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Ruedi Bühler, dipl. Ing. ETH/SIA
Ingenieurbüro Umwelt + Energie
Dörfli 5, 8933 Maschwanden
Telefon 01/ 76715 16, Fax 01/ 76715 54
Bau- und Umweltschutzdirektion
zhv. Herrn Stucki
Abt. Energiewirtschaft
Rheinstrasse 29
4410 Liestal
Maschwanden, den 11. April 1994
Provisorische Beurteilung des Projektes GEVO Ormalingen
Sehr geehrter Herr Stucki
Am 8. April 1994 haben Sie mich telefonisch beauftragt, für Sie eine Beurteilung des Projektes der GEVO in Ormalingen durchzuführen.
Die nachfolgende Beurteilung stützt sich auf das Gesuch der GEVO um einen P+D-Beitrag vom 17.11.93.
Das Studium der vorliegenden Unterlagen ergab für mich den Schluss, dass allein aufgrund der Gesuchsunterlagen nur eine provisorische Beurteilung gemacht werden kann. Für eine fundierte Beurteilung des Projektes müssten noch mündliche oder schriftliche Zusatzinformationen eingeholt werden. Da dies nicht Teil meines Auftrages ist, muss ich für die provisorische Beurteilung teilweise auf Annahmen abstellen. Es ist möglich, dass diese nicht überall mit dem effektiven Projekt übereinstimmen und dass daher die nachstehende provisorische Beurteilung aufgrund von vertiefter Information zum Teil revidiert werden müsste.
1. Wärmeleistungsbedarf und Wärmebedarf
Beilage 5a des Gesuchs kann man entnehmen, das die Anschlussleistung im Endausbau 3500 kW beträgt. In Kap. 5 des Gesuchs wird im Endausbau eine Wärmeproduktion von 7980 MWh angegeben. Ueber den zeitlichen Verlauf des Wärmebedarfes (Jahresverlauf, Monatsverlauf etc.) werden keine Angaben gemacht. Bei WKK-Anlagen ist aber der zeitliche Verlauf des Wärmebedarfs eines der wichtigsten Kriterien für die Auslegung der Anlage und für die Abschätzung der zu erwartenden Stromproduktion. Liegt z. B. der momentane der Wärmeleistungsbedarf unter 50% der Kesselleistung des Dampfkessels (d.h. im GEVO-Projekt unter ca. 0.9 MW), so sinkt der Wirkungsgrad der Dampfturbine unter 75% und der elektrische Wirkungsgrad reduziert sich entsprechend.
Für eine fundierte Beurteilung des Projektes wären Ergänzungen bezüglich Wärmeleistungs- und Wärmebedarf erforderlich mit Angabe des zeitlichen Verlaufes. Mit diesen Angaben könnte dann abgeschätzt werden,
- wieviel Prozent des Wärmebedarfs mit Öl und wieviel mit Holz/Chinaschilf abgedeckt wird,
- wie hoch die Betriebsstundenzahlen von Kessel und Turbine bei Nennlast und bei den verschiedenen Teillaststufen sind.
Im Gesuch sind dazu keine Angaben zu finden.
2. Stromproduktion
Da die entsprechenden Angaben im Gesuch fehlen, ist nicht nachvollziehbar, wieweit die angegebene Stromproduktion einer realistischen Erwartung entspricht. Gemäss Angaben im Gesuch beträgt der elektrische Wirkungsgrad bei Nennlast ca. 11 %.
Unter der Annahme, dass die Holzfeuerung ca. 80 % des Jahreswärmebdarfes abdeckt (Holzfeuerung 1.8 MW, max. Bedarf 3.5 MW), so wird von der in Kap. 5 angegebenen Wärmeproduktion im Endausbau von 7980 MWh/a ca. 6400 MWh/a mit der Holzfeuerung erbracht, 5700 MWh/a mit dem Kessel und ca. 700 MW mit Abgaskondensation. Aus den Angaben von Kap. 5 würde sich mit dieser Abschätzung ein elektrischer Jahresnutzungsgrad von 12 % ergeben. Da dies nicht möglich ist, wurden im Projekt der Beitrag von Abgaskondensation und Ölfeuerung offensichtlich tiefer eingeschätzt.
