
Brandheisser Sondermüll-Vertrag
Millionen-Zahlungen führen zu Streit zwischen beiden Basel und Novartis
Der Sondermüll-Ofen des Chemiekonzerns Novartis wird für die beiden Basler Halbkantone zum Alptraum: Staatsgelder in Millionenhöhe versanden, weil der Hightech-Anlage häufig stillsteht. Jetzt streiten die Partner um einen neuen Vertrag.
Ueblicherweise begegnen sich die Novartis-Spitze und die Regierungen der beiden Basler Halbkantone im klimatischen Sonnenschein. Nicht so, wenn es um die Kosten des neuen Novartis-Sondermüllofens geht.
Grund ist ein Vertrag, den die Kantone auf eine Dauer von zehn Jahren mit der Novartis-Vorgängerin Ciba abschlossen: Weil im 120-Millionen-Bau aus den beiden Basel viel weniger Sondermüll anfällt als noch vor wenigen Jahren angenommen, müssen die Halbkantone jetzt Risikogarantien in Höhe von jährlich über sechs Millionen Franken zahlen - eine immense Summe, gemessen am Zustand der Staatsfinanzen. Nicht einmal die Betreiberin kann ihr selbstdeklariertes Kontingent erbringen. Folge: Der Ofen fährt auch der auf Kostensenkung getrimmten Novartis Jahr für Jahr schmerzliche Millionenverluste ein. Statt 16'000 Tonnen wurden letztes Jahr nur 10'000 Tonnen Sondermüll verbrannt.
Dass die Anlage nur 60 Prozent ihrer Leistung erbringt, ist auch darauf zurückzuführen, dass sich in den letzten Jahren Konkurrenz im eigenen Hause auftat: Der Novartis-Sondermüllofen in Schweizerhalle akquiriert Lösungsmittel zu deutlich tieferen Preisen als das technologische Juwel in Basel. Folge: Die Lösungsmittel aus dem Baselbiet landen zumeist im völlig ausgelasteten Ofen von Schweizerhalle.
Wie die kommerzielle Misere gelöst wird, ohne dass sie auch als Politikum Schaden anrichtet, soll in den nächsten Monaten geklärt werden. Seit über einem Jahr verhandelt Novartis mit den beiden Kantonen über einen neuen Verteilschlüssel. Die Konfliktbewältigung ist hoch angesiedelt: Gesprächspartner der staatlichen Unterhändler ist Kaspar Eigenmann, innerhalb des Novartis-Konzerns zuständig für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt. Deswegen in ständigem Kontakt steht er mit Konzernleitungsmitglied Hans Kindler, dem Leiter der Novartis Services. Selbst die Konzernchefs Alexander Krauer und Daniel Vasella sollen sich um das Schicksal der verlustreichen Prestige-Investition sorgen.
Fabia Beurret-Flück, der Leiterin des Rechtsdienstes des Basler Baudepartementes, und Jürg Hofer, dem Leiter der Baselbieter Stabsstelle für Umweltschutz, tritt der Novartis-Verantwortliche laut einer vertrauten Quelle als "fairer, aber knallharter Verhandler" entgegen. Kaspar Eigenmann zur SonntagsZeitung: "Dass dies grundsätzlich für alle eine unerfreuliche Situation ist, ist allen klar."
Ob und wie weit Novartis den beiden Kantonen entgegenkommen will, möchte Eigenmann "nicht in der Oeffentlichkeit diskutieren". Auch die staatlichen Vertreter schweigen, das Thema ist brandheiss. Nach Informationen der SonntagsZeitung drängen die beiden Kantone auf eine Vereinbarung von berechenbaren jährlichen Fixkosten in Höhe von höchstens rund fünf Millionen Franken. Ein Insider: "Dieser Betrag ist ganz klar das Maximum dessen, was die Kantone zuzugestehen bereit sind." Novartis dagegen soll gegen sieben Millionen verlangen.
Schon fragen sich Branchenkenner, "wie lange dieser Ofen noch in Betrieb stehen wird". Eigenmann: "Wir machen uns Gedanken, wie wir uns besser in den Abfallmarkt integrieren können." Die Frage, ob eine Stillegung oder ein Verkauf mit Verlust als Option in Frage kämen, dementierte Eigenmann jedenfalls nicht ausdrücklich.
12. September 1997
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