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Londoner Danzas-Revoluzzer wollte Schweizer Professor einspannen

Wie Nicholas Berry den Verwaltungsrat des Speditionskonzerns auf eine neue Route zwingen will

Der Londoner Financier Nicholas Berry wollte den St. Galler Wirtschaftsprofessor Cuno Pümpin in die Palastrevolution gegen den Danzas-Verwaltungsrat einspannen. Sein in jüngster Zeit requirierter Kampfkumpane Sir Michael Edwardes ist zweite Wahl.

Wenn sich die gewöhnlich gut hundert Aktionäre des Basler Speditionsmultis Danzas unter Ausschluss der Oeffentlichkeit zur Generalversammlung trafen, herrschte nach Angaben eines Kenners so etwas wie ein "familiäres Ambiente". Am kommenden 14. Juni, beim diesjährigen Eignertreffen, wird Hochspannung herrschen und ein Thema jedes andere dominieren: Der Versuch der zwei Londoner Businessmen Nicholas Berry und Sir Michael Edwardes, gegen den Willen der Führung den Verwaltungsrat des Weltkonzerns zu stürmen.

Drahtzieher der Kampfwahl ist der 53jährige Finanzmann Berry. Ueber seinen Stancroft Investment-Trust, der ihm zu 75 Prozent gehört, und über sein privates Portfolio hält er 12'940 Danzas-Aktien oder knapp 3,3 Prozent des Aktienkapitals. Berry behauptet aber, die Unterstützung von 20 Prozent der Teilhaber zu geniessen. Eine "zunehmende Zahl" ausländischer Danzas-Aktionäre empfinde es als störend, dass sie im Verwaltungsrat nicht vertreten sei.

Berry, Sohn des früheren "Daily Telegraph"-Besitzers, ist Neuling im Kreise der Danzas-Eigner: Erst letzten Sommer deckte er sich zu günstigem Kurs mit den unterbewerteten Papieren ein. Zielstrebig stellte er Machtansprüche: Bei einem ersten Treffen letzten Herbst in Basel gab der smarte Geschäftsmann gegenüber Danzas-Präsident Peter Gross gleich den Tarif durch. Er habe, eröffnete ihm Berry, einen Sitz im Verwaltungsrat im Visier, um die Aktionärsinteressen wirkungsvoller zu vertreten.

Als der Danzas-Boss diesem Ansinnen mit einem Maximum an Lustlosigkeit begegnete, kam der St. Galler Wirtschaftsprofessor Cuno Pümpin ins Spiel. Von einem Londoner Freund - zugleich ein Bekannter Berrys - wurde Pümpin angefragt, ob er die Sache mit Gross "einrenken" könne. Pümpin zur SonntagsZeitung: "Da ich Herrn Gross kenne, tat ich es als Freundesdienst."

Berry war dies nicht genug. Bei dem vom Schweizer Vermittler arrangierten Treffen mit Gross Ende letzten Jahres schlug der Mann aus London vor, er wolle zusammen mit Pümpin in den Verwaltungsrat. Doch der St. Galler Hochschullehrer war angesichts der über einem halbend Dutzend eigenen VR-Mandate weder auf den Danzas-Posten noch auf die Rolle des renommierenden Erfüllungsgehilfen scharf: "Ich war extrem zurückhaltend, weil ich über alle Ohren beschäftigt bin. Hätte mich der Verwaltungsrat angefragt, hätte ich dies geprüft."

Die Anfrage von Danzas freilich blieb aus - nicht aber jene Berrys. Als der Londoner Eigner im Hinblick auf die kommende Generalversammlung seine Strategie ausheckte, ging er Pümpin bezüglich einer Zweierkandidatur nochmals konkret an. Doch der solchen Querelen abholde Wissenschafter liess sich nicht in den Lotussitz der aus London gesteuerten Kampfmaschine spannen: "Ich hätte Berrys Wahlchancen sicher erhöht. Aber als Kampfkandidat stehe ich nicht zur Verfügung."

Erst vor drei Wochen betrat Berrys neuer Kumpane offiziell das Parkett: Sir Michael Edwardes, ein im Empire bekannter Südafrikaner, der es vom Sohn eines Garagenbesitzers zum Chef über den Automobilkonzern British Leyland gebracht hatte. Edwardes schloss in seiner fünfjährigen Tätigkeit an der Spitze des hoffnungslos veralteten Unternehmenskolosses reihenweise Fabriken, baute über 80'000 Stellen ab und zerschlug die Gewerkschaften im Betrieb.

