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"200 Grad im Backofen": Vermeintliche Röschenzer Römermünze, Medien-Echo

Das Rätsel um die Römer-Münzen von Röschenz ist gelöst

Der anonyme Finder offenbarte sich gegenüber OnlineReports als Urheber eines Medien-Scherzes

VON PETER KNECHTLI

Heerscharen von Archäologen, Gemeindeangestellten und Journalisten setzten sich in Bewegung, als vor knapp zwei Jahren in der Laufentaler Gemeinde Röschenz römische Münzen auftauchten. Jetzt ist klar: Die Aufsehen erregenden Fundstücke stammen nicht aus Röschenz, sondern aus dem Balkan. Der Finder hatte sich einen folgenschweren Medien-Scherz erlaubt.

Beinahe hätte die frisch gedruckte Röschenzer Dorfgeschichte neu geschrieben werden müssen. Eben war das Druckwerk herausgekommen, schien sich im Laufentaler Dorf Röschenz eine Sensation anzubahnen: Römische Münzen im Boden eines Dorf, von dem bisher nicht angenommen worden war, dass die Römer dort je gesiedelt hatten.

Grosse Aufregung in Röschenz

Die Aufregung um unentdeckten historischen Tiefgang begann, nachdem im November 2002 im Briefkasten der Gemeinde ein Kuvert mit sechs römischen Münzen und zwei keltische Ringen gefunden wurde. Der Absender war anonym, aber das Begleitschreiben ("Ich habe Skitzen und Pläne gesehen und ich habe hier auch zu graben begonnen") wies darauf hin, dass diese Schätze "in Röschenz gefunden" worden sein müssen. Der Fernsehsender TeleBasel, der ebenfalls anonym mit römischen Münzen "aus Röschenz" beliefert wurde, wurde aktiv und dokumentierte, was es zu dokumentieren gab, in zwei Sendungen. Auch die Basler Zeitung und die "Basellandschaftliche" nahmen das elektrisierende Thema grossformatig auf.

Die Geschichte nahm ihren Lauf: Reto Marti, der stellvertretende Baselbieter Kantonsarchäologe, ging im Frühjahr 2003 auf die Piste und suchte nicht nur die schwer zugängliche, aber mit Koordinaten durch den "Finder" präzise bezeichnete Fundstelle "Rote Grube" in Röschenz ab, sondern auch andere Gebiete, die in Frage kommen konnten. Laut Basler Zeitung ging er anfänglich davon aus, "dass die spätrömischen Münzen tatsächlich auf Röschenzer Territorium entdeckt worden sind". Als der "Finder" seine Anonymität anhaltend aufrecht erhielt, wurden im Dorf erste Zweifel laut: Die Münzen könnten dem wenige Jahre zuvor verstorbenen Dorforiginal "Kurtli" Cueni, der den Röschenzer Untergrund leidenschaftlich nach alten Gegenständen umspatete, gestohlen worden sein.

Die Kantonsarchäologie liess sich aber nicht lumpen: Sie reinigte die Münzen, nahm Analysen vor und holte die Einschätzung von Markus Peter, den Numismatiker der Römerstadt Augusta Raurica, ein. Das Spektrum der Münzen, so sein Fazit, sei "aussergewöhnlich", für den Fundort Röschenz wäre es "geradezu spektakulär". Die Wissenschafter zweifelten aber immer mehr daran, dass die Münzen aus der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts, deren Prägeorte im Mittelmeerraum und mehrheitlich im Oströmischen Reich liegen, im Baselbiet gefunden wurden. Abgesehen von einer "Frühjahresposse", so Reto Marti in einem Aufsatz im August letzten Jahres, sei die Kantonsarchäologie Baselland jetzt wenigstens "um einige römische Münzen reicher".

Das gnadenlose Bekenntnis des Benny Bastel

Marti hatte recht: Der Münzen-Fund war ein Jux. Hobby-Numismatiker Benny Bastel (Name geändert) lüftete dieser Tage sein Geheimnis gegenüber OnlineReports. Die Münzen habe er kiloweise im Internet gekauft. Bauern aus Kroatien oder Slowenien fänden sie auf ihren Felder massenweise, und sie brächten ihnen durch den Handel im Internet etwas Verdienst ein. Einige Stücke davon habe er anschliessend mit Röschenzer Humus bekleckert und sie anschliessend während einer halben Stunde bei 200 Grad im Backofen getrocknet.

Doch welches war sein Motiv? Seine Söhne hätten einmal behauptet, was in den Medien stehe, sei "wahr". Mit dem Jux habe er ihnen den Gegenbeweis antreten wollen. Mindestens das Medien-Echo gab Benny Bastel recht. Einige der Genarrten dürften sich die Haare ausreissen. Ohne Schadenfreude: Wir von OnlineReports haben jetzt die ultimative Enthüllungsgeschichte. Wir haben den falschen "Finder" leibhaftig vor uns gesehen. Die Geschichte stimmt - es sei denn, Benny Bastel habe sich einen weiteren Medien-Scherz erlaubt. Was er, unseren Zweifeln zum Trotz, vehement bestreitet.

PS: Auch OnlineReports ist mittlerweile um eine römische Münze reicher.

21. Oktober 2004

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"Der Professor und der 'zweite' Silberschatz"

Solche Scherze gibt's immer wieder. Im Buch "Mein Name ist Eugen" nachzulesen, wie man den Garten durch Archäologen umgraben lässt. Vor Jahren haben in Augst Studenten eine "Silbertafel" vergraben, auf der sie ihrem Professor und Grabungsleiter zu irgend etwas gratulierten. Auch dieser - aus Basel extra an die Fundstelle hergeeilt - liess sich täuschen und glaubte während einiger Minuten, einem zweiten Silberschatz auf der Spur zu sein. Dass der Anonymus aber bezüglich Wahrheit in den Medien Recht hat, zeigt sich an den Auseinandersetzungen um den Rheinhafen, wo Behauptungen, Halb- und Ganzwahrheiten verbunden mit persönlichen Interessen einzelner Personen, Gruppierungen und Parteiflügel gelegentlich unkritisch zu einem Informationsbrei verarbeitet werden.

Hans Rudolf Bachmann
Basel


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