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© Fotos by RuediSuter/OnlineReports und Maik Rehnus/Schweizerischer Nationalpark

Am Dienstag suchte der Münstertaler Parkwächter Fadri Bott, 35, vom Bartgeiergebiet Stabelchod aus
das Buffaloragebiet ab, in dem zwei Tage später der Braunbär in den Nationalpark kam.


Blick auf Buffalora, wo der Bär Richtung Ofenpass in den Nationalpark kam ...


... und heute Donnerstagmorgen um 7.08 Uhr von einem Studenten fotografiert werden konnte, ...


... der im Nationalpark arbeitet.


Hier, im Val S-charl erschossen am 1. September 1904 ...


... Jon Sarott Bischoff und Padruot Fried den letzten Bären der Schweiz: Eine Bärin, 116 Kilogramm schwer.

Der Bär im Bündnerland: Die Bilder

OnlineReports war ganz nahe dran - heute Morgen schoss ein Student die Beweis-Bilder

VON RUEDI SUTER

Er ist zurück – "der Bär". Zurück in der Schweiz. Heute früh gelang einem glücklichen Studenten, der gerade im Schweizerischen Nationalpark arbeitet, wenige Minuten nach 7 Uhr im Ofenpassgebiet der von den Parkverantwortlichen seit Jahrzehnten ersehnte "Schuss" – mit einer Digitalkamera und durch ein Fernrohr.

Als man das letzte Mal auf einen Bären schoss in der Schweiz, pfiffen Kugeln. Damals, am 1. September 1904, feuerten die Gemsjäger Jon Sarott Bischoff und Padruot Fried im benachbarten Val S-charl an der Flanke des Piz Pisoc auf einen Braunbären. Das prächtige Tier starb – und mit ihm das letzte Exemplar des grössten "Raubtiers" der Schweiz. Fachkundig banden Bischoff und Fried die Tatzen der 116 Kilo schweren Bärin an einen Baumstamm, wuchteten diesen auf die Schultern und trugen ihre kopfüber hängende Beute mit geschwellter Brust nach Hause. «Die geschossene Bärin hatte ihren Hauptlebensraum wohl im Südtirol. Sie bezahlte ihren Ausflug in die Schweiz mit dem Leben», heisst es in der Nationalpark-Broschüre "Auf den Spuren der Bären".

Herkunft Südtirol

Fast 101 Jahre sind vergangen, bis sich der nächste Bär in die Schweiz traute. Auch er kommt aus dem Südtirol, genauer aus dem italienischen Stelvio-Nationalpark, wo vor einem halben Jahrhundert wieder Bären ausgesetzt wurden.

Am Montagabend hatte bereits ein Luzerner Polizist das Tier kurz gesehen, wie es sich aus dem Raum Münstertal in Richtung Ofenpass bewegte. Ein Journalist hatte die Sichtung gleich mit nicht überprüften Details in die Welt hinausposaunt und die Parkbehörden in arge Bedrängnis gebracht. Sie wollte niemand einen Bären aufbinden und nur gesicherte Fakten liefern. Wo genau war der Bär? War er bereits im Park oder noch ausserhalb des Parks? Waren es gar verschiedene Bären?

Am Dienstagmorgen elektrisierte die Meldung schon um 7 Uhr morgens die Feriengäste im Hotel Il Fuorn am Ofenpass. Vor dem einzigen Gasthaus im Nationalpark trafen sich ein paar Parkwächter, um das Ereignis zu besprechen. Nationalpark-Direktor Heinrich Haller eilte, zusammen mit einem Mitarbeiter und zwei Angestellten des Amtes für Jagd und Fischerei an den Ort der Sichtung, etwa 1 Kilometer ausserhalb des Nationalparks, um die Anwesenheit des Braunbären bestätigen zu können.

Erst nur Steinbrocken und Totholzstücke

Bei ihrer Untersuchung vor Ort konnten die Bären-Fahnder entlang einer 60 Meter langen Strecke "auf dem rasigen Boden drei frisch umgedrehte Steinbrocken und sechs vor kurzem bearbeitete Totholzstücke" finden. Doch festlegen mochte sich der Suchtrupp nicht. "Dies könnte darauf hindeuten, dass hier ein Bär nach Insekten und deren Larven gesucht hat. Ein schlüssiger Beweis für die Anwesenheit eines Braunbären, zum Beispiel der Fund eines Kothaufens, steht jedoch aus", liess Nationalpark-Sprecher Hans Lozza in seiner Medienmitteilung verlauten.

Tatsächlich sollte sich Meister Petz erst am übernächsten Morgen richtig zeigen – vor der Kamera von Maik Rehnus, Forststudent aus Göttingen und diesen Sommer Wissenschaftspraktikant im Schweizerischen Nationalpark. Mit den Fotos konnten auch die Fachleute loslegen: "Das Bild zeigt nicht nur zweifelsfrei einen ausgewachsenen Braunbären, sondern es lassen sich auch individualtypische Merkmale erkennen: Auf den ersten Blick ist der ausgeprägte, behaarte Schulterhöcker besonders auffallend, der bereits bei dem zwischen Mitte Juni und Mitte Juli 2005 im benachbarten Südtirol gesehenen und fotografierten Bären auffiel. Selbst wenn dieser Höcker für Bären, die noch nicht viel Fett angesetzt haben, charakteristisch ist, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass es sich um dasselbe Individuum handelt. Dieses war im Südtirol letztmals am 17. Juli 2005 bei Prad festgestellt worden und ist nun ins Engadin vorgedrungen." Nicht ganz überraschend kamen die Spezialisten des Nationalparks schliesslich zu einem bärenstarken Fazit: "Ob der Bär längere Zeit im Gebiet bleiben oder weiterziehen wird, lässt sich überhaupt nicht abschätzen."


Meister Petz löst auch Sorgen aus

Obwohl die Freude der Parkverantwortlichen riesig ist, wird sie bereits von neuen Sorgen gedämpft. Wie wird die Bevölkerung ausserhalb des Schutzgebiets die Ankunft von Meister Petz aufnehmen? Was ist, wenn er das macht, was er nur sehr selten macht - unbewachte Schafe oder Ziegen reissen? Schieben dann ein paar Nutztierbesitzer oder Wilderer Grosskaliber-Munition ins Magazin, um den geschützten Bären klammheimlich ins Jenseits zu ballern? Damit muss gerechnet werden, wie beim Wolf und wie beim Luchs.

Vielleicht aber kommt alles besser. «Ob der Bär in der Schweiz eine Chance hat, hängt in erster Linie von der Akzeptanz der Bevölkerung ab. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht: Der Bär geniesst grundsätzlich viel Sympathie", meint Joanna Schönenberger, sogenannte "Grossraubtierverantwortliche" beim WWF Schweiz. Die Behauptung einiger Gemeindeoberhäupter im Münstertal und anderswo stimme nicht, wonach die meisten Talbewohner gegen die Rückkehr der Bären seien, erklärte mir der erfahrene Nationalpark-Exkursionsleiter Peter Roth am Mittwoch: "Schreiben sie bitte, dass sich die meisten Leute über die Wiederkehr des Bären freuen." Das liess ich mir für einmal gerne diktieren.

Jedenfalls müssen aber die Bärentafeln der Lehrpfade geändert werden. Der Text im Zusammenhang mit dem Wiederauftauchen der Bären tönt hoffnungslos veraltet: "Bereiten wir uns heute auf dieses Ereignis von morgen vor.

28. Juli 2005

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