Mit seinem eisernen Regime brachte er nicht nur die Streiks zum Verschwinden. Er erhöhte auch die Produktivität und ebnete den Weg zum erfolgreichen Jaguar-Spin-off. Gleichzeitig aber sank der Automarktanteil von British Leyland rapide.

Ob Edwardes Danzas-Aktien besitzt, ist unbekannt. Sicher dagegen ist, dass die Konzernspitze erst vor wenigen Wochen zum erstenmal erfuhr, dass der Top-Manager im Pensionsalter ihrem Verwaltungrat nächstens Gesellschaft leisten will. In diesem Gremium gedenken die beiden Briten, das Aktienkapital zugunsten der Aktionäre zu restrukturieren, die Stimmrechtsbeschränkung auf sieben Prozent des Aktienkapitals aufzuheben und das leitende Management an einem "längst fälligen" Aktienoptionsplan zu beteiligen.

Danzas, so die bissige Kritik aus London, habe bisher unter der Passivität der Aktionäre gelitten und die Ziele selbst bestimmt. Folge: Mickriger Ertrag, ungenügende Dividende und tiefe Aktienkurse.

Die Kampfkandidatur, von einem Danzas-Gewährsmann als "Frechheit" bezeichnet, geht auf Konfrontation mit dem Kurs der Verwaltungsrates, der den äusserst schleppenden Geschäftsgang (6 Mia. Franken Umsatz, 6 Mio. Franken Gewinn) mit einem tiefgreifenden Zwei-Jahres-Programm restrukturieren will: Bis Ende 1997 sollen gegen 2'000 der 17'000 Stellen abgebaut und der Ertrag um 100 Millionen Franken erhöht werden.

Von neun auf acht Mitglieder gestrafft werden soll an der kommenden Generalversammlung auch der Verwaltungsrat: Vier Rücktritte, drei Neubesetzungen. Ausstattung mit ertragsfördernder Sachkompetenz und Verjüngung des Aufsichtsgremiums sind weitere Ziele. Wenn nun aber Verwaltungsräte mit Jahrgängen von 1932 bis 1937 ausschieden, sei der Eintritt von Sir Michael Edwardes mit Jahrgang 1930 ein "Witz" (so ein Insider). Seine Verwaltungsratsmandate in England, Holland, Südafrika, USA und Bermuda werden in der Basler Konzernzentrale zur Kenntnis genommen. Gefragt seien aber Leute wie die vorgeschlagenen Hans-Peter Brändli, Christoph Schoeller und Alberto Togni, "die in allen Kontinenten zu Hause sind, geschäftsorientiert denken und uns neue Geschäfte bringen können". Gross: "Insbesondere Berry bringt uns bezüglich Fachwissen und Interesse an unserem Gewerbe nichts."

Was die Danzas-Spitze am meisten nervt: Die geplante Stürmung des Verwaltungsrates finde zu einem Zeitpunkt statt, in dem sich Mitarbeiter und Kunden mit der "neuen Danzas" zu identifizieren begännen. Berry und Edwardes dagegen - so der verbreitete Eindruck - gehe es gar nicht um die Spedition und Transport: Die hätten es schlicht auf die Kasse abgesehen. Nicholas Berry wolle als "Robin Hood für Minderheitsaktionäre" (so eine interne Einschätzung) zielstrebig auf die Vermehrung seines auf 50 Millionen britische Pfund geschätzten Vermögens hinarbeiten.

Die Konzernzentrale bemüht sich, ruhig Blut zu bewahren und vertrauensvoll die "Aktionärsdemokratie spielen" zu lassen. Investor Berry, dem überbezahlte Manager ein Greuel sind, wird aber - so oder so - kaum schnell klein beigeben: Der Besitzer eines Schlösschens in Frankreich gilt gleichzeitig als Bonvivant wie als zäher Verfechter des Aktionärsnutzens; zur Londoner Finanzwelt unterhält er beste Beziehungen. Der Sprung aufs europäische Festland wäre sein bisher grösster Coup.

Würde Peter Gross zurücktreten, wenn die Aktionärstreue den Angriff aus dem Norden nicht zu vereiteln vermöchte? In einem oder höchstens zwei Jahren will der 65jährige Danzas-Steuermann sein Präsidium ohnehin zur Verfügung stellen. "Einfach zu verschwinden" verbietet dem früheren Generalstabsobersten das militärische Ethos: "Erst wenn der Turnaround klar erkennbar ist und eine gewisse Nachhaltigkeit hat, kann ich mit Anstand abmarschieren."

18. Mai 1996

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