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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere

"Die Wildente"

Autor: Henrik Ibsen
Regie: Stephan Müller
Mit: Iris Erdmann, Urs Jucker, Vincent Leittersdorf, Markus Merz, Michael Rastl, Thomas Reisinger, Ute Sengebusch, Hans-Rudolf Twerenbold, Susanne-Marie Wrage


Das Drama als Randnotiz


Auf der Bühne steht ein nacktes Stahlgestell mit blendend grellen Neonleuchten: So sieht Bühnenbildner Bernhard Hammer das Wohnatelier der wenig bemittelten Ekdals. Deren kleine Welt wird zerstört als das dürre Männlein Gregers Werle (Leittersdorf), der Sohn des Grosshändlers, eintritt. Weil Gregers seinen so machtbewussten wie zügellosen Grosshändler-Vater verabscheut, und kein anderes Ziel finden kann, will er mit dem Licht des Ideals die väterlichen Untaten tilgen. Also sagt er dem völlig lebensuntüchtigen Fotografen Hjalmar Ekdal (Jucker), dass sein Leben in jeder Hinsicht auf Lüge beruhe. Der alte Werle habe seine Frau Gina (Wrage) missbraucht. Ergo sei Werle auch der Vater seiner Tochter Hedwig (Sengebusch). Werle habe auch das Atelier bezahlt, weil er den alten Ekdal bei einem Betrugsfall geopfert habe. Hjalmar flippt aus. Der Druck des Grosshändlers Werle (Rastl) endet auf diese Weise beim schwächsten Glied: Am Ende erschiesst sich die 14-jährige Hedwig.

Grandios knüpft Ibsen das Netz aus wirtschaftlichen, standesgemässen und psychologischen Abhängigkeiten zusammen. Er fragt, wer hält es wie mit dem Ideal. Im Hause des Grosshändlers ist das Stück Gesellschaftssatire, bei Ekdals ist es beinahe Kammerspiel. Zäh führt Ibsen alles zur Konsequenz.

Die Zähigkeit dieser Wildente hat Regisseur Stephan Müllers Courage geraubt. Er zog es vor, sie dem Basler Publikum gleich als Instant-Suppe zu servieren. Das Drama der armen Familie Ekdal: Es flutscht in 90 Minuten durch wie eine bedauerliche Randnotiz. Zur Anteilnahme fehlt der Hintergrund, zur Tiefe der weitere Zusammenhang. Müller hat alles grosszügig gestrichen, was das brutale Abhängigkeits- und Sitten-Geflecht ausbildert, und damit auch 70 Prozent des Fünfakters.

Dabei ging aber arg viel Substanz verloren. Beispiel: Das für dieses Stück so wichtige Standesbewusstsein. Geblieben sind lediglich die Rumpfgeschichte und psychologische Grundmotive. Aber auch damit war Stephan Müller noch nicht recht zufrieden: Seinem Ensemble mochte er nur politisch korrekte "heutige" Motive zumuten. Warum musste es denn eben dieses Stück sein?

13. November 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
*** sehenswert
** nun ja
* ärgerlich

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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere

"Der Bus"

Autor: Lukas Bärfuss
Regie: Albrecht Hirche
Mit Susanne Abelein, Johanna Bantzer, Wolfgang Brumm, Anne-Marie Kuster, Steven Scharf, Aljoscha Stadelmann, Uta von Frankenberg, Patrick Wymann


Bus ins Nirgendwo


Ein Albtraum, dieser Abend. Wo sind wir da hingeraten? Die junge Pilgerin Erika erwacht im falschen Bus. Irgendwo unterwegs hat er angehalten, nachts, in einem Waldstück. Der infantil-animalische Psycho von Bus-Chauffeur Herrmann (Scharf) will wissen, was sie in seinem Bus tut und spitzt ihr beim Vater-Unser-Beten einen Nagel durch die Hand. Sie müsse dringend zur schwarzen Madonna ins polnische Tschenstochau. Statt dessen beschliesst die böse Bus-Gesellschaft, ihr den Kopf einzuschlagen. Aber soweit kommt es nicht. Die Gesellschaft stürzt in eine Schlucht, vielleicht gewollt. Beim Alkoholiker Anton besäuft sich die stramme Christin.

