Nicht alle Gourmets sind Tierquäler
Der "Guide Culinaire 1999" hilft emanzipierten Feinschmeckern, Restaurants mit qualfreien Delikatessen zu finden
Von Ruedi Suter
Gegen "Delikatessen aus Folterkammern" in Nobelrestaurants setzt nun der Schweizer Tierschutz seinen "Guide Culinaire 1999" ein. Damit können in Basel Gourmets mit einem Herz für Tiere beruhigt die Qualitätsrestaurants "Am Hübeli" und "Gundeldingerhof" ansteuern - und einen Bogen um viele der berühmtesten Fressbeizen der Stadt machen.
Wer sich Gourmet nennt, im feinen Restaurant die weisse Stoffserviette umbindet und die zart auf der Zunge verschmelzende Gänseleber schlemmt, führt sich mit grosser Wahrscheinlichkeit eine "Delikatesse aus der Folterkammer" zu. Ein Befund, den der Schweizer Tierschutz (STS) in seinem Faltblatt "À la carte" im Telegrammstil folgendermassen begründet: "Stopfgänse und Stopfenten. Salz im Futter und im Trinkwasser. Gummiband am Hals, um Erbrechen zu verhindern. Dreimal täglich wird Futterbrei durch ein Stahlrohr direkt in den Magen gepresst. Die Leber vergrössert sich krankhaft dreizehnfach. Foie gras? Nein danke!"
Der STS hat die Lebensbedingungen verschiedener Tiere untersucht, welche in irgendeiner Form als Delikatessen in unseren Tellern landen. Die Studie über die in Zuchten zum Essvergnügen herangepeppelten Opfer wie Tauben, Wachteln, Hummer, Stör (Kaviar), Austern, Frösche, Haie, Lachse, Strausse, Fasane, Enten, Gänse und Kälber verdirbt nachhaltig den Appetit eines jeden halbwegs sensiblen Menschen. Fazit der Tierschützer: "Wenn es ums vermeintlich leibliche Wohl geht, ist der homo nicht immer sapiens, also weise, sondern häufig vorax, also gefrässig."
Als Gefrässiger kennt der homo vorax keine Gnade
Der homo vorax ist überall anzutreffen. Er beisst überall zu, daheim am Küchentisch ebenso wie im Hamburger-Treff oder im Feinschmeckerlokal. Da aber gerade in den Gourmet-Tempeln Menschen mit wachem Geschmackssinn tafeln und sich in der Regel auch aufmerksamer mit dem auseiandersetzen, was ihnen vom Koch zubereitet wird, hat jetzt der STS seinen zweiten "Gastro-Führer für sensibilisierte Gourmets" herausgegegeben.
Im "Guide Culinaire 1999" werden die Feinesser darüber informiert, welche von GaultMillau ausgezeichneten Lokale der Schweiz "auf Delikatessen verzichten, die keine sind, weil ihre Herstellung Tierleid verursacht". 712 Restaurants wurden diesmal angeschrieben, 558 (78 Prozent) haben geantwortet.
Ethik und Edelbeizen vertragen sich eher selten
Ob die Küchenchefs die fünf mit Qualen verbundenen Schlemmereien wie Froschschenkel, Gänseleber, Haifischflossensuppe, Forellen (in Hälterungsbecken) oder Krustentiere wie Hummer oder Langusten im Angebot hätten, wollten die Tierschützer wissen. Weiter interessierte sie, ob Fleisch aus tierfreundlicher Haltung oder ein vegetarisches Menu gegessen werden könne.
108 der angefragten GaultMillau-Edel-Beizen in der Schweiz versicherten, keine der fünf aus "Folterzuchten" stammenden Tier-Speisen aufzutischen. 323 verwenden Fleisch aus tierfreundlicher Haltung, und 373 bieten vegetarische Menüs an. Als Koch des Jahres 1999 wurde Peter Brunner vom Zürcher Restaurant "Kaiser's Reblaube-Goethestübli" erkoren. Kommentar des Tierschutzes: "In der Küche des ebenso bekannten Kochs wie Kochbuch-Autors stimmt alles - auch aus tierschützerischer Sicht." So bekam Brunner, der verantwortungsvolle Meisterkoch, als Dank von STS-Präsidentin Marianne Staub den Silbernen Löffel des Guide Culinaire überreicht.
Trauriger Blick in Basler Kochtöpfe
Aus human-tierischer Sicht wenig Freude bereitet der Blick in die Brat- und Kochpfannen der von GaultMillaut ausgemachten Spitzenköche in Basel und Umgebung. Nur gerade zwei Speiselokale erhielten Bestnoten, weil sie keine der fünf geächteten Tierspeisen führen, Fleisch aus tierfreundlicher Haltung servieren und mit vegetarischen Menus aufwarten: Das "Hübeli" an der Hegenheimerstrasse 35 und der "Gundeldingerhof" an der Hochstrasse 56.
Den beiden Spitzenreitern folgt das Restaurant "Charon" am Schützengraben 62. Dessen Mangel: Es lässt von seinen Gästen Gänselebern verzehren. Dies und noch mehr können nicht emanzipierte Gourmets in den Nobel-Lokalen "Schloss Binningen" und "Der Teufelhof" am Leonhardsgraben 47-49, wo auch noch Krustentiere vertilgt werden können. Beim "Teufelhof" erstaunt dies deshalb, weil seine Betreiber Ethik besonders auf ihre Fahne geschrieben haben und sich federführend gegen jede Art von genmanipulierter Essware zur Wehr setzen.
Donati, Stucki: Das grosse Schweigen
Zu attestieren ist den bislang aufgeführten Lokalen, dass sie zu ihrer Kochpolitik stehen und Auskunft gaben. Fünf andere Schlemm-Oasen in Basel zogen es vor, nichts über ihre aus Tierqualen entstandenen Delikatessen verlauten zu lassen. Sie verweigerten die Transparenz und sind im Guide Culinaire 1999 mit der Zeichnung eines Kochs markiert, dem der Mund mit Pflaster verklebt ist.
In Basel und Umgebung erhielten sehr bekannte Etablissements das abschreckende Symbol verpasst: "Donati", "Hotel Drei Könige am Rhein", "Hotel Europe", "Weiherschloss Bottmingen" - und das Restaurant "Stucki". Die Empfehlung des etwas anderen Ess-Führers "für Feinschmnecker mit einem Herz für Tiere": Sich in diesen Lokalen nichts auftischen zu lassen - bis auch diese Speisekarten mit garantiert qualfreien Delikatessen zu überzeugen vermögen.