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Von der Kantonsdiktatur zur Quartierdemokratie
Der Verein Ökostadt ortet neue Chancen für seine Uraltidee Quartierdemokratie
Von Ruedi Suter
Der Feuerschock von Schweizerhalle führte 1987 zur Gründung des Vereins Ökostadt Basel. Dessen Ziel: Bürgerinnen und Bürger nehmen die Gestaltung ihres Lebensraums besser in die eigene Hand. Mit der Werkstatt Basel, einem Kind der Ökostadt, scheint nun eine uralte Ökostatt-Idee in greifbare Nähe zu rücken: Das Wahrwerden der bürgernahen Quartierdemokratie, die von unten Schwung ins Stadtleben bringt - und das kantonale Entscheidungs- und Vollzugssystem entlastet.
Zahlreiche von der Unberechenbarkeit der Technik und der Arroganz der Macht aufgerüttelte Basler Bürgerinnen und Bürger entschlossen sich nach der Brandnacht von Schweizerhalle (1. November 1986) zur Selbstinitiative. Sie schworen sich in dem 1987 gegründeten Verein Ökostadt, bei der Basler Bevölkerung eine Bewusstseinsveränderung herbeizuführen: Mit mehr Selbstverantwortung, mehr Offenheit und Nachbarschaftshilfe, mehr Dialogbereitschaft und dem Willen, den Lebensraum vor der eigenen Haustüre besser wahrzunehmen, lebenswerter zu gestalten und der Natur im Quartier wieder mehr Platz, Ruhe und Sauberkeit zuzugestehen.
Brücken schlagen statt Mauern hochziehen
Die Ökostädterinnen und Ökostädter waren sich überdies einig: Anstelle Mauern hochzuziehen sollten Brücken geschlagen werden - zwischen den Generationen, Beamten und Nichtbeamten, Linken und Rechten, Wirtschaft und Umweltorganisationen, Visionären und Pragmatikern, Autofahrern und Fussgängern. Konsens, keine Ideologien und Dogmen, Humor statt Gehässigkeiten, Schwung statt Stillstand, mehr Erde denn Asphalt, Frischluft denn Abgase, ungebremster Ideenfluss und gegenseitiges Verständnis - so hiessen die Vorgaben.
Um die Bedürfnisse der Quartierbewohner herauszufinden, erinnerte man sich eines alten Weisen - Professor Robert Junck, lebenslanger Kämpfer für verantwortungsvollere Lebensformen. Hatte nicht er die sogenannten Zukunftswerkstätten entwickelt, mit welchen in einem abgestuften und grunddemokratischen Verfahren die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen herausgefiltert werden konnten? Junck, unterdessen verstorben, kam sofort nach Basel und half mit insgesamt 13 Zukunftswerkstätten und in Zusammenarbeit mit aufgeschlossenen Politikern, Chefbeamten und Wissenschaftlern basisdemokratische Projekte zur ökologisch-sozialen Wiederbelebung der Stadt Basel. auszuarbeiten.
Quartierbevölkerung erstellte ökologische Krisenkarten
Die freiwillige Bürgerarbeit erfolgte mit dem Segen der Basler Regierung. Diese hatte dem Ökozentrum Langenbruck und dessen Leiter, Professor Pierre Fornallaz, sowie dem Journalisten Daniel Wiener den Auftrag erteilt, für die Stadt im "Vorprojekt Ökostadt Basel" neue Entwicklungsperspektiven aufzuzeigen und zu realisieren. Darauf wurden in Riehen, Binningen und 10 Basler Quartieren in 3300 Arbeitsstunden und mit grossem Engagement und beachtlicher Lust Protokolle über die Wünsche der Bevölkerung und eine "ökologische Krisenkarte" erstellt. Gleichzeitig entstanden zahlreiche Arbeitsgruppen und Quartierprojekte, die der empfundenen ökologischen Krise konstruktive Alternativen entgegenzusetzen versuchten.
Folgerichtig kann der Verein Ökostadt Basel mit seinen Zukunftswerkstätten als Vorreiter der zurzeit Schlagzeilen machenden Werkstatt Basel mit ihren Innovationswerkstätten bezeichnet werden. An einer zentralen Zukunftswerkstatt unter der Leitung von Robert Junck wurden die Resultate aus den Quartieren gebündelt und später vom Ökozentrum analysiert. Sie fanden ihren Niederschlag in einer Dokumentation der "zehn ersten Schritte in Richtung Ökostadt Basel". Vom Grundsatz, wonach die Ökostadt mit ihren Quartiergruppen und Aktionen ein "Prozess" sei, der "täglich neu gelebt" werden müsse, sind die Vereinsmitglieder trotz temporärer Ermüdungserscheinungen bis heute nicht abgewichen.
