Basel Kabelnetz: Besitzübergabe verschlafen

Die Betreiberin Balcab möchte das wertvolle Netz am liebsten behalten - entgegen dem Beschluss der Basler Regierung

Die seit Jahreswechsel in der Schweiz geltende Liberalisierung der Telekommunikation hat in Basel bereits Wirkung: Um die Zukunft des Kabelnetzes ist ein heftiger Streit entbrannt. Derzeit verhandeln die Parteien vorwiegend über ihre Anwälte.

"Es herrscht ein Chaos, alle sind völlig von Sinnen." So beschreibt ein Insider die Stimmung unter den Verantwortlichen des Basler Kabelnetzes, das als "modernstes Telekommunikationsnetz Europas" gilt. Grund der Aufregung ist die seit wenigen Tagen geltende Liberalisierung des Fernmeldemarktes in der Schweiz.

Bezüglich Verbreitung von Radio und Fernsehen, neuerdings auch bezüglich Telekommunikation, laufen die Uhren in Basel anders - komplizierter als sonstwo in der Schweiz. Anders als in Zürich oder Bern, wo die Kabelnetzbetreiber autonome Privatfirmen sind, kennt Basel eine geteilte Trägerschaft. Für Bau und Betrieb des Netzes ist die Balcab AG zuständig (Cablecom, Swisscom, Siemens). Die Auswahl der Inhalte - der einzuspeisenden Programme und Dienste - sowie der Betrieb des Lokalfernsehens "Tele Basel" fällt dagegen ausdrücklich in die Kompetenz der pluralistisch abgestützten "Stiftung Kabelnetz Basel". Ueberdies kann die Stiftung "nicht-kommerzielle Lokalprogramme und experimentelle Dienste gestalten". Sie wird durch die Netzbetreiberin Balcab mit acht Prozent der Gebühreneinnahmen finanziert, jährlich rund 2,1 Millionen Franken.

In dieser Aufgabenteilung liegt ein Teil des Seilziehens begründet. Laut den umfangreichen Verträgen zwischen Kanton, Balcab und Kabelstiftung ist der Stiftung nämlich wachsende Bedeutung zugedacht: Zum einen ist die Balcab verpflichtet, das Netz-Eigentum dem Baufortschritt entsprechend an die Stiftung zu übertragen. Zum andern - politisch nicht weniger brisant - ist die Stiftung auch "befugt", über die "dienstebezogene Nutzung des Kabelnetzes zu bestimmen". Damit wären die theoretischen Voraussetzungen dafür gegeben, dass die Stiftung künftig auch Online-Dienste und Internet-Applikationen anbieten und somit zu ihren mächtigen Netz-Partnern, die ähnliche Absichten bereits öffentlich angekündigt haben, in Konkurrenz treten könnte.

Blacab muss Netz an Stiftung abtreten

Diese Bestimmungen sind der Balcab unter liberalisierten Vorzeichen aber ein Dorn im Auge. Anderseits scheint die Stiftun bezüglich Schaffung klarer Verhältnisse ihre Hausaufgaben nicht gemacht zu haben: Obschon das Netz laut Balcab-Geschäftsführer Urs Gröflin zu 100 Prozent gebaut ist, hat die Eigentumsübertragung bisher nicht stattgefunden. Balcab-Präsident Franz Gerny, hauptberuflich Konzernleitungsmitglied der Ciba-Spezialitätenchemie, will zum Streit nicht inhaltlich Stellung nehmen: "Wir sind mit Regierung und Stiftung am Verhandeln."

Hinter der Diskretion versteckt sich ein knallharter Interessenskonflikt, der laut Augenzeugen schon zu roten Köpfen und wüsten Worten führte. Ein Balcab-Kadermann soll im Zorn schon damit gedroht haben, die "Programmverbreitung abzustellen".

Hintergrund: Die Balcab fürchtet, dass ihre in hohem Mass fremdfinanzierte 200-Millionen-Investition flöten gehen könnte, wenn sie jetzt die Karten aus der Hand gibt. "Die andern schmatzen schon", beschreibt ein Insider die Angst der Netzbetreiber vor der Konkurrenz. Denn das seit Jahresbeginn in Kraft stehende neue Fernmeldegesetz sieht Wettbewerb und freien Netzzugang für alle Telekomm-Anbieter vor. Andere Beobachter vermuten, dass die Banken die Balcab aus Sicherheitsgründen dazu drängen, für den drohenden Besitzverlust in Form von Nutzungsrechten neue Aktiva zu akquirieren.

Klärung bis Ende März

Eine Uebersicht über die Verträge und die Rolle der Basler Netz-Akteure im Lichte des neuen Fernmeldegesetzes hat in Basel derzeit noch niemand. "Eine gute Frage!", reagierte Basels Wirtschaftsminister und Stiftungspräsident Ralph Lewin vielsagend auf die Frage, wem das Kabelnetz eigentlich gehörte. Bis Ende März soll eine Juristengruppe unter dem Vorsitz von Michael Bammatter, dem heutigen Direktionssekretär der Baselbieter Finanzdirektion, diese Frage klären. Bammatter war früher rechte Hand des damaligen Wirtschaftsministers Mathias Feldges.

Aber noch einiges mehr steht im Pflichtenheft der Arbeitsgruppe. So soll sie die Rolle der drei Parteien und ihre Beziehungsverhältnisse unter den neuen fernmelde- und konzessionsrechtlichen Verhältnissen klären. Es stelle sich laut Balcab-Anwalt Peter Mathys beispielsweise die Frage, "ob ein Nichteigentümer eines Kabelnetzes Inhaber einer Konzession sein kann, und ob jemand Netzeigentümer sein kann, der das Netz gar nicht betreibt".

Lewin will "ideale Konditionen"

Für Regierungsrat Lewin ist heute erst klar, dass am demokratischen Stiftungs-Modell nicht gerüttelt werden soll. Darüber hinaus will er im Interesse des Wirtschaftsplatzes Basel "möglichst ideale Konditionen für alle, die Dienste anbieten und nutzen wollen", sicherstellen. Zudem hält er den "Bedarf nach einem möglichst unabhängigen Medium" in Form des Regional-TV-Senders "Tele Basel" für gegeben.

Laut einem Insider ist der Streit um den künftigen Besitz am Basler Kabelnetz denn auch nur vordergründig: "Letztlich geht es darum, wie die Monopol-Pfründe in die Liberalisierung gerettet werden können."

8. Januar 1998

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