Die Uhr oberhalb des Bühnenhimmels zählt die zwei tonnenschweren und pausenlosen Bühnenstunden ab, in denen uns Autor Bärfuss und Regisseur Hirche erschrecken wollen. Chauffeur Herrmann erhängt sein Ebenbild. Stühle krachen vom Himmel auf die Erde. Im Bühnenhintergrund liegt ein Toter. Im Bus schreit ein Schwerstkranker, ausser sich vor Schmerz, den nur noch die Entsetzens-Visionen der Offenbarung von Johannes besänftigen können. Das Jesus-Girlie Erika (Bantzer) ist vom lauten Sendungsbewusstsein der ehemaligen Heroin-Abhängigen durchdrungen. Verführerisch tanzt sie ihrem Gott: Ihr Glaube ist nichts als selbstischer Genuss.

Zum Ende steht „INRI“ in der Uhr geschrieben. Erika hat Tschenstochau erreicht, als Mohammedanerin. Eine Christin neben ihr vibriert in Verzückung, Hass und Neid über die Islamisten.

Die (jetzige) Welt als düsterer Traum: Jederzeit kann alles kippen, vom Guten zum Bösen, scheinbar ohne Anlass, unablässig wird die Erika vom einen zum nächsten Ort verschlagen, erreicht aber nie das Ziel, und weder Wille noch Wünsche beeinflussen das Geschehen günstig.

Hirche hat den Bärfuss-Text gestrafft, verspielte Stellen gestrichen, aber das Stück mit teilweise barocker und katholischer Symbolik „beschwert“. Wollte er uns über deren Macht aufklären? Aber das ist nur eine von vielen Fragen. Der Applaus klang unsicher. Regisseur Hirche erhielt sogar vereinzelte Buhrufe.

11. November 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
*** sehenswert
** nun ja
* ärgerlich

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Theater Basel, Klosterberg 6
Schweizer Uraufführung

"Die Dummheit"

Autor: Rafael Spregelburd
Regie: Rafael Sanchez
Mit Susanne Abelein, Wolfgang Brumm, Victor Calero, Daniel Nerlich, Lilly Marie Tschörtner


Abgründe, modisch verpackt


Was? Nur fünf Schauspieler haben dieses ganze Theater gemacht heute Abend? Die zwei Stunden Unfug mit Pause scheinen einem dauernd neue himmelschreiende Schicksale um die Ohren zu wirbeln. Vor der "Dummheit" ist niemand gefeit: In Spregelburds böse, neue TV-Soap-Welt passen alle, vom Professor bis zum Kleinbürgerdummchen. Mit jedem der rasanten Rollenwechsel stürzen die Akteure gleichsam in eine neue Wendung der katastrophalen Abwärtsspirale. Die Gier nach Geld ist das Elend, zeigt uns der argentinische Autor Rafael Spregelburd mit diesen 24 Männern und Frauen "am Rande eines Nervenzusammenbruchs".

Und wer jetzt an Film denkt, denkt wie Regisseur Rafael Sanchez. Er hat sich nach Belieben kostenfrei bedient bei Almodovars Sentimentalität, Altmans Satire, Tarantinos stumpfer Drastik. Deren Stile, deren Blick auf unsere Gesellschaft: Das ist die politische Korrektheit seines Abends.

Stilsicher aus einem Tarantino könnte das temperamentvolle Gangsterpaar in schwarz stammen, das potentiellen Käufern mit irrer Theorie und unterschwelliger Drohung ein völlig wertloses Bild aufschwatzt. In das bizarre Reich Almodovars rückt Sanchez die beiden schwulen Polizisten oder den jungen, arbeitslosen Schauspieler mit seiner debil lallenden Schwester im Rollstuhl. Wie Altman überzeichnet er satirisch jene 5-köpfige Kleinbürgergruppe, die jeden Abend Würstchen brät und im Casino 151 Dollar mit Gruppentaktik herausholen will.

