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Foto Claude Giger


"Da liegen Welten dazwischen": Öko-Landbau-Promoter Otto Stich


Der politische Arm der Gentech-Lobby

Landwirtschafts-Forschung: Otto Stich kritisiert Wahl des neuen Reckenholz-Direktors

VON PETER KNECHTLI

Die Wahl des Beamten Paul Steffen zum neuen Direktor der Landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Zürich-Reckenholz hat eine Kontroverse ausgelöst: Anhänger des biologischen Landbaus befürchten, dass der Bundesrat dadurch die Weichen Richtung Gentechnolgie und Pharma-Interessen gestellt habe. Steffen wurde Urs Niggli, einem international anerkannten Experten für Bio-Landbau vorgezogen.

Otto Stich, früherer Bundesrat und heutiger Stiftungspräsident des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FIBL) in Frick AG, kann seine amtierenden Regierungskollegen nicht begreifen: Zum neuen Direktor der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau in Zürich-Reckenholz wählte der Bundesrat diese Woche den Stabsbeamten Paul Steffen. Als Leiter des Forschungsstabs im Bundesamt für Landwirtschaft (BAL) und als federführender Koordinator der Reorganisation kennt er zwar die sechs staatlichen Forschungsanstalten bis ins Detail. Doch über eine konkrete Felderfahrung verfügt Steffen nicht.

Dabei stand der Landesregierung mit FIBL-Direktor Urs Niggli ein Kandidat zur Verfügung, der erst in Oberwil BL und später in Frick ein Forschungszentrum mit heute 80 Mitarbeitern aufbaute, das mit seiner biologisch-nachhaltigen Ausrichtung internationales Ansehen geniesst.

"Bund hat eine Chance verpasst"

Dass der Bundesrat Steffens Fähigkeit als Projektmanager und intimer Kenner der landwirtschaftlichen Forschungsstruktur über den tiefen Know-how-Hintergrund stellte (Stich: "Bezüglich Leistungsnachweis liegen Welten dazwischen"), hat für die Biolandbau-Szene einen klaren Hintergrund: In einer "Richtungswahl" (so die Bio-Aktivistin Florianne Koechlin) habe der Bundesrat die Weichen auf Gentechnologie, Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen und Hochertragssorten gesetzt. Otto Stich zu OnlineReports: "Wenn es dem Bund mit der biologischen Forschung ernst gewesen wäre, hätte Niggli gewählt werden müssen."

Tatsächlich wird das staatliche Forschungsinstitut in Zürich-Reckenholz mit seinen 250 Mitarbeitern in gesellschaftlich brisanten Entscheiden künftig eine Schlüsselstellung einnehmen: Ausgerichtet auf umweltschonenden Ackerbau und Grünland-Entwicklung wird das Institut auch Anträge auf die heftig umstrittene Freisetzung gentechnisch veränderter Nutzpflanzen prüfen. Laut einem Insider wird Reckenholz sogar "die entscheidende Stimme in der Frage haben, in welche Richtung sich die Schweizer Landwirtschaft im europäischen Umfeld entwickeln soll".

Hatte der Pharma-Connection die hand im Spiel?

Unter diesen Vorzeichen, so die breite Vermutung im Oeko-Lager, sei ein bekennender Kritiker der Gentechnologie an der Reckenholz-Spitze nicht opportun gewesen. Und so wie Stich für seinen Kandidaten weibelte, habe auch die Gentech-Lobby habe bei Wirtschaftsminister Pascal Couchepin für die "graue Maus" Steffen (so Christof Dietler, Geschäftsführer von Bio Suisse, der Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen) Stimmung gemacht.

Als Mitglied der Berufungskommission habe der Biologe Jost Harr (58) im Wahlgeschäft eine zentrale Rolle gespielt: Der Präsident des vom Bundesrat eingesetzten Schweizerischen Landwirtschaftlichen Forschungsrates war bis zu seiner Frühpensionierung Projektleiter bei Bau des Novartis-Biozentrums in Stein AG und früherer Chef der Agroforschung von Sandoz Europa. Als Berater übt er heute noch ein Teilmandat für Novartis aus.

Novartis "Null Einfluss"

Gegenüber OnlineReports widersprach Jost Harr allerdings entschieden der Auffassung, bloss der politische Arm der Pharma-Interessen zu sein: "Novartis hat Null Einfluss genommen." Für Kandidat Steffen habe gesprochen, dass er "vorne hinstehen und führen" könne. Als unzutreffend bezeichnete Harr auch, dass er einseitig auf Gentechnik setze: "Mein Herz schlägt nicht für den konventionellen Anbau, ich bin sehr für Integrierte Produktion. Es gibt aber auch attraktive Seiten des biologischen Landbaus." Sinnvoll seien "viele verschiedene Anbauformen", selbst radikalen Bio-Forderungen kann Harr Gutes abgewinnen: "Es braucht auch immer das Extreme, um gewisse Fehler einzusehen und zu korrigieren."

So soll kommenden Mai eine international zusammengesetzte Expertengruppe alle sechs staatlichen Forschungsanstalten sowie das FIBL darauf prüfen, "ob bezüglich Bio-Landbau genügend oder zu wenig geforscht wird".

"Freilandversuche sind nötig"

Harr ist jedoch auch "fest davon überzeugt, dass wir kontrollierte Freilandversuche brauchen, und dass Reckenholz ermächtigt wird, sie durchzuführen". Nur so könne "die Wissenskurve hinsichtlich eines grossflächigen Einsatzes gentechnisch veränderter Pflanzen erweitert werden". Allerdings schränkt er ein: "So gut ich Steffen kenne, ist er nicht einer, der mit fliegenden Fahnen Freisetzungen bewilligt."

22. Oktober 2000

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