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Dementiert, von Hoechst zurückgepfifen worden zu sein: Clariant-Chef Rolf Schweizer (rechts) im Gespräch mit ONLINE REPORTS-Reporter Peter Knechtli


Schweizer unter Erfolgsdruck: Letzter Streich darf kein Flop werden

Clariant-Chef Rolf Schweizer kann noch einmal Boden gut machen - bei der Neuordnung des Aktionariats

VON PETER KNECHTLI

Nach dem Scheitern der Laporte-Uebernahme steht Clariant-Präsident Rolf Schweizer vor seiner letzten grossen Herausforderung: Dafür zu sorgen, dass die 45-Prozent-Beteiligung von Hauptaktionär Hoechst nicht zum falschen Zeitpunkt in falsche Hände gerät.

Das natürliche Informationstalent ist Rolf Schweizer nicht. Unternimmt er den Versuch, mit Ciba zum mit Abstand grössten Feinchemikalien-Anbieter der Welt zu fusionieren, dann ist ihm kein Medienrummel zu gross. Scheitert der Plan, dann hält er einem dürres Communique für ausreichend.

Sitzt er mit einem möglichen Uebernahmepartner wie der mittelgrossen englischen Laporte (weltweit Rang 14) am Tisch, erfahren Finanzpublikationen von der Anbändelei und berichten schliesslich über den Gesprächsabbruch, dann wird der frühere Militär-Oberst Schweizer scharf wie ein geschliffenes Bajonett: Mit einer Medienschelte dementierte er am Freitag an der Bilanzpressekonferenz "Gerüchte", vom Clariant-Hauptaktionär Hoechst persönlich zurückgepfiffen worden zu sein. "Gerüchte kommentieren wir nicht", gab sich Schweizer knapp, ohne den Firmennamen "Laporte" je in den Mund zu nehmen.

"Hoechst hat im Verwaltungsrat immer zugestimmt"

Der Frankfurter Chemieriese, so die kolportierten Vermutungen, habe Schweizers Akquisitionsplan das Plazet verweigert, weil er derzeit selbst mitten in einer komplexen Fusion mit Rhône-Poulenc stecke und seine Fukussierung aufs Pharmageschäft nicht durch Aktivitäten im verkauften Feinchemikaliengeschäft stören wolle.

"Die Hoechst-Vertreter im Clariant-Verwaltungsrat haben nie gegen ein operatives oder strategisches Projekt Einspruch erhoben und unsere Akqusisitonspläne immer unterstützt", stellte Schweizer mindestens klar, dass nicht Frankfurt die potentielle Sechs-Milliarden-Akquisition kurz vor dem Abschluss torpediert habe.

Branchenkenner, von der SonntagsZeitung befragt, teilen Schweizers Einschätzung. Hoechst, dessen Spezialchemikalien Clariant vor zwei Jahren für 4,6 Milliarden Franken übernahm und damit auf einen Schlag zum Weltmarktleader avancierte, habe sich als "sehr kooperativer Partner" erwiesen. Allerdings sei ihr Einfluss als Hauptaktionärin nicht zu unterschätzen: "Schweizer kann keinen Schritt machen, ohne Hoechst miteinzubeziehen." Wenn es aber Gründe für den Gesprächsabbruch gegeben habe, dann seien sie sachlicher Natur gewesen. Obschon das Laporte-Portefolio angeblich eine perfekte Ergänzung des Clariant-Sportiments darstellt, hat der britische Konzern unsichere Zeiten hinter sich.

Akqusitions-Gespräche sind Alltags-Geschäfte

Vertrauliche Gespräche, wie sie Clariant mit Laporte führte, sind laut einem fühenden Chemiker mit Novartis-Beziehung so etwas wie Alltagsgeschäfte, selbst wenn sie negativ verlaufen. Auch im Feinchemikaliengeschäft seien weltweit "noch viele neue Verbindungen zu erwarten".

"Künstlerpech" dagegen habe Schweizer damit gehabt, dass die diskrete Kontakt-Anbahnung den Weg an die Weltöffentlichkeit gefunden und damit dramatisch überhöhte Bedeutung mit entsprechendem Börseneffekt erlangt habe. Schaden aber habe Clariant - wie die Aktienkursentwicklung bestätigt - nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte Schweizer in seiner "Watch-List", die nicht weniger als 22 Unternehmen umfasst, schon bald einfach das nächste Kapitel aufschlagen.

Schweizers letzter grosser Entscheid

Ein intimer Kenner des Geschäfts hält aber weniger die Suche nach einem neuen Uebernahmepartner für Schweizers letzte grosse Herausforderung an der Clariant-Spitze. "Den wirklichen Meisterstreich", den der bald 69jährige Schweizer noch leisten müsse, sei die koordinierte Plazierung des mehrere Milliarden schweren Hoechst-Aktienpakets, ohne dass es zu einer Kursverwässerung kommt und die Besitzverhältnisse ausser Kontrolle geraten: "Es gibt viele reiche Leute auf der Welt, die sich in Europa noch nicht vorgestellt haben - von den Kuweiti bis zum Sultan von Brunei." Auch müsse verhindert werden, dass plötzlich ein ferner Gigant das Ruder übernimmt und den Basler Konzern fortan nach seinem Gusto steuert.

Eine detaillierte Exit-Strategie besteht offensichtlich noch nicht, worauf zumindest die neulichen Erwägungen von Finanzchef Roland Lösser ("Wandelanleihen", "Privatplazierung") schliessen lassen. Laut vertraglichen Abmachungen muss der Abbau der Hoechst-Beteiligung aber mit Zustimmung von Clariant erfolgen, "marktschonend" sein und eine breite Streuung anvisieren.

Rolf Schweizer, das nahende Ende seiner beruflichen Laufbahn vor Auge, ist schlau genug, die Dimension der Beteiligungs-Umschichtung zu erkennen: Gemessen wird er letztlich am Geschick, wie weit er seine Vision von Clariant als führendes Weltunternehmen mit eigener Profilgestaltung nachhaltig umsetzen kann.

Einen dritten Patzer kann sich Schweizer nicht mehr leisten

Wie gnadenlos schon ein einziger Fehltritt die öffentliche Beurteilung einer Managerleistung belasten kann, musste Schweizer letzten Dezember erfahren, als die von ihm angeregte Fusion mit Ciba Spezialitätenchemie scheiterte. Dass Hoechst-Integrator und Clariant-CEO Karl-Gerhard Seifert, im Organigramm der fusionierten Clariant nicht mehr vorgesehen, am Freitag seinen rapiden Rücktritt per Ende Monat öffentlich machte, kann nur als logische Spätfolge der geplatzten Fusion eingeschätzt werden.

Das erneute Türeschliessen mit Laporte dürfte Schweizer in Fachkreisen weitere Punkte und in seiner Belegschaft Motivation gekostet haben. Ein Top-Manager aus der Basler Chemie ist überzeugt: "Einen dritten Patzer kann sich Schweizer nicht mehr leisten."

Das weiss der erfahrene Haudegen. Entsprechend ernst nimmt er seinen Job. Noch immer sitzt er morgens um sieben im Büro. Das Einzige, was sich gegenüber früheren Sandoz-Zeiten geändert hat: Ueber Mittag soll Schweizer jetzt zu Hause speisen.

20. April 1999

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