Diese Stilisierungen liefern Sanchez tausend Argumente für tausend lustige Details, mit denen er das Premieren-Publikum zum Tränen Lachen brachte. Insgesamt aber ist Sanchez Inszenierung eine modische Pop-Verpackung. Da und dort spannts, weils nicht passt. Auch daraus kann er Lacher generieren. Aber nur selten vermag er mit den Abgründen, die Spregelburd vorführt, zu erschrecken. Immerhin gings dem Autor um die Todsünden in den Bildern Hieronymus Boschs.

Das Ensemble wollte am Premieren-Abend zeigen, was es kann, und ging enthusiastisch zu Werke. Das Publikum applaudierte lange.

22. Oktober 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
*** sehenswert
** nun ja
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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere

"Emilia Galotti"

Autor: Ephraim Gotthold Lessing
Regie: Alexander Nerlich
Mit Rahel Hubacher, Jörg Schröder, Chantal Le Moign, Vincent Leittersdorf, Christoph Müller, Steven Scharf, Katja Jung


Die Schauer-Burleske


Das Publikum trampelte nach den zwei Stunden. Wer sass drin? Die eine Hälfte davon stellte das Haus: Mehrere Regisseure, viele Schauspielerinnen und Schauspieler plus viele merkbar Anverwandte. Eine Insinder-Stimmung, so aufgeräumt wie die Maturfeier. Gelacht wurde nicht über den Orlando, sondern weil der Kollege Jörg Schröder dabei so niedlich brummig ist. Die dicke Einhelligkeit war geradezu erstickend.

Die Klamotte auf der Bühne bediente die Stimmung zur vollen Zufriedenheit. Schon zu Beginn gab’s Slapstick. Der verliebte Prinz (Leittersdorf) wollte in Dunkelheit von seiner Untertanin Emilia Galotti träumen. Aber sein böser Kammerherr Marinelli (Müller) knipste das Licht immer wieder von Neuem an. Man lachte viel zur Tragödie der Emilia, die Marinelli an ihrem Hochzeitstag aufs Schloss des Prinzen entführen lässt. Es krachten bald Türen, Theaterblut spritzte, Ohrfeigen klatschten, zu Liebesbekenntnissen flossen Tränen.

Mit Gags hält Jung-Regisseur Nerlich den Betrieb im Guckkasten aufrecht. Aus Lessings delikatem Trauerspiel hat er eine deftige Schauer-Burleske in der Jetzt-Zeit gemacht, die gar oft an einen Schwank erinnerte. Absichtlich scheint er darauf verzichtet zu haben, Innenbewegungen zu differenzieren. Tränen sind halt Tränen, Aussagen sind halt Aussagen, ob wahr oder gelogen.

Tiefer gehende Motivationen sind bei Nerlich kaum zu bekommen. Wir erfahren einfach vom Schurkenstück Marinellis, der den Verlobten Emilias erschiessen lässt. Was genau er sich davon verspricht, wenn er dem Prinz Emilia in die Hände gibt, erleben wir nicht. Lessings Persönlichkeiten sind bewusst zu Figuren herunter standardisiert. Marinelli ist ein gesichtsloser Opportunist. Gräfin Orsina ist eine geschwängerte Verlassene. Emilia ist eine Pubertäts-Göre, ihr Verlobter Graf Appiani ein Jungspund. Punkt. Damit ironisiert Nerlich die ganze Aufführung.

Unklar bleibt so auch, wie der Schluss gemeint ist, wo Emilia ihren Vater dazu provoziert, sie zu töten.

