
Basel erhält erste Schweizer Börse für Risikokapital
Aufschwung für KMU im Technologie-Bereich und neue Arbeitsplätze erwartet
Noch dieses Jahr wird in Basel die erste Börse für Risikokapital ihren Betrieb aufnehmen. Die Promotoren versprechen sich davon einen Aufschwung für neue Technologiefirmen kleiner und mittlerer Grösse, aber auch neue Impulse zur Schaffung zukunftsgerichteter Arbeitsplätze.
Der erfahrene Unternehmer Georg Endress rechnete es vor: "Wenn die Erarbeitung eines Projektes 10'000 Franken kostet, kostet der Prototyp 100'000 Franken, und bis das Produkt in Serie fabriziert werden kann, braucht es eine Million." Dazu kommt die Vermarktung, die nochmals mehrere Millionen kostet.
Solche Zahlen brauchen Jungunternehmer künftig nicht mehr von der Gründung eines Unternehmens abzuschrecken: Mitte dieses Jahres soll am Basler Aeschenplatz, im Gebäude der früheren Basler Börsenkammer, das erste Swiss Venture Capital Center (SVCC) in Betrieb gehen. Das als Verein konstituierte Angebot versteht sich nach den Worten des Präsidenten und Solothurner CVP-Nationalrats Walter Straumann als zentrale Anlauf-, Beratungs- und Kontaktstelle für Risikokapital in der Schweiz.
Service und Börse
Das Zentrum fährt zweigleisig: Zum einen betreibt es ein Dienstleistungszentrum mit vier Funktionsbereichen Information, Projekt-Beurteilung und Beratung, Vermittlung zwischen Investoren und Kapitalsuchenden und Know how für Risikokapital und Spezialfinanzierungen. Zum andern betreibt das Zentrum eine professionelle Börse für Risikokaptial. Nebst Unternehmungen sollen auch Venture-capital-Beteiligungsgesellschaften kotiert werden können, die aus einem Portfolio ausgewählter Venture-Unternehmen bestehen.
Wie am Rande der gestrigen Pressekonferenz in Basel zu erfahren war, liegen dem im Juni letzten Jahres gegründeten Zentrum bereits 120 Projekte zur Vorbeurteilung vor. Die Grössenordnung dessen, was aber in den nächsten Monaten den Sprung an die Börse schafft, bezifferte ein Insider auf fünf bis zehn Prozent. Gefragt seien nicht Gewerbebetriebe, sondern zukunftsweisende Technologiefirmen, etwa aus den Bereichen Biotechnologie, Telekommunikation oder Informatik.
Unterstützung erhielt das Zentrum durch die Basler Regierung, die Räumlichkeiten der einstigen Börsenkammer zur Verfügung stellte. Dagegen ist ein Gesuch um Anfangsfinanzierung in Höhe von 2,5 Millionen Franken aus der Liquidation der alten Basler Börse seit Monaten hängig. Geschäftsführer Rene Kaufmann lakonisch: "Wir sind selber ein Venture-Unternehmen."
An der Börse sollen anfänglich Schweizer Titel gehandelt werden, später ist eine Expansion in ausländische Venture-Gesellschaften - beispielsweise Biotech-Firmen im Dreiländereck - möglich. Um möglichst hohe Transparenz und das Vertrauen der Anleger zu erlangen, gelten strenge Informationsnormen in Form halb- oder vierteljährlicher Berichte. Zudem muss die Börse zum Schutz der an Kapitalgewinn interessierten Investoren vorschriftsgemäss eine Ueberwachungsorganisation aufbauen.
Damit die Betriebe im internationalen Wettbewerb auch künftig bestehen können, verlangte Vorstandsmitglied Robert A. Jeker ein "eigentliches Reengineering" der Wirtschaft und "Unternehmer mit dem Pioniergeist des letzten Jahrhunderts". Gefordert seien vor allem die Klein- und Mittelunternehmen, die 80 Prozent der arbeitenden Bevölkerung beschäftigen und allein letzten Jahr rund 20'000 neue Arbeitsplätze schufen. Diesen Bereich gelte es mit guten finanziellen und politischen Rahmenbedingungen für die kommenden Herausforderungen zu rüsten.
Kritik an Angst-Mentalität
Schonungslos kritisierten die SVCC-Gründer - im Unterschied zu den Gewohnheiten in den USA und Kanada - die mangelnde Risikobereichtschaft sowohl hiesiger Banken wie auch innovativer Unternehmer und schliesslich der Anleger. Beispielhaft sei der Beschluss des Schweizerischen Bankvereins, 50 Millionen Franken in einen Risikokapitalfonds zu investieren. Um die Risikokapital-Börse voll zur Geltung zu bringen, müssten aber erschwerende steuerliche Hindernisse wie die Doppelbesteuerung von Aktiengesellschfts-Gewinnen oder die dreiprozentige Emissionsabgabe aufgehoben werden. Auch biete der Staat zuwenig Förderungs- und Betreuungsprogramme im Technologiebereich, bemängelte Jeker.
Dass auch auf politischer Ebene schon bald einiges in Bewegung kommt, machte der Basler FdP-Nationalrat und Novartis-Kadermann Johannes Randegger deutlich: So will die Kommission für Wirtschaft und Abgaben Investitionen in Risikokapital steuerlich begünstigen. Laut einer FdP-Motion sollen aber auch die Venture-Unternehmen vom Emissionsstempel und von jeglicher Ertrags- und Kapitalsteuer befreit werden.
25. Februar 1997
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