
Fritz Gerbers erster Schritt in den Ruhestand
Franz Humer wird neuer Chef der Roche-Konzernleitung
Rochade an der Spitze des Basler Pharmakonzern Hoffmann-La Roche: Fritz Gerber (68) übergibt die Konzernleitung an Pharma-Chef Franz Humer, bleibt aber noch Präsident des Verwaltungsrates.
Seit 20 Jahren prägt der gebürtige Emmentaler als Präsident des Verwaltungsrates und Vorsitzender der Konzernleitung die sprunghafte Entwicklung des Pharma-Giganten. In den vergangenen Monaten aber verdichteten sich die Anzeichen, dass Gerber seinen geordneten Rückzug fortsetzen wird, der sich bereits mit der Abgabe des Präsidiums der "Zürich"-Versicherungen vor drei Jahren andeutete.
Neuer Vorsitzender der Konzernleitung wird per 1. Januar 1998 Franz Humer, der als Chef der Division Pharma der Geschäftsleitung schon angehört. Diese Division wird der 51jährige Humer auch künftig leiten. Neu in die Konzernleitung stösst Kuno Sommer (41), bisheriger Chef der Givaudan-Roure-Gruppe. Sommer wird neuer Vorsitzender der Division Riechstoffe und Aromen und löst damit Jean Amic ab, der noch bis Ende 1998 die Leitung der Subdivision Riechstoffe beibehalten und neu das Vizepräsidium von Givaudan-Roure übernehmen wird.
Mit Gerbers Rücktritt von der wichtigsten operativen Führungsposition schliesst sich auch ein Kapitel Erfolgsgeschichte von Roche. Unter dem Sohn eines Schreinermeisters erlebte das Familienunternehmen nicht nur die grösste Umsatzexplosion seines 100jährigen Bestehens. Seit Gerber 1978 von den "Zürich"-Versicherungen zu Roche stiess, multiplizierte sich die Börsenkapitalisierung von gut sechs auf 125 Milliarden Franken um das Zwanzigfache. Gleichzeitig übernahm Gerber von seinem Vorgänger Adolf Jann die akuten Altlasten aus dem Skandal von Seveso und zudem ein zum Gemischtwarenladen verkommenes Unternehmen, dessen Umsatzrendite innerhalb von fünf Jahren von 12 auf 4,2 Prozent gesunken war.
In seiner Funktion als Bindeglied zu den Besitzerfamilien Hoffmann, Oeri und Sacher führte Gerber den Konzern mit entschlossener Hand, Umsicht und treffsicherem Instinkt bei der Besetzung wichtiger Positionen. Er straffte die Divisionen mit rigider Kerngeschäftsstrategie und lancierte schon 1990 mit der Milliarden-Akquisition des weltweit grössten Biotechkonzerns Genentech eine Wachstumspolitik, die später auch Sandoz und Ciba adaptierten. Danach folgten die Uebernahmen des amerikanischen Schmerzmittel-Multis Syntex und - dieses Jahr - des deutschen Diagnostikkonzerns Boehringer Mannheim. Die für den Boehringer-Deal nötigen 15 Milliarden Franken legte Roche bar auf den Tisch.
An Franz Humer, Gerbers Nachfolger an der operativen Konzernspitze, stellen sich dennoch grosse Herausforderungen. Der gebürtige Oesterreicher und frühere Glaxo-Chef, mit einer Schweizerin verheiratet, gilt zwar ebenso als solider Rechner und eiskalter Entscheider. Doch der Karriere-Komet muss Roche in einem knallharten Wettbewerb behaupten. Zugleich führt der promovierte Jurist in seiner "sehr, sehr schönen Pipeline von neuen Produkten" auch Schwerenöter: So musste Roche kürzlich das Zulassungsgeruch für die bereits als "sensationell" und "milliardenträchtig" gefeierte Schlankheitspille "Xenical" in den USA wegen Krebsverdachts zurückziehen.
Wie weit Verwaltungsratsmitglied Humer schon als Kronprinz zur dereinstigen Besetzung des Präsidiums vorgesehen ist, ist in Basel noch offen: Vizepräsident Rolf Hänggi (52), erfahren als "Zürich"-Finanzchef, gilt ebenso als aussichtsreicher Anwärter.
1. Oktober 1997
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