
Stolpersteine auf der Werbe- Autobahn
Die Verlängerung der Print-Werbeallianz "Swisspool" ist in Frage gestellt
Der strategische Anzeigenverbund "Swisspool" bröckelt: Drei Jahre nach seiner Gründung denken Schweizer Verlagshäuser über neue Formen der Zusammenarbeit im Anzeigenmarkt nach. Motto: Jeder mit und gegen jeden.
Wenn Autofirmen, Banken oder Konsumgüterproduzenten ihre vierfarbigen Anzeigenkampagnen planen, dann können sie an einer Kombination nicht vorbeisehen: Der Swisspool von Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, St. Galler Tagblatt, Neuer Luzerner Zeitung, Berner Zeitung, 24 heures und Tribune de Gen¬ve ist der grösste schweizerische Werbeverbund, der die kaufkräftigsten Agglomerationen vom Boden- bis Genfersee abdeckt.
"Die Autobahn-Strategie boomt", freut sich Edi Battaglia, Leiter der Swisspool-Clearingstelle in Bern, über die Buchungen dieses Frühjahrs. Doch die kraftvolle, von Publicitas unterstützte Anzeigen-Allianz bröckelt. "Aufgrund der momentanen Situation gehe ich nicht davon aus, dass der Swisspool nach Ende 1998 noch existiert", glaubt der Medienjournalist Ueli Custer. Dann nämlich läuft der Vertrag unter den verbundenen Verlagshäusern aus.
Sicher ist, dass sich die finanziellen und strukturellen Bedingungen seit Gründung des Swisspools per Anfang 1994 radikal geändert haben. Damals war der Schulterschluss auf dem Anzeigenmarkt "die Antwort auf die Regionalzeitungsstrategie von Ringier" (so Tages-Anzeiger-Verlagsleiter Tobias Trevisan). Als der Branchenführer Ringier bei der Berner Tagszeitung "Bund" einstieg, lösten die damaligen Partner Tages-Anzeiger und Berner Zeitung den Verbund "Swiss-Combi" mit der Ringier-Zeitung Luzerner Neuste Nachrichten auf und gründeten mit neuen Verbündeten und der LNN-Konkurrenz Luzerner Zeitung den Swisspool. Folge: Das Luzerner Ringier-Flaggschiff verlor Inserate und die Ueberlebenshilfe ihrer Muttergesellschaft und ging schliesslich ein.
Heute sehen sich die Tageszeitungs-Verlage vor ganz andere - substanzielle - Probleme gestellt:
* Die Fernsehwerbung nimmt zulasten der Printmedien generell weiter zu. Zudem absorbieren die Werbefenster der deutschen Privatsender Sat 1 und Pro 7 zusätzliche Marketingmittel aus der Schweiz.
* Die Tageszeitungen verloren letztes Jahr laut Media Trend Journal fast acht Prozent an Umsatzvolumen, während die Wochentitel - allen voran die im TA-Media-Verlag herausgegebene SonntagsZeitung - teils kräftig zulegten.
* Im Rubrikenmarkt drohen kräftige Einbrüche als Folge von äusserst aggressiver Konkurrenz durch neuen Online-Dienste. Die umstrittene Swiss-Human-Line (vgl. Kasten) ist nur ein Beispiel dafür, wie agile Neuanbieter auf den schwerfälligen Umgang der Grossverlage mit digitalen Diensten reagieren.
Kommt dazu: Der Swisspool als als strategische Waffe war kommerziell insgesamt weniger einträglich als erwartet. Der letztjährige Umsatz von 50 Millionen Franken lag krass unter den budgetierten 85 Millionen Franken. Branchenvertraute halten den Tageszeitungs-Verbund für "zu teuer, zu sperrig und nicht mehr zeitgemäss".
Selbst für grosse nationale oder ausländische Kampagnen wurde die Swisspool-Schaltung immer weniger zur Pflicht. Medialeiter wie Claude Richard von der Wirz Werbeberatung gingen "praktisch nie in den Swisspool". Richard: "Ich stelle meine Pläne individuell zusammen. Würde der Swisspool aufgegeben, wäre das kein Verlust."
Dem widersprechen vor allem die schwächer verbreiteten Verbundspartner in Luzern und St. Gallen, die von der Werbe-Autobahn durch die Schweizer Kaufkraft-Eliten am stärksten profitieren. Auch Peter Sigrist, Generaldirektor der Basler Zeitung, ist "nach wie vor sehr für den Swisspool, weil er vor allem ein pressepolitisches Zeichen setzt". Allerdings sieht Sigrist "aus reinen Kostengründen auch keinen Grund, die Allianz zu erweitern".
Gemünzt ist diese Absage auf Aufnahme-Sondierungen, die Peter Wanner, Verwaltungsratsdelegierter der Aargauer Zeitung, letzten Herbst unternahm. Doch der Verleger der Fusion von Aargauer Tagblatt und Badener Tagblatt gab seine Avance auf, als sich die nötige Einstimmigkeit der Pool-Verlage nicht einstellte.
Den entscheidenden Ausschlag über das künftige Schicksal des Swisspool wird der Tages-Anzeiger geben. TA-Media-Geschäftsleiter Kurt W. Zimmermann sagt in eigener Sache ungeschminkt, was Sprecher anderer Verlage bestätigen: "Ohne den Tages-Anzeiger kann man den Swisspool vergessen." Ein Regionalzeitungs-Verleger ausserhalb des Swisspools glaubt sogar: "Dem Tages-Anzeiger als mit Abstand am stärksten verbreiteten Organ nützt der Swisspool so gut wie nichts. Per saldo legt er vielleicht noch drauf."