2. Oktober 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere

"Onkel Wanja"

Autor: Anton Tschechow
Regie: Stefan Pucher
Video: Heta Multanen
Musik: Jürg Kienberger
Mit Klaus Brömmelmeier, Jürg Kienberger, Barbara Lotzmann, Dieter Montag, Sebastian Rudolph, Bettina Stucky, Susanne-Marie Wrage


Hier ist sich keiner ein Geheimnis


Ist das hässlich alles: Die Camping-Stühle, der Wodkasuff und die Lustlosigkeit. Ja, mitten im Stück kommen sogar die Bühnenarbeiter, bauen lärmend das ganze Dekor ab und rollen das Parkett weg. Jetzt streiten Onkel Wanja und seine Verwandten halt vor der schwarzen Bühnenwand um den Verkauf des schlecht bewirtschafteten Familien-Landguts. Am Ende sitzen die Bühnen-Helden auf dem Basler Centralbahnplatz und warten stumpf auf das Tram – riesig videoprojiziert auf den halbrunden Bühnenhintergrund. Wir sind also direkt gemeint.

Es ist eine Endstation, die Regisseur Stefan Pucher im Schauspielhaus zelebriert, ein Endspiel gestrandeter Figuren, wie sie sich mit halbherzigen Kapriolen über ihren zähen Alltag bringen. Der alte Professor Serebrjakow hat eine junge, schöne Frau, Jelena, in die sich alle Männer verlieben. Seit das Paar auf dem familiären Landgut lebt, ist das Leben nicht mehr ordentlich. Der etwas zynische Arzt Astrow wartet jetzt jeden Tag auf, vernachlässigt seine Kranken und seine Baumschule, und er trinkt. Auch der verzweifelte Onkel Wanja, der mit Sonja das Landgut unterhält, steht erst am Nachmittag auf, nachdem er die Nacht durchgesoffen hat.

Gelegentlich singt die Gesellschaft einen Blues, wenn sie nicht gerade zankt, weint oder schreit. Ja, schreit. Tschechows höchst delikates Netz alter familiärer Verletzungen, Komplexe und Hoffnungen verbindet hier im Schauspielhaus eine ziemlich derbe Bande. Jelena (Wrage) fasst dem Arzt Astrow (Rudolph) schon mal entschieden in den Schritt. Die sanfte Sonja (Stucky) ist eine brutale Dampfwalze. Ein wirklicher Jammer aber ist es, dass das ganze Ensemble schon zu Beginn mit entschlossener Miene auftritt, das einmal aufgefundene Rollenbild möglichst linear durchzuziehen. Hier ist sich keiner ein Geheimnis. Aber davon handelt das Stück: Es ist ein Drama der inneren Potenziale.

Dafür sind bei Pucher die Leute nicht nobel leidend, sondern werden als Egoisten aufgezeigt, die auf ihre nächstliegenden Interessen nicht verzichten wollen. Das Publikum applaudierte lange und warm.

24. September 2005

Wertung ***


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Theater Basel, Zivilschutzräume
Uraufführung

"Schutzraum"

Eine freiwillige Begehung

Von Ruedi Häusermann

Mit Johanna Bantzer, Zbigniew Bryczkowksi, Iris Erdmann, Rahel Hubacher, Urs Jucker, Philipp Läng, Vincent Leittersdorf, Markus Merz, Steven Scharf und 33 Weitere


Schutzraum-Besichtigung


Der Abend nennt sich „freiwillige Begehung“ und kostet regulär Eintritt nach Preisstufe 2. Wir spazieren in Gruppen durch verschiedene Zivilschutzräume des Theaters. Sie sind mit Kostümen, Stühlen und Instrumenten voll gestopft. In jedem Raum gibt’s einen kleinen Vortrag. “730 Personen sollten zwei, drei Monate hier leben können, war die Philosophie in den siebziger Jahren“, erklärt eine Schauspielerin. “In diesem Dieseltank haben 20´000 Liter Platz“, heissts anderswo. Oder: “Hier wäre also die Küche.“ Aha.

Auch ein Trocken-Klo wird ganz genau erklärt, und zum Finale gibt’s eine kurze Vorführung über das Leben im Zivilschutzraum, wie hier korrekt defäkiert, geschlafen und gegessen wird.

Irgendwann begreift auch der letzte Holzbock: Das ist doch alles ironisch gemeint, denn diese Schutzräume wurden extra für diese Begehung hergerichtet, als Fundus-Räume, als Schneiderei oder als Ton