

Praktiker Peter Tschudin neu in der Schmidlin-Geschäftsleitung: Job nicht ohne Risiko
Seiltanz über dem Schuldenloch
Konventionalstrafe für grösste Fassaden-Firma der Schweiz
VON PETER KNECHTLI
Schwerer Schlag für die grösste Fassadenbau-Firma der Schweiz: Die stark verschuldete Schmidlin AG in Aesch BL muss eine Konventionalstrafe von 50'000 Franken zahlen. Die Banken wollen bald bessere Resultate sehen.
Die 300 Angestellten der auf Fenster und Fassaden spezialisierten Traditionsfirma sind rauhes Klima gewohnt. Mehrere Besitzerwechsel in den vergangenen Jahren - von Hilti über die Münchner C.A.H.-Gruppe an Detlef Dinsel und Carl Georg Dürschmidt - brachten das Unternehmen an den Rand des Ruins. Doch auch jetzt, nachdem die Financiers und Berater Hans-Ulrich Züllig, Neffe von Arbonia-Chef Jakob Züllig, und Erwin Steinmann als Eigentümer und operative Chefs eingestiegen sind, geht immer noch "einiges drunter und drüber" (so ein Insider).
Strafe für Vertragsverletzung
Zu aller Unbill sieht sich die neue Geschäftsleitung auch mit bleischweren sozialpartnerschaftlichen Altlasten der Vorgänger konfrontiert, wie Jörg Kessler, der Regionalsekretär des Christlichen Holz- und Bauarbeiterverbandes der SonntagsZeitung bestätigte: Die Paritätische Kommission für das Schreinergewerbe verurteilte die Schmidlin AG zu einer Konventionalstrafe von 50'000 Franken, weil die frühere Geschäftsleitung die kollektivvertraglichen Lohngarantien massiv verletzte. Bis Jahresmitte soll die Schuld in Raten zu je 10'000 Franken abgestottert werden. Die ursprüngliche Forderung von 200'000 Franken wurde reduziert, weil die neue Leitung "versprach, sich an den Gesamtarbeitsvertrag zu halten".
Laut Gewerkschafter Kessler zahlte die Schmidlin AG die Weihnachtsgelder in der Vergangenheit immer erst mit Verzögerung aus - und auch das noch tranchenweise. Geschäftsleiter Züllig dementierte Informtionen, wonach die letztjährige Gratifikation noch ausstehend sei: "Das Weihnachtsgeld wurde im Januar voll ausbezahlt." Auch sonst gibt sich Züllig zuversichtlich: "Wir konnten grosse Erfolge buchen und sind jetzt auf Kurs."
Banken werden nervös
Der Turnaround des stark verschuldeten Unternehmens, das mit Filialen in London und Paris 130 Millionen Franken umsetzt, lässt jedoch auf sich warten. Branchenbeobachter fürchten schon das Schlimmste: Ein Konkurs der Firma träfe auch zahlreiche Zulieferfirmen, die nochmals rund 300 Mitarbeiter beschäftigen. Auch unter den Banken macht sich Nervosität breit. Sie drängen, die Firma auf jenes rentable Niveau zu führen, auf dem sie einmal stand.
Zwar stehen architektonisch anspruchsvolle Arbeiten wie das vom Stararchitekten Richard Meier entworfene "Euregio"-Geschäftsgebäude auf dem Basler Schlotterbeck-Areal in den Auftragsbüchern. Innerhalb eines Jahres sollen laut Züllig Aufträge in Höhe von über 100 Millionen Franken akquiriert worden sein. Allein die Einschalung des neuen Citibank-Hauptsitzes in London bringt 55 Millionen Fanken. Doch ist fraglich, ob auf den risikoreichen Grossbaustellen genügend Geld zu verdienen ist. Denn die Managementmängel in der technischen Realisierung setzen sich auch nach der Restrukturierung fort. Ein führender Schmidlin-Kader: "Die Firma ist zu gross für die Schweiz und zu klein, um in Europa eine technologisch führende Position zu übernehmen."
Hoffnungsschimmer Tschudin
Letzter Hoffnungsschimmer ist der Sissacher Metallbau-Unternehmer Peter Tschudin, den Schmidlin ab Mitte Februar als neuen technischen Leiter im Vollamt in die Geschäftsleitung aufnimmt. Die sozialpartnerschaftlich wenig schmeichelhafte Vergangenheit der Fassadenfirma ficht Troubleshooter Tschudin auch als Präsident des Baselbieter Gewerbeverbandes nicht an: "Ich glaube an den Betrieb. Ich will diese Arbeitsplätze erhalten." Lukrativ sei sein Mandat in dieser Phase nicht.
Recherchen-Bewertung
Aussichten |
Trotz klingender Namen in den Auftragsbüchern eher düster. Turnaround noch nicht in Sicht. Grosse Anstrengungen nötig. Weitere sozialpartnerschaftliche Spannungen sind nicht zu verkraften. |
Peter Tschudin |
Anerkannter Fachmann. Bürdet sich grosse Verantwortung auf. Muss sein Engagement mit seiner Funktion als Noch-Präsident des Baselbieter Gewerbeverbandes sehen. Engagement mit relativ hohem Risiko-Anteil. |
Neues Management |
Hans-Ulrich Züllig gibt sich bezüglich Zahlen verschwiegen und hält sich auch sonst eher bedeckt. Benachrichtigte im Verlaufe unserer Recherche sofort die "Basler Zeitung". Schlechter Stil. |
Handwerkliche Substanz |
Gute Grundlage. Solides handwerkliches Know how. Reicht es zu Bewältigung von Grossbaustellen? Guter sichtbarer Leistungsausweis an renommierten Fassaden. |
25. Januar 1998
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