Da Dampfkessel und Dampfturbine wahrscheinlich zu mehr als 50% im Teillastbetrieb gefahren werden, bin ich der Ansicht, dass aufgrund der Angaben im Gesuch der zu erwartende elektrische Jahresnutzungsgrad während der 2. Etappe wesentlich unter 10% und auch im Endausbau noch unter 8% liegen wird. Die im Gesuch angegebene Stromproduktion müsste entsprechend reduziert werden.
3. Abgasreinigung
Beilage 2 des Gesuchs zeigt, dass zur Abgasreinigung ein Staubfilter vorgesehen ist. Beilage 4 des Gesuchs zeigt die Abgasreinigung mit Entstickung und Abgaskondensation. Das Staubfilter ist hier nicht eingezeichnet. Entscheidend für die Abgasreinigung ist, ob das Staubfilter vor oder nach dem Katalysator/Abgaskondensator eingesetzt wird oder nicht. Wird es nachher eingesetzt (SCR-Verfahren im high-dust), so sind bei Verwendung von Chinaschilf heute im Detail noch nicht bekannte Probleme zu erwarten. Grund: Die gegenüber Holzfeuerungen zusätzliche Belastung des Abgases mit Staub (zu einem wesentlichen Teil in Form von Salzen), Chlor und Schwefel. Versuchsergebnisse des SCR-Verfahrens bei der Verbrennung von Chinaschilf oder Energiegras sind mir nicht bekannt. Wird das Filter vor dem Katalysator eingesetzt, so muss das gereinigte Abgas vor dem Katalysator auf mindestens 250 °C aufgeheizt werden.
Folgerung: Aufgrund der im Gesuch gemachten Angaben ist eine zuverlässige Beurteilung der Abgasreinigung bezüglich technischer Lösung und Kosten für mich nicht möglich.
4. Auswirkungen der Verwendung von Chinaschilf
Die Versuche im Rahmen des Projektes Energiegras des BEW zeigen, dass eine Biomassefeuerung mit Chinaschilf als Pilotanlage grundsätzlich möglich ist, wobei allerdings gegenüber einer Holzfeuerung erhöhte Anforderungen an die Entaschung gestellt werden und eine aufwendigere Abgasreinigung eingesetzt werden muss (siehe oben).
Die Verwendung einer wechselnden Mischung von Holzschnitzeln und Chinaschilf lässt erhebliche zusätzlich Probleme erwarten. Ich gehe davon aus, dass das Chinaschilf vor der Verbrennung zu Pellets oder Briketts aufbereitet wird (Die Beschickung als lose Häcksel dürfte viele, heute im Detail noch nicht bekannte Probleme verursachen).
Briketts aus Chinaschilf weisen aber gegenüber Hackschnitzeln eine viel höhere Schüttdichte und einen geringeren Wassergehalt auf. Bei gleichbleibender Fördergeschwindigkeit der Beschickungsschnecke kann die in die Feuerung eingebrachte Leistung beim Wechsel von 100 % Hackschnitzeln zu 100 % Chinaschilf-Briketts um mehr als einen Faktor 3 schwanken. Ich glaube nicht, dass eine Regelung solche Schwankungen soweit ausgleichen kann,
- dass die für eine Abgaskondensation erforderliche Verbrennungsqualität (CO < 100 mg/m3) einhalten und
- eine für den einwandfreien Betrieb der Turbine konstante Dampfqualität garantiert ist.
Ob die energetische Verwertung von Chinaschilf in Zukunft aus volkswirtschaftlicher, landwirtschaftlicher und energiepolitischer Sicht sinnvoll ist, steht bei der vorliegenden Beurteilung nicht zu Diskussion. Unabhängig von der Antwort auf diese Fragen bin ich der Ansicht, dass es durchaus sinnvoll ist, eine Pilotanlage so auszurüsten, dass Langzeitversuche mit Chinaschilf und Energiegras gefahren werden können. Auch in einer einfachen Pilotanlage sind dabei aber noch mehr oder weniger grosse Betriebsprobleme zu erwarten. Bei der geplanten GEVO-Anlage sind wegen der Kombination von vielen neuen Komponenten (Chinaschilf, variierende Mischung von Chinaschilf mit Holzschnitzeln, WKK mit Dampf, Entstickung und Abgaskondensation) noch wesentliche zusätzliche Probleme zu erwarten. Es muss damit gerechnet werden, dass wegen solchen Problemen die WKK-Anlage längere Betriebsunterbrüche aufweisen wird, was sich u.a. negativ auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt.
