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Die heisse Liebe zum digitalen Auslaufmodell

Swisscom will erst im Herbst über das Ende von Digit Super Radio entscheiden

Obschon sich die Deutsche Telekom von der Verbreitung des Digitalen Satelliten-Radios zurückzieht, tut sich Partner Swisscom mit dem Verzicht auf das schweizerische Angebot schwer - zum Aerger der Schweizer Kabelnetzbetreiber.

Gerhard Wittmann, Kundendienstleiter von Grundig Schweiz, hat für das Schweizer Digit Super Radio (DSR) nur noch ein müdes Lächeln übrig: "Davon spricht keiner mehr", sagt er über das Medium, das die damalige Telecom noch vor wenigen Jahren als "Digital-Radio der Zukunft" propagierte und koordiniert mit der Deutschen Telekom einführte. Dick trug die Werbung auf: 16 "Top-Programme" mit "unerhörter Dynamik" und "live aus der Kabeldose".

Karl Börner, Chef von Philips Schweiz, attestiert der Swisscom eine "sehr sorgfältige Vorbereitung". Doch kommerziell zählt die DSR-Technik nicht zu den Ruhmesblättern der Hersteller: Bloss etwa 1'000 Spezial-Empfänger hat Philips in der Schweiz verkauft, seit zwei Jahren sind die Geräte ausverkauft, Produktion und Werbung sind längst eingestellt. Andere Anbieter können kaum rosigere Ergebnisse vorweisen. Die Digital-Technologie der ersten Generation, von der Swisscom-Vorgängerin mit Millionen-Werbung dem Markt ausgesetzt, stiess weder beim Publikum noch im Fachhandel auf Resonanz.

Alle Kunden zahlen - nicht nur die Nutzer

Ungeduld wächst bei den Kabelnetzbetreibern, die teils selbst zu den Digit-Super-Promotoren gehörten: Den Preis von 2,5 Rappen pro Monat und Teilnehmer - nicht bloss pro DSR-Nutzer - erachten sie angesichts der bescheidenen Nachfrage als zu hoch. Auch besetzen ihnen die beiden technisch überholten Radio-Paletten zwei Fernsehkanäle, die dringend für breiter interessierende Angebote benötigt würden. Am Dienstag forderte der Kabeldachverband Swisscable die Swisscom auf, "ihre Strategie in bezug auf die Verbreitung des DSR bekanntzugeben, damit die Kunden frühzeitig informiert und darauf vorbereitet werden können".

In wievielen Schweizer Haushalten sich derzeit mit einem DSR-Empfänger noch rauschfreier Hörgenuss breitmacht, weiss niemand. - nicht einmal die Swisscom. Swisscable-Geschäftsfühererin Claudia Bolla schätzt die Zahl auf rund 20'000 Teilnehmer, welche die je 16 Programme der deutschen und der schweizerischen Digital-Palette nutzen. Mehr als die Hälfte der 2,4 Millionen Schweizer Haushalte werden potentiell mit einer oder gar beiden Paletten versorgt.

Deutsche Telekom steigt aus

Wer via Satellit "Kopernikus" nur die deutschte Palette kostenlos bezieht, kann seinen teuren Empfänger schon bald als Nostalgieobjekt betrachten: Die Deutsche Telekom stellt, wie sie kürzlich mitteilte, die Verbreitung der DSR-Programme Ende Jahr ein.

Die Promotorin Swisscom dagegen tut sich schwer. Als vor zwei Jahren Technik-Fachleute das baldige Ende des Digit-Radios in der Schweiz voraussagten, erklärten die damaligen Telecom-Verantwortlichen, der Rückzug soll mittelfristig und gemeinsam mit dem deutschen Partner angetreten werden. Jetzt, da die Abschaltung im Nachbarland beschlossene Sache ist, weiss die Swisscom weder ein noch aus.

Finanziell für Swisscom nicht unattraktiv

Wie viele an der Front sind auch die Verkäufer in den Swisscom-Shops über die Vorgänge im Management nur dürftig informiert. Auskunftsuchenden wurde dort unverbindlich mitgeteilt, die Einstellung erfolge erst zwischen 2000 und 2002.

Nicht nur emotionale Mutterschaftsgefühle dürften die Zurückhaltung erklären. Vielmehr scheint der digitale Nostalgie-Betrieb für die Swisscom finanziell zumindest nich unattraktiv zu sein: Mit den willkommenen Gebühreneinnahmen der Kabelkunden lässt sich der Betrieb des Gemeinschaftsantennenzubringers (GAZ), der laufend an Bedeutung verliert, zumindest stützten, bis in der Swisscom über die künftige Nutzung dieses Verbreitungssystems Klarheit herrscht.

Zugeknöpfte Informationspolitik

Laut Swisscom-Sprecher Jaques Bettex bestehen "keine Pläne für einen Einstellungsbeschluss". Kommenden Oktober werde die Konzerleitung einen Entscheid fällen. Als Zukunftstechnologie bezeichnete Bettex das Digital Audio Broadcasting (DAB). Aeusserst zugeknöpft gibt sich die Swisscom zu weiteren Fragen. Die Höhe der jährlichen Einnahmen aus der Digit-Verbreitung, so Bettex, werde "nicht kommuniziert" - weil die Swisscom vor dem Börsengang stehe.

11. August 1998

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(c) by Peter Knechtli