TA-Verlagsleiter Tobias Trevisan, noch vorsichtig in der Wortwahl, will erst nächstes Jahr "über die Bücher gehen". Bevor er die Bande der Anzeigen-Freundschaft durchschneidet, will er erst einmal sondieren, wie weit die profitierenden Verlagshäuser zugunsten des Tages-Anzeigers zu höheren Rabatten bereit wären.
Denn die Bedrohung an verschiedenen Fronten und das rasende Tempo der Veränderungen führen dazu, dass sich die Zeitungsverleger nicht nur immer kurzfristiger entscheiden, sondern sich aus Existenzangst projektgerichtet verbünden und gleichzeitig bekämpfen.
So dürfte 1998 das Jahr der grossen Positionsveränderungen im Anzeigencombi-Markt werden. Denkbar ist, dass der Tages-Anzeiger aussteigt und allein fährt oder mit der SonntagsZeitung im hausgemachten Swisspool badet. Möglich ist aber auch Goldenes-Dreieck-Pool von Tages-Anzeiger, Berner Zeitung und Basler Zeitung. Aargauer-Zeitung-Verleger Peter Wanner ("wir sind nach allen Seiten offen") könnte sich eine Zusammenarbeit mit NZZ und den mit ihr liierten Titel Bund und St. Galler Tagblatt sowie der Basler Zeitung - oder den Alleingang vorstellen: "Wir können auch ohne einen Pool leben. Wir liegen dieses Jahr umsatzmässig über dem Budget."
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Digitale Stellenbörse pokert hoch
"Swiss Human Line" startet mit Kampfansage an potentielle Partner
Ein Beispiel für aggressiven Verdrängungskampf im Werbegeschäft ist die umstrittene digitale Stellenbörse von "Swiss Human Line". Betroffene Zeitungsverlage wollen einen Gerichtsentscheid.
In aller Diskretion hatten die drei Promotoren Peter Müller, Urs Nauer und Franz With ihre seit 4. März 1997 operierende digitale Stellenbörse auf dem Internet aufgebaut. Stellensuchende wie Unternehmen können auf dem kostenpflichtigen Dienst ihr detailliertes Fähigkeitsprofil und ihre Stellenbedürfnisse deponieren.
Gleichzeitig aber wertet die Swiss Human Line ohne Genehmigung der Verlage die Stellenanzeigen von 60 Zeitungen aus. Volumen: bis 15'000 Einheiten. Diesen "elektronischen Diebstahl" (AZ-Verleger Peter Wanner) wird die TA-Media laut Hausjurist Andreas Meili gerichtlich anfechten. Gemäss Verlagsleiter Daniel Sommer wird auch die Basler Zeitung, allenfalls zusammen mit Publicitas, rechtliche Schritte unternehmen. Alles deutet darauf hin, dass die Promotoren den grossen Paukenschlag bewusst gesucht haben. Die Verleger waren über die Pläne zur Weiterverwertung ihrer Vorleistungen durch Dritte nicht kontaktiert worden. Und auch ein Pro-forma-Kontaktversuch in letzter Minute zu ihrem Berufsverband blieb, so Müller, in der Leitung stecken.
Die Human-Liner pokern hoch: Auf ihrer Lohnliste stehen 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Aktienkapital beträgt gerade mal 400'000 Franken. Branchenkenner vermuten - was Müller bestreitet -, dass kapitalkräftige Geldgeber hinter "Human Line" stehen. Gerüchte nannten die kanadische Thomas International Management Systems in Toronto.
Hinter dem formaljuristischen Streit steckt ein aggressiver Verdrängskampf im Rubrikenmarkt unter den Grossen der Branche. Technische Geburtshilfe leistete bei Human Line die Blue Window, der Online-Dienst von Telecom PTT, Ringier und der BTM-Gruppe (Berner Zeitung). Blue Window hat das Problem, wei weitem nicht über die Rubriken-Ressourcen der Konkurrenz PressWeb (Tages-Anzeiger, NZZ, Publicitas, Basler Zeitung und Edipresse) zu verfügen.
Human-Line-Geschäftsführer Peter Müller (37) erklärte der SonntagsZeitung erst, es bestünden "keine Verbindungen zu Ringier". Das Konzept sei unbeabsichtigt "durch Indiskretion auf dem Tisch von Ringier" gelandet. Später räumte Müller ein, dass er mit dem Konzern "in Verhandlungen ist, um gewisse Synergien aufzubauen". Müller auf weitere Nachfrage: "Ich bin an Plattformen von Ringier interessiert." Noch konkreter: An Ringier-Homepages, auf denen ein direkter Link zum grössten digitalen Stellenbörse der Schweiz hergestellt wird - wie er auf der "Blick"-Homepage bereits existiert.
Der Ringier-Konzern anderseits dürfte an der Stellenanzeiger-Datenbank von Swiss Human Line höchst interessiert sein: Sie eröffnet ihm mit geringem Aufwand den Zugang zu einem der begehrtesten Anzeigenmärkte.
Human-Line Geschäftsführer Müller ("es wird ein Mehrwert geschaffen") ist sich angesichts des "Anzeigen-Klaus" keiner Schuld bewusst. "Minutiöse Abklärungen eines der profundesten Professoren der Schweiz" hätten keine Rechtsverletzung ergeben. Die Identität des Rechtsberaters wollte er nicht preisgeben.
Dagegen schaut Müller schon über den Rechtsstreit hinaus "auch auf die unternehmerische und die technische Schiene", die ohne die wichtigsten Rubriken-Partner der Schweiz aufs Abstellgleis führt: "Ich bin zu Kompromissen bereit."
15. März 1997
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