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"Wir dürfen keine Stelliung nehmen": Lonza-Werk in Visp


Geheimnisschleier über Hochgift-Projekt

Das hochgiftige Tierwachstums-Präparat Zilpaterol verunsichert Behörden und Belegschaft der Lonza in Visp

VON PETER KNECHTLI

Ein umstrittenes Tierdoping-Präparat, das die Lonza-Werke in Visp im Auftrag eines ausländischen Unternehmens herstellen, löst bei Belegschaft und Behörden Verunsicherung aus. Offiziell weigert sich der Stammsitz in Basel, zum Produkt Zilpaterol in irgend einer Weise Stellung zu nehmen.

Geht es in Visp um Lonza, ist Goodwill allgegenwärtig. Diesen Freitag berichtete der Gemeinderat im "Visper Anzeiger", dass er sich am 31. Oktober durch die Direktion des Chemieunternehmens über "die möglichen Risiken und Gefahren sowie die vorsorglichen sicherheitstechnischen Massnahmen" habe informieren lassen. Fazit: "Mit Genugtuung" habe festgestellt werden können, "dass die Lonza-Werke in den vergangenen Jahren konstant und mit grossem finanziellem Engagement alles daran gesetzt haben, um die Umwelt-, Hygiene- und Sicherheitsstandards zu verbessern".

In einer Passage liest sich die Polit-Verlautbarung wie ein firmeneigenes Strategiepapier: "Produkte und Prozesse ändern, neue Rohstoffe kommen zum Einsatz, neue Technologien werden eingeführt, der Markt verändert sich und auch die Tätigkeit in den Lonza-Werken."

An der Schwelle neuer Herausforderungen

Wie wahr! Was die Kommunalbehörde vertrauensvoll andeutet, hat freilich einen topaktuellen Hintergrund: Die Lonza, die in ihrer 103jährigen Geschichte schon Dünger, Meta und Essigsäure produzierte und heute mit Auftragssynthesen für Drittunternehmen ein Drittel ihres Umsatzes von gegen zwei Milliarden generiert, steht an der Schwelle einer neuen Herausforderung.

Immer stärker gefragt sind heute geringe Wirkstoffmengen, dafür mit umso grösserer pharmakologischer und teils auch hochtoxischer Wirkung. Festzumachen ist dieser Trend am Produkt Zilpaterol, das die Gemüter der Chemiker, Laboranten und Ingenieure mehr beschäftigt als jedes andere Produkt, das in den letzten Jahrzehnten den Labors im Rhonetal entsprang.

Wachstumspräparat wandelt Fett in Muskeln um

Dabei geht es nach Informationen von OnlineReports um ein von Hoechst Roussel Vet bestelltes Auftragsprodukt, das Rindern und Schweinen wenige Wochen vor der Schlachtung appliziert wird, um Fett in Muskeln umzuwandeln und eine massive Gewichtszunahme zu erzielen. Zilpaterol wird als Anabolikum und B2-Antagonist in Listen von Doping-Wirkstoffen nach Definition der Medizinischen Kommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aufgeführt. Laut einer neuen amerikanischen Studie stieg die Wachstumszunahme bei Zilpaterol-behandelten Rindern um rund ein Drittel, was die Fleischproduktion drastisch erhöht.

Der Umgang mit sensitiven toxischen Grundchemikalien wie Blausäure oder Phosgen erschüttert Lonza-Manager und Belegschaft nicht; er ist längst Teil ihrer professionellen Kernkompetenz. Doch als Formel einer neuen Gefahren-Dimension löste Zilpaterol im Betrieb Angst, Verunsicherung und Nervosität aus. Der Respekt ist verständlich: Gemessen am MAK-Wert (maximale Arbeitsplatz-Konzentration) ist Zilpaterol in der Endstufe fast 20'000mal giftiger als Blausäure und 140mal giftiger als Phosgen. Der Umgang mit Zilpaterol, das zu einem extremen Blutdruckverlust führen kann, erfordert gemäss Sicherheitsinstruktion ein "Maximum an Atemschutz".

