden und schon wieder das Gleichgewicht verlieren.
Philippe Saire, einer der bekanntesten zeitgenössischen Choreografen der freien schweizerischen Tanzszene, befasst sich in der Koproduktion von "basel tanzt 05" und "Journées de danse contemporaine suisse 2006" mit Körpern als Träger von Botschaften und Geschichten. Die Individuen scheinen seelenlos zu sein, wenn sie miteinander verschränkt, als Knäuel aus Armen und Beinen über den Boden rollen. Oder wenn sie trotzig immer wieder umfallen, andere mitreissen und wieder in die Ausgangsposition gebracht werden. Lebendig werden die Figuren erst, wenn Musik ihnen Leben einhaucht und sie einander zu Kompositionen von Christophe Bollondi durch den Raum jagen. Virtuos dabei dynamische, aufeinander abgestimmte Bewegungen, die passend zum treibenden Disco-Sound für sich einnehmen.
Unmotiviert und beliebig erscheint dagegen das immer gleiche Motiv des Fallens und wieder Aufgefangen-Werdens, das in fortwährender Wiederholung ausgereizt und sinnlos wirkt. "Misstrauen" oder "Vernachlässigung", Begriffe, die in Leuchtschrift Szenen gliedern, finden sich nicht in Bewegung wieder, ebenso wenig wie "Gefahr" oder "Angst" als mögliche Auslöser des Verhaltens. Stärker wird die Choreografie dagegen, wenn sie mit Komik, Sprache und Mimik arbeitet; originell auch Momente, in denen das Publikum in die - letztlich irreführende - Erwartungshaltung gebracht wird, mit den Tänzern zu interagieren. Von solchen Ideen hätte man sich mehr gewünscht.
"Von den Zehen bis in die Fingerspitzen
sind die Körper
in meditativer Bewegung."
Ein Gesamtkunstwerk aus Licht, Tanz und Musik präsentierte dagegen das "Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan" auf der Bühne des Musiktheaters Basel. Langsam, mit angewinkelten Gliedern bewegen sich die Tänzer auf der Stelle, die Füsse verschmolzen mit dem Boden, Arme und Hände in die Ferne gerichtet. Von den Zehen bis in die Fingerspitzen sind die Körper in meditativer Bewegung, auch der kleinste Muskel arbeitet in dieser anspruchsvollen Choreografie reiner Langsamkeit.
"Moon water", das Tanzstück von Lin Hwai-min, der das "Cloud Gate Dance Theatre" vor mehr als 30 Jahren als erste moderne Tanzcompany im chinesischsprachigen Raum gegründet hat, zeichnet sich durch einen einzigartigen, auf Tai Chi basierendem Tanzstil aus. Inhaltlich wird hier ein buddhistisches Sprichwort in Bewegung umgesetzt: "Die Blumen im Spiegel und der Mond im Wasser sind beide illusorisch". Hwai-min bringt sowohl Spiegel als auch Wasser auf die Bühne und schafft phantastische, mehrdimensionale Bilder, die dem Namen der 17-köpfigen Tanztruppe alle Ehre machen. Es scheint tatsächlich so, als öffnete man ein Tor zu den Wolken, so schwerelos wirkt die Synthese aus asiatischer Körperkunst und zeitgenössischem Tanz.
In atemberaubender Langsamkeit und Perfektion bringt Hwai-min transzendente Szenen auf die Bühne, in denen Gruppe und Solisten geradezu metaphysisch interagieren. Das Tänzercorps lotet Ebenen zwischen Himmel und Erde aus, wohingegen Solo- und Duoparts Johann Sebastian Bachs getragene Violoncello Suiten in organische Bewegung umsetzen, die - auch in seltenen Momenten, in denen der Tanz an Tempo gewinnt - nie die charakteristische Bodenhaftung verlieren. So ist es letztlich das Spannungsfeld zwischen Mystik und irdischer Sachlichkeit, das hier auf faszinierende Weise vermittelt wird, wobei das extreme Adagio für westlich orientierte Sehgewohnheiten mitunter auch eine Herausforderung darstellen mag.
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> ECHO
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"Die schönste Ballett-Aufführung, die ich je gesehen habe"
Die Aufführung "Moon water" war ein atemberaubendes Gesamtwerk aus Tanz, Licht und Musik! Ich kann Ihre Worte nur wiederholen und Ihre Aussage damit bestätigen. Es war für mich die schönste Ballett-Aufführung, die ich je gesehen habe. Allen, die in und an der Aufführung getanzt und gearbeitet haben, ein grosses Lob und ein herzliches Danke für dieses unvergessliche Erlebnis.
Liselotte Groeflin
Füllinsdorf
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