
Frostiges Klima für Oeko-Versandhandel
WWF reduziert ehrgeizige Wachstumsziele und setzt jetzt auf Ertragssicherung
Nicht nur der traditionelle Versandhandel liegt darnieder. Auch die Oeko-Branche spürt die Konsumflaute: Die Anbieter melden Umsatzeinbrüche, Gewinnrückgang oder gar Verluste.
Es herrschte der grosse Oeko-Boom, als der WWF Schweiz zu Beginn der neunziger Jahre Thomas Holenstein als Berater beizog. Der Marketing-Spezialist verordnete der damaligen Handelsabteilung - seit Juli 1994 in der WWF Panda SA ausgegliedert - eine Wachstumsspritze: Innerhalb von fünf Jahren, so sein Ziel, soll die Verkaufssparte 30 Millionen Franken Umsatz erreichen. Entsprechend ist die Verpackungsstrasse dimensioniert.
Heute steht fest: Das Plansoll war utopisch. Zwar stieg der Umsatz aus Versandhandel und den 36 regionalen Verkaufsläden erneut um 1,5 Millionen auf 17,5 Millionen Franken. Aber die Lizenzabgaben an die Muttergesellschaft zur Finanzierung ihrer Kernaktivitäten sanken von 300'000 auf 100'000 Franken. In den besten Jahren waren es 750'000 Franken - allerdings ohne genaue Kostenabgrenzung.
Jetzt hat der Panda-Versand seine Ziele radikal korrigiert, wie WWF-Panda-Geschäftsleiter Jean-Claude Heimo bestätigt: "Allererste Priorität hat die Sicherung des Ertrags." Denn nichts fürchten die grünen Händler mehr als die Perspektive eines Geschäfts, das durch Mitgliederbeiträge über Wasser gehalten werden müsste.
"Es war ein ganz hartes Jahr", bilanziert der einstige Jelmoli-Mann Heimo: Letzten Herbst kam es zu einem eigentlichen Einbruch: Das Geld floss auch der ökologisch sensiblen Kundschaft nicht mehr so leicht aus der Hand. Heimo: "Es ist heute schwieriger, die Leute zum Kauf zu bewegen." Grund für die Panda-Manager, Gegensteuer zu geben: Statt zwei werden jetzt vier Kataloge jährlich verschickt, was die Kosten erhöht und die Lizenzmarge schmälert. Allein 1,3 Millionen Franken, zehn Prozent des Umsatzes, gehen als Portokosten an die Post.
Auch das Versandhaus Köppel spürte vergangenes Jahr die Konsumflaute in Form stagnierenden Umsatzes. "Wir haben zwar eine feste ökologisch bewusste Kundenschicht. Aber es wird nur noch gekauft, was wirklich auch gebraucht wird", sagt Mitarbeiterin Silvia Matt.
Noch stärker erwischte es den Naturel Versand Bekleidung. Das Kleinunternehmen, das schon vor 14 Jahren in den Textilversand einstieg, verlor letztes Jahr 30 Prozent Umsatz (1995: 1,2 Millionen Franken) und legte 70'000 Franken drauf. Chef Ruedi Kuhn macht deutlich, dass sein Job kein Honiglecken ist: "In der Privatindustrie verdiente ich dreimal so viel wie heute bei einer 70-Stunden-Woche."
Die Greenpeace News&Products AG, die 2,2 Millionen Franken via Versand und 650'000 Franken im Zürcher Laden umsetzt, verzeichnete zwar ein Verkaufsplus von 20 Prozent. Doch Geschäftsführer Michael Goertz ist sich bewusst, dass Kasseklingeln in seinem Versandgeschäft sehr eng mit politischen Erfolgen und Medienpräsenz von Greenpeace zusammenhängt. Die Affäre um die Borinsel Brent Spar war beste Werbung für die Sache und Sachen der Umweltkämpfer.
Auffällig: Als schärfste Konkurrenten im Oeko-Geschäft gelten nicht Grossverteiler wie Coop ("Natura"), die mehr oder weniger diskret auf die Oeko-Welle aufsprangen. Sowohl Köppel wie Naturel bezeichnen die Schweizer Tochter des deutschen Naturtextilien-Anbieters Hess als ihren gefährlichsten Rivalen.
Hess-Geschäftsführer Ernst Schütz ist denn als Einziger auch guten Mutes: "Den Einbruch können wir nicht bestätigen." Nach seinen Angaben stiegen Umsatz (7,3 Millionen Franken) und Gewinn letztes Jahr um über zehn Prozent. Der umsatzmässig führende Anbieter sanfter Textilien, der dieses Jahr einen ähnlichen Wachstumssprung erwartet, registriert "eine stark wachsende Nachfrage nach Oeko-Kleidern".
Mit seiner Schweizer Geschäftseröffnung vor dreieinhalb Jahren platzte Hess mitten in den Boom. Die Strategie ist aggressiv: Die Herbstkataloge renommierter Anbieter wie etwa Panda oder Naturel nehmen sich wie Junior-Ausgaben dessen aus, was Hess verstreut: Ein 360 Seiten starkes Kompendium pastellfarbiger Haut-Hüllen, die selbst erlesenste Wünsche der sensibler Kunden nicht offenlässt. Mit sechs bis acht Katalogen, als Schweizer Fortdruck der deutschen Ausgabe besonders günstig, spart Hess Kosten und bedrängt gleichzeitig die Konkurrenz mit überdurchschnittlicher Präsenz.
Dafür erscheinen die autonomen Schweizer Anbieter bezüglich ethischem Hintergrund und Marktverantwortung mindestens ebenbürtig: Während sich Konzernboss Heinz Hess in seinem Vorwort in Gemeinplätzen verliert, besteht beispielsweise WWF Panda auf interne Qualitätskontrolle und den Anspruch auf Marktveränderung Richtung nachhaltige und sozialverträgliche Produktion.
Auf seiner heiklen Gratwanderung zwischen Ertragsdruck und ökologischem Anspruch blickt der Panda-Versand vorsichtig optimistisch in die Zukunft: "Diesen Frühling haben wir wieder hinzugewonnen", sagt Chef Heimo, der dennoch die Grenzen des Wachstums spürt: "Früher war es das Ziel der Handelsabteilung, Geld für den WWF zu generieren. Mit unserer konsequenten Qekologisierung und Anforderung an die Produktion ist der Versand wie ein eigenes WWF-Projekt geworden."
Naturel-Chef Kuhn glaubt gar: "Der Boom vom 1992/93 war nur ein Strohfeuer. Der Natur-Trend ist weg."
31. August 1996
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