Wir machen weiter, jetzt erst recht!
Dies zeigte sich auch an der Jahresversammlung vom 1. November, wo Präsidentin Katja Hugenschmidt nach einer kritischen Situationsanalyse trotz oder gerade wegen der Werkstatt Basel erklärte: "Wir machen weiter - jetzt erst recht!" Denn Ökostadt verfüge über einen einzigartigen Erfahrungsschatz in der Erfassung, Behandlung und Umsetzunghilfe von Bürgeranliegen, die dem Lebensraum Basel soziale und ökologische Qualitäten wie mehr Wohnlichkeit, Wohlbefinden, Natur und Lebensfreude zurückbringen sollen.
Obwohl die Ökostadt-Mitglieder (sie erarbeiteten in den 13 Zukunftswerkstätten acht ausführungsreife Projekte wie Quartierkontaktstellen, Tempo 30, Siedlungsabfall etc.) sich nicht deckend mit der Werkstatt und ihren Innovationswerkstätten identifizieren, wollten sie diese nicht vor Bekanntgabe der Ergebnisse kritisieren.
Pierre Fornallaz erlaubte sich aber einen Vergleich der beiden Prozesse. Derweil die Ökostadt (Finanzmittel: Fr. 40.000.-) Mensch und Ökosystem ins Zentrum rückt, stellt die Werkstatt (Fr. 900.000.-) Mensch und Politik in den Vordergrund. Der Ur-Ökostädter: "Die Zukunft- und Innovationswerkstätten haben grundsätzlich dieselbe Zielsetzung: Einbezug der Bürgerinnen und Bürger mit der Möglichkeit, Anliegen zu formulieren. Die Werkstatt Basel hat mit viel grösseren Mitteln, grösserer Medienpräsenz, direkter Beteiligung der Regierung im Lenkungsausschuss, grösserer Einbindung der Politik die Arbeit des Vorprojektes Ökostadt fortgesetzt. Das kann man nur begrüssen!"
Schützenhilfe aus der Akademiker-Schmiede
Nicht lockerlassen könne die Ökostadt bei der Durchsetzung eines ihrer wichtigsten Anliegen, das die Regierung laut Fornallaz "schroff abgeblockt und vergessen" habe: die Quartierdemokratie. Mit ihrer Realisierung sollen grundsätzlich überschaubare Probleme (z.B. Allmendnutzung, Quartierentwicklung, Altersbetreuung, Primarschul- und Kindergartenpflege, Verkehrsregime) auf der Quartierebene entschieden werden - "und nicht mehr auf dem Niveau des heutigen kantonalen Entscheidungs- und Vollzugssystems".
Ins gleiche Horn stösst nun die Universität Basel mit ihren Beiträgen für die Werkstatt Basel. In ihrem Werk "Stärkung der Stärken" macht sie sich für die von der Ökostadt heiss ersehnte Dezentralisierung und Quartierautonomie stark. Pierre Fornallaz freute sich an der Jahresversammlung der Oekostadt über die Schützenhilfe aus der Basler Akademiker-Schmiede und schloss listig lächelnd: "Sollte eine Zusammenarbeit zwischen Ökostadt Basel und der Uni zur Verwirklichung der Quartierdemokratie eingeleitet werden?" Die Frage kann als Antwort gedeutet werden: Ökostadt Basel wird auch diese Gelegenheit nicht auslassen, um in Basel die Quartierdemokratie durchzusetzen.
Das ist bislang auf dem Mist der Ökostadt gewachsen
Von der breiten Öffentlichkeit oft kaum wahrgenommen, sind im Verlaufe der letzten zehn Jahre aufgrund der Initiative von Ökostadt viele Projekte realisiert worden. Auf dem fruchtbaren Mist der in den Zukunftswerkstätten herausgefilterten Ökostadt-Initiativen wurden und werden in den Basler Quartieren unter anderem diese Vorhaben allein realisiert oder mitrealisiert:
Innenstadt (4051): Der regelmässige Wildpflanzenmarkt, der von Verwaltung, Umweltorganisationen und Ciba unterstützt wird und einen Ableger in Liestal gefunden hat. Baumpatenschaften.