Produkt wird in der Schweiz nicht angewendet

Als Projektleiter John McGarrity in der ersten Septemberhälfte zu einem Kolloquium "über Zilpaterol und die Handhabung von hochaktiven Produkten im allgemeinen" einlud, war das Interesse immens. Ueber 100 Fachkräfte aus Forschung und Entwicklung strömten in die Firmen-Aula, die Veranstaltung dauerte doppelt so lang wie üblich, es hagelte kritische Fragen über Sicherheit im Umgang mit Produktion und die Tauglichkeit der Anlagen.

Laut einer Fachquelle signalisiert Zilpaterol "eine neue strategische Richtung von Lonza". Mit dieser Art Chemie könne das Unternehmen profitabel Geld verdienen". In der Schweiz kommt Zilpaterol nicht zur Anwendung. "Davon habe ich noch nie gehört", sagte Jean-Christophe Méroz von der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS). Mit ähnlichen Tenor reagierte Heinz Müller, der Sprecher des Bundesamtes für Veterinärwesen.

Lonza äussert sich zu Zilpaterol nicht

Auf einen Fragenkatalog von OnlineReports über Gefahren, Probleme und Sicherheitsmassnahmen wollte Walter Eschenmoser am Basler Lonza-Sitz grundsätzlich nicht eingehen: "Zu Produkten äussere ich mich nicht." Er begründete dies damit, dass die Firma bei Auftragssynthesen gegenüber den Kunden eine Geheimhaltungsverpflichtung eingegangen sei. Deshalb seien Angaben zu einem konkreten Präparat, seinem Besteller, seinem Anwendungszweck und seinem toxischen Effekt nicht möglich.

Dagegen bestätigte Eschenmoser nach Rücksprache im Wallis, dass unter der Belegschaft in letzter Zeit "tatsächlich Diskussionen stattgefunden" hätten. "Der Trend zu hochaktiven Wirkstoffen ist unverkennbar. Doch wenn wir uns diesem Trend nicht anpassen, könnte unsere Existenz in Frage gestellt werden." Der Sprecher betonte allerdings, dass sich die Firma ihrer Verantwortung bezüglich Sicherheit, Arbeitsplatzhygiene und Umweltrelevanz klar bewusst sei: "Wir überschreiten keine Schallgrenze." Fest steht indes, dass das Management Mühe bekundete, Fachkräfte für die Mitarbeit am Projekt motivieren zu können.

Nur 200 Meter zwischen Werkgelände und Wohnhäusern

Obschon der Begriff Zilpaterol auch ausserhalb des Werks kursiert, ist die Bevölkerung über den aktuellen Trend nicht informiert. Dem besten Steuerzahler des Oberwallis billigt die christdemokratische Visper Gemeindepräsidentin Ruth Kalbermatten hohe Professionalität zu. Dass Lonza mit 2'700 Arbeitsplätzen die grösste Arbeitgeberin im Oberwallis ist, "schliesst aber nicht aus, dass der Schutz der Bevölkerung gewährleistet sein muss". Lonza und Bevölkerung sind auch geografisch fast verschmolzen: Weniger als 200 Meter trennen das Werkgelände von den ersten Visper Wohnhäusern.

Auf der Dienststelle für Umweltschutz im Walliser Departement für Verkehr, Bau und Umwelt haben bisher weder Chef Jean Pierre Schnydrig noch der UVP-Verantwortliche Simon Reist vom Zilpaterol-Projekt und allfälligen Bauprojekten Kenntnis. Reist: "Ein konkretes Dossier haben wir nicht erhalten."

Zwei Stufen sind bereits produziert

Dabei hat das Projekt das Debattierstadium hinter sich. Schon seit sechs Monaten ist Zilpaterol im Labor in Bearbeitung. Die ersten beiden von insgesamt sieben Stufen sind in der Entwicklungsabteilung in einer Menge von rund drei Tonnen bereits produziert. Dieser Tage sollen im Hochtox-Labor auf dem Dach des einen Forschungsgebäudes letzte Versuche im Kilogramm-Bereich gestartet werden. Bis in zwei Jahren sollen rund sechs Tonnen Zilpaterol vorliegen.

In Visp werden Stimmen indes laut, nach denen das Projekt "überstürzt" lanciert worden sei. Auch seien die bestehenden Produktionsanlagen ungenügend auf die spezifischen Anforderungen des Hochtox-Produkts ausgerichtet.

Lonza: "Offene Informationspolitik"

Sprecher Walter Eschenmoser ("Wir haben eine offene Informationspolitik betrieben") lässt solche Einwände nicht gelten. Falls es neue Projekte erforderten, "werden wir auch neue Anlagen für kleine Tonnagen bauen". Das jährliche Investitionsvolumen betrage 100 Millionen Franken. Zudem könne Lonza nicht nach eigenem Belieben schalten und walten. Abgesehen von den gesetzlichen Auflagen fänden in den Werken auch regelmässige Überprüfungen durch die Kunden statt. Im übrigen halte er es für weit sinnvoller, Hochtox-Präparate in technisch hoch entwickelten Regionen als in Schwellenländern zu entwickeln.

Offenkundig aber scheint, dass der neue Trend die Lonza-Werke in ihrer spezifischen Rolle als Auftragsproduzentin in einen Zielkonflikt treibt. Die Vereinbarungen mit den Kunden, über Produkte und Wirkstoffe den dichten Geheimnis-Schleier zu legen, stehen einer offenen Informationspolitik im Weg. Und dies zumal an einem Standort wie Visp, wo Werkplatz und Wohngebiet fast verschmolzen sind. Kommt dazu, dass auch durch den BSE-Skandal sensibilisierte Fachleute zunehmend nach dem Sinn des Verwendungszwecks eines Produkts fragen und einer ungehemmten "Chemisierung" (so ein Basler Biochemiker) keineswegs vorbehaltlos gegenüber stehen.

FOLGE-STORY 1: LONZA SCHWEIGT
FOLGE-STORY 2: AMTLICHE RÜGE FÜR LONZA

REPORTS ECHO

"Der Wahnsinn nimmt kein Ende"
Noch ist der Rinderwahnsinn BSE nicht besiegt, geschweige denn der Ursprung dieser Krankheit mit Sicherheit bekannt, bannt sich bereits ein neuer Wahnsinn an. Die Wunderdroge Zilpaterol, hergestellt in den Lonza-Werken in Visp, soll Rindern und Schweinen wenige Wochen vor der Schlachtung gespritzt, zu einer massiven Gewichtszunahme führen. Der Bericht macht deutlich, dass nicht nur die Produktion, die über mehrere hoch toxische Zwischenräume abläuft, mehr als problematisch ist und zwar nicht nur für die damit beschäftigten Arbeiter der Lonza sondern auch für die Anwohner in der Umgebung des Werkes. Die Erklärung, das Mittel käme in der Schweiz nicht zur Anwendung ist reine St. Florians-Politik. Die Folgen für die Konsumenten, die Fleisch von mit Zilpaterol behandelten Tieren essen, sind völlig unklar. Es ist zu befürchten, dass auch wir durch Fleischimporte eines Tages mit den Folgen dieses Giftcocktails konfrontiert werden. Offensichtlich haben industrielle Tiermäster aus der BSE-Seuche nichts gelernt. Um des Profites willen wird munter an neuen, absurden Manipulationsmethoden experimentiert, auf Kosten der Tiere und der Konsumenten.

Rita Dubois
Geschäftsführerin Schweizerische Gesellschaft für Tierschutz/ProTier
Zürich

 

"Lonza ist Spitzenreiter"
Die Probleme der Lonza und die Ansprüche an einen "süffigen" Artikel lassen sich aus meiner Sicht kaum unter einen Hut bringen. Die Lonza hatte vor Jahrzehnten, als sich die chemische Industrie mit dem Aufkommen der Petrochemie total änderte die Wahl, langsam aber sicher mit ihren damaligen Massen- und einfachen Basisprodukten vom Markt zu verschwinden, oder sich auf Spezialitäten auszurichten. Voraussetzungen für einen Erfolg in diesem Bereich waren, zusammengefasst und vereinfacht: Forschung und Entwicklung, Kompetenz, Mehrzweckanlagen, Umweltschutz und Sicherheit, sowie ein enges Vertrauensverhältnis zu Kunden. So war Lonza, wenn nicht das erste, aber eines der allerersten chemischen Unternehmen, das in einem Werk über Kläranlage, Rückstandsverbrennung und gesicherte Deponie verfügte. Dass auch dem Sicherheitsaspekt eine grosse Bedeutung zugemessen wurde, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass selbst Berufsfeuerwehren zum Ueben nach Visp kommen. Dass jedes neue Projekt, bevor die Arbeit aufgenommen wird, auf seine Sicherheits- und Umweltsauswirkungen überprüft wird, versteht sich von selbst. Mit dem wachsenden Erfolg mit Spezialitäten entwickelte sich auch das Geschäft mit sogenannten Exklusivprodukten. Besonders Unternehmen der Pharma- und Agrochemie übergeben der Lonza die Herstellung von Wirkstoffen. Dabei wird das Herstellungsverfahren im Rahmen eines Geheimhaltungsabkommens entweder vom Auftraggeber, der Lonza oder in gemeinsamer Arbeit entwickelt. Umweltschutz und Sicherheit spielen dabei eine grosse Rolle, denn auch die Lonza Kunden wollen ihr sündhaft teuren Forschungsarbeiten nicht durch derartige Probleme gefährden. Die Information der Mitarbeiter und der Oeffentlichkeit muss auf diese Geheimhaltung Rücksicht nehmen. Im konkreten Fall ist die interne Information offensichtlich nicht richtig rübergekommen und vor allem unkorrekt nach aussen gedrungen. Das Problem beim besprochenen Produkt besteht darin, dass das der Umgang mit dem Endprodukt grösste, aber durchaus "normale" und machbare Sicherheitsvorkehrungen notwendig macht. Das Herstellungsverfahren als solches stellt keine besonderen Herausforderungen. Die Lonza ist mit ihren Fähigkeiten und ihrem guten Ruf der Spitzenreiter auf dem Gebiet der Exklusivprodukte, zählen doch praktisch alle führenden Live-Science-Unternehmen zu den Kunden. Lonza will und kann diese Position halten, ohne dass die Gegend von Visp unverantwortbaren Gefahren ausgesetzt wird.

Friedrich Schiltknecht
Bottmingen

 

"Zu viel und zu billig"
Wir essen viermal so viel Fleisch wie einst unsere Grosseltern, aber wir zahlen dafür einen kleineren Teil unseres Einkommens als sie damals. Wir wollen immer mehr immer billiger. Damit haben wir die Bauern gezwungen, die Tiere unnatürlich zu halten und zu füttern. So verbreitete sich der Rinderwahnsinn. Und für wahnsinnig gewordene Konsument/innen soll jetzt mit giftigen Tricks in der Ausmast Fett in Eiweiss verwandelt werden. Damit wir nicht zuviel Fett essen. Dabei ist das Zuviel an Fett nur zum Problem geworden, weil wir zu viel Fleisch essen. Gesünder wäre: Weniger Fleisch, und nur noch aus bester Tierhaltung. Dann darf es auch etwas mehr kosten.

Heinzpeter Studer
kagfreiland
St. Gallen



FOLGE-STORY 1: LONZA SCHWEIGT
FOLGE-STORY 2: AMTLICHE RÜGE FÜR LONZA

26. November 2000

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© by Peter Knechtli