5. Investitionskosten
Die gesamten Investitionskosten des Nahwärmeverbundes GEVO belaufen sich gemäss Beilage 5a des Gesuchs auf 7.73 Mio. Fr.
Im Auftrag von DIANE 8 hat die Firma Caliqua ein Arbeitsinstrument zur Abschätzung der Wirtschaftlichkeit von Holzverstromungsanlagen ausgearbeitet Vernehmlassungsexemplar siehe Beilage). Berechnet man die Investitionskosten im Bereich Wärmeerzeugung mit Hilfe der Daten von Caliqua, so würden sich die Investitionskosten um ca. 1 Mio. Fr. erhöhen (Wärmeerzeugung GEVO 2.0 Mio, Caliqua ca. 3.2 Mio.). Die Gründe für die hohe Abweichung müssten im Detail untersucht werden.
Würde statt der WKK-Anlage eine HoIzfeuerung eingesetzt und damit auf die Stromproduktion verzichtet, so dürften aufgrund von Vergleichswerten mit anderen Nahwärmenetzen mit Holzenergie die gesamten Investitionskosten bei ca. 4 Mio liegen (inkl. Abgasentstickung und Abgaskondensation). Die erhöhten Anforderungen durch die Verwendung von Chinaschilf schätze ich auf Fr. ca. 1 Mio Fr.. Die weiteren Investitionen (2.7 Mio. Fr. gemäss Gesuch, ca. 3.7 Mio. Fr. mit Daten der Caliqua) müssen der Stromerzeugung belastet werden.
6. Wirtschaftlichkeit
Im Gesuch werden nichtamortisierbare Mehrkosten von ca. 3 Mio. Fr. ausgewiesen. Ich glaube, dass diese aus folgenden Gründen noch höher angesetzt werden müssten:
- Ich erachte die Investitionskosten als eher zu optimistisch.
- Die Brennstoffkosten für Holz betragen ca. 4 - 4.5 Rp/kWh.
Kostenberechnungen zeigen, dass die Brennstoffkosten für brikettiertes Energiegras bei 11 - 12 Rp/kWh liegen, bei Kosten für Heu von Fr. 250.-Fr. pro Tonne. Es ist anzunehmen, dass die Brennstoffkosten für brikettiertes Chinaschilf in der gleichen Grössenordnung liegen wie für Energiegras. Wird in der GEVO-Anlage zu 20% Chinaschilf verwendet, so steigt der Brennstoffpreis von ca. 4.5 Rp/kWh auf ca. 6 Rp/kWh.
Weiter oben wurde gezeigt, dass etwa 3 Mio. Fr. der Investitionskosten der Stromerzeugung angelastet werden müssten. Nimmt man eine Annuität von 10% an, so ergeben sich daraus im Endausbau pro erzeugter kWh Amortisationskosten von mind. 31 Rp./kWh. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass die zu erwartende Strommenge wahrscheinlich tiefer liegen wird als im Projekt angenommen.
Unter der Annahme, dass die WKK-Anlage keine längeren Betriebsunterbrüche aufweist, kann das Projekt GEVO Ormalingen ungefähr wirtschaftlich betrieben werden, wenn ca. 40 % der Investitionen durch Subventionen aufgebracht werden. Dies wird auch im Gesuch so ausgewiesen. Da weitere analoge Projekte kaum einen so hohen Subventionsbeitrag erwarten können, wird das GEVO-Projekt höchstwahrscheinlich ein Einzelfall bleiben.
Schlussbemerkung
Ich möchte nochmals auf den provisorischen Charakter der vorliegenden Beurteilung hinweisen. Ich hoffe aber, dass sie Ihnen trotzdem von Nutzen ist. Ihrem Wunsch gemäss schicke ich eine Kopie der Beurteilung an das BEW.
Mit freundlichen Grüssen
Ruedi Bühler
zur Kenntnis: Bundesamt für Energiewirtschaft, Herrn J. Gfeller |