Gundeli (4053): Luftmessungen im Zusammenhang mit dem Verkehr. Das Fest "Masterspektakel". Mitarbeit in der Arbeitsgruppe "Masterplan". Erhebung der Fuss- und Wanderwege. Mitarbeit in der Planungsgruppe Gundeldingen. Flick- und Flohmarkt. Zurzeit: Pausenhofgestaltung im Petersschulhaus, Spielplatz, Pflanzenplan für Leonhard-Gymnasium.
Bachletten (4054): Kompostieranlage in Zusammenarbeit mit dem Quartierverein, heute an der Schützenmatte. Einmaliger Diskussionsabend über Luftqualität. Wildpflanzen-Einsatz in der Benkenanlage. Zurzeit: Kompostberatung und Zurverfügungstellung von Werkzeugen. Bemühung um Verwirklichung eines Quartiertreffpunktes.
Neubad (4054): Früher Diskussionsgruppen zu Hintergründen der Umweltkatastrophe in Schweizerhalle. Mitarbeit im Bioladen. Ökomarkt Treffpunkt Neuweilerplatz (alle zwei Jahre). Alternatives Spielprogramm am Quartierfest. Kompost am Laupenring. Tempo 30 Aktionen. Jährliche Konsumentenaktionen. Infostände für Kompost-Verkauf Naturgarten. Förderung von Familiengärten und Drittweltartikeln. Mitarbeit im Schutzverband gegen Fluglärm. Ringelblumenaktion als Vorläuferin der Baumpatenschaften. Mithilfe bei Gründung des Vereins für zeitgemässe Ernährung. Permanentes Engagement für die "Natur in der Stadt". Zurzeit Tempo 30 Aktionen und Vorstösse für verkehrsfreie Spielstrassen und gegen Fluglärm.
Hegenheim/Iselin (4055): Quartierführer (Quartierläden). Sunntigs-Zmorge. Apéro auf der Schützenmatte. Mitarbeit bei Festen von Kurden und Türken (Unterstützung für Pfarrei Oekolompad). Fest für Bosnier im Sommercasino. Pakete nach Bosnien (Schulmaterial). Baumpflanzung bei Bündnerstrasse. Eltern-Kind-Kontaktstelle Stöberstrasse (entstanden aus der Quartiergruppe).
Unteres Kleinbasel (4057): Aufbau und Führung der Kontaktstelle für Stadtökologie im Quartier. Glyzinenalle. Quartierzeitung Quk.
Hirzbrunnen (4058): Broschüren Quartierführer, Hausmittel. Alusammelstelle. Projekt Fuss- und Wanderwege. Erhebung Geruchsbelästigungen im Quartier. Unterstützung für Hecken als Biotop und für Spielplatz. Kompostanlage. Verkehrszählung mit dem Baudepartement. Aktionen gegen Messeparking, Parking in Gewässerschutzzone und Sommersmog. Veloparkplatz bei Coop. Erneuerung Spielplatz Wiltingerstr. Elterngruppe. Jährliches Spielplatzfest. Vortrag für Sonnenenergie. Tempo 30. Mitarbeit bei Initiative "Erhalt der Freiflächen Bäumlihofareal". Seminare und Führungen zur Stadtökologie. Zurzeit Bemühungen für fussgängerfreundliche Passagen und quartiereigene Post. Pausenhoferweiterung Primarschule und Oberstufe. Mitarbeit beim Einbezug von Kindern in Schulen gegen Vandalismus.
Bruderholz (4059): Solarzellen auf der Tituskirche- Z`Morge im Predigerhof.
Riehen (4125): Spielplatz im Dorf. Binningen (4102) in Verbindung mit der Ökogemeinde: Verkehrsgruppe Tempo 30. Quartiertreffpunkt mit Büro. Wochenendmarkt. 80 Prozent Blumen und Gemüse aus der Gegend. Fotovoltaik Genossenschaft Spiegelfeld und weitere Anlage im Aufbau. Kompostgruppe und Beratung. Zurzeit Rettungs- und Unterstützungsaktionen des letzten leerstehenden Bauernhofs Heyer im Dorfzentrum mit dem Ziel, dort ein Ökozentrum einzurichten. |
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