Foto © Ruedi Suter ![]() Wartet auf seine Exekution durch Elektroschock: Gefangener Polarfuchs Svobo Leben auf Gitterrost: Polarfuchs Svobos Leiden für die menschliche Eitelkeit Für den lukrativen westlichen Markt sterben osteuropäische Pelztiere in grausamen Konzentrationslagern VON RUEDI SUTER Wer echten Pelz kauft, kann ihn nicht ruhigen Gewissens tragen. Darauf verweisen pünktlich zur Vorweihnachtszeit und gegen den ungebrochenen Pelztrend in der Mode einmal mehr die Tierschutzorganisationen. Auch in Tschechien vegetieren zahllose Pelztiere in Zuchtfarmen für den westeuropäischen Markt. Es sind Konzentrationslager für Wildtiere, in denen furchtbare Zustände herrschen. Dies zeigte ein Augenschein in einer Zuchtfarm bei Pisek. Dort wartet auch Svobo, ein junger Fuchs, auf seine Exekution durch Elektroschock. Verzweifelt versuchen sie zu fliehen. Hilflos pressen sie sich an die hintere Wand ihrer erdrückend kleinen Gitterkäfige. In ihren Augen flackert die nackte Angst. Einige springen panisch die Drahtgitter hoch, andere kauern wie erstarrt in einer Ecke auf dem Gitterboden. Dies, obwohl wir uns den Tieren langsam und behutsam nähern. Wir wollen die Tiere weder erschrecken noch ängstigen, aber vor allem dürfen wir nicht von den Farmern und den Besitzern dieser Anlage entdeckt werden. Wir stehen in einer "Fuchsfarm" im tschechischen Milevsko unweit der Stadt Pisek. Hier vegetiert auch Svobo, der Polarfuchs, zusammen mit Hunderten von Leidensgenossen alle eingepfercht in diesen quälend engen und völlig verdreckten Käfigen. Auf Initiative der Schweizerischen Gesellschaft für Tierschutz/ProTier (SGT/ProTier) haben uns zwei engagierte Mitglieder der tschechischen Tierschutzorganisation "Svoboda zvirat" (SZ / "Freiheit für die Tiere") hierher geschleust. Wir folgten Tomas Popp und Romain Krejci auf Umwegen, durch Dickicht, über Mauern und Zäune in das gerade unbewachte Gelände einer der schlimmsten Pelztierfarmen Tschechiens. Rund 1'000 Polar- und Silberfüchse sind hier in langen Käfigreihen eingesperrt. Leben im Drahtgeflecht Bis zu drei Tiere vegetieren in den gerade mal 150 cm breiten und 100 cm hohen Käfigen. Darunter türmen sich Kothaufen bis hinauf zum Gitterboden. Die stinkenden Haufen wimmeln von Maden. Der Grund, weshalb die Tiere zu einem Leben auf Gitterrosten verdammt sind: Die Käfige müssen nie gereinigt werden Kot und Urin fallen automatisch durch die Gitter auf den Boden. Über dem Gelände lastet ein übler Gestank. Es ist heiss an diesem Tag, doch die Trinkgefässe der Tiere enthalten kein Wasser. Einige Füchse sind krank, haben Wunden und tränende Augen.
Kein Zweifel: Wir stehen in einem Konzentrationslager für Wildtiere. Beim behutsamen Abschreiten der Käfigreihen treffen wir auf Svobo. Der junge Polarfuchs fällt auf, weil er im Gegensatz zu seinen Käfiggenossen etwas Vertrauen fasst und sich - hin- und hergerissen zwischen Fluchtreaktion und Neugier - langsam und vorsichtig dem Fotografen nähert. Svobos Augen wirken treuherzig. Seine weichen Pfoten mit den zu langen Krallen suchen Halt auf den Maschen des Gitters. Der Draht schneidet ihm tief in die Pfoten. Diese werden ihr Leben lang weder Waldboden noch Wiese berühren. Svobo wird auch nie rennen, nie jagen, nie etwas Festes essen oder in einem Fuchsbau Junge aufziehen können. Gefangene in Folterhaft Svobo ist, wie Millionen anderer Pelztiere, ein Gefangener in Folterhaft. Etwa ein halbes Jahr lang, eingesperrt in einem Käfig, der weder Schutz vor Wind oder Sonne bietet, in den täglich ein stinkender Futterbrei hineingeschmiert und der nie gereinigt wird so wartet der Polarfuchs auf seinen Todestag. Dann werden die Züchter kommen, den völlig verängstigten Svobo packen, ihm in Maul und After Elektroden ansetzen und einen Stromstoss durch den Körper jagen. Der tote Svobo wird gehäutet und sein Fell zu einem "Billigpelz" verarbeitet. Als überflüssige Bordüre wird er eitle Menschen "schmücken". Menschen, die trotz aller Informationen und dank der verschleiernden Propaganda der Pelzhändler immer noch behaupten, so schrecklich könne die Massenhaltung wilder Pelztiere ja gar nicht sein. Die Pelzmodebranche versucht das Thema weiterhin zu verharmlosen oder zu tabuisieren. Dies häufig auch mit Hilfe unkritischer Medienleute. Ein Beispiel aus einem Basler Zeitungsbericht vom 10. Oktober: "Die langhaarigen Füchse und Zobel sind die Favoriten der Saison. Sie haben durchs Band weg bei allen Modeschauen Furore gemacht. Auf den internationalen Laufstegen in Mailand und Paris, so gut wie in Basel am Totengässchen bei Kanitzer, an der Gerbergasse bei Goldfarb und oben am Spalenberg bei Arnold." Engagierte Tierschützer in Tschechien Kein Wort über die "Herstellungsmethoden" der schmucken Wärmespender. Das Vegetieren der in ausnahmslos allen Zuchtfarmen artfeindlich gehaltenen Tiere ist deshalb aber nicht weniger schrecklich. Und unvorstellbar für alle, die das immense Leid dieser Tiere nicht mit eigenen Augen gesehen haben - auch hier, in den bislang kaum untersuchten Ländern des einst kommunistischen Osteuropas. Tomas Popp und Roman Krejci von "Svoboda zvirat" sammeln zurzeit systematisch Fakten über die mindestens sieben grossen und zahlreichen kleinen Pelztierfarmen in Tschechien. Die Tierschutz-Organisation hat sich in der Republik Tschechien mit ihrem engagierten, klugen und besonnen Vorgehen Respekt verschafft. Ihr Hauptquartier mit Geschäftsführer Tomas Popp ist in Pilsen. Zweigstellen existieren in Prag und Hradec Kralove. SZ sammelt Daten, betreibt Aufklärung, arbeitet mit Behörden und Persönlichkeiten zusammen, organisiert Demonstrationen und zurzeit auch Kampagnen für eine Verbesserung der Nutztierhaltung, gegen die Pelztierzuchten, gegen Tierversuche und gegen den Einsatz von Zirkustieren. Die trotz Geldmangel mit Leib und Seele engagierten Tierschützer zeigten ihren Besuchern aus der Schweiz verschiedene Lager, in denen Tausende Füchse und Nerze gefangen gehalten werden. Nach langen Fahrten durch stille Dörfer und über weite Ebenen hielten wir ausserhalb von Siedlungen und gingen zu Fuss zu den hinter Wäldchen oder in abgelegenen Seitentälern, aber stets hinter hohen Mauern versteckten Pelztierfarmen, wo Besucher generell unerwünscht sind. Svobo wird nicht gerettet Wir mussten uns also ohne Bewilligung Zutritt verschaffen und über die mindestens zwei Meter hohen Mauern klettern, was jedoch aufgrund der Anwesenheit von Personal und Wachhunden nur selten möglich war. Hingegen konnten wir mit Ferngläsern festellen, in welchen Verhältnissen die Tiere leben müssen - in durchwegs qualvollen. Nur in Dolni-Cerekev nahe der Stadt Jihlava atmete Tomas Popp auf. Eine grosse Zuchtstation war leer und im Begriff, abgebaut zu werden. Doch die Freude des Tierschützers dauerte nicht lange: Wir stiessen in der Nähe durch Zufall auf eine im Wald versteckte Nerzzucht, die den tschechischen Tierschützern noch nicht
Farmen, in denen neben Nerzen und Füchsen auch Kaninchen, Chinchillas und Sumpfbiber (Nutria) für die Eitelkeit der Menschen in Westeuropa ein elendes Kurzleben fristen müssen. 95 Prozent der tschechischen Nerz- und 50 Prozent der Fuchspelze werden von den rund 3'000 registrierten Züchtern exportiert. Die meisten nach Holland, Belgien und Deutschland. In Länder also, in denen die Konsumenten über das Leiden der Pelztiere orientiert sind. Für einen Fuchsmantel müssen zirka 10 Füchse, für einen Nerzmantel 40 bis 60 Nerze und für einen Mantel aus Chinchillapelzen 130 bis 200 Tiere ihr Leben lassen. "Schnell verbieten lassen" Svobo, der zutrauliche Fuchs, hat sich unterdessen so nahe an uns herangetraut, dass er mit der schwarz glänzenden Schnauze und den feinen Schnauzhaaren beinahe das Fotoobjektiv am Gitterdraht berührt. Tomas Popp und Roman Krejci könnten jetzt sein Drahtgefängnis aufschneiden und ihn freilassen, aber er hätte als Käfiggeborener draussen keine Überlebenschance. Svobo würde verhungern. So setzen sich die tschechischen Tierschützer lieber mit Aufklärungskampagnen, Anzeigen und politischen Vorstössen gegen die skrupellosen Züchter ein. Mit zunehmendem Erfolg. Svobo, den wir trotz der flüchtigen Begegnung ins Herz geschlossen haben, wird das nicht retten. Doch wenigstens soll seinen Artgenossen in naher Zukunft das Fell nicht mehr über die Ohren gezogen werden. Tomas Popp: "Wir versuchen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, diese furchtbaren Pelztierfarmen so schnell wie möglich verbieten zu lassen."
16. Dezember 2001 |
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© by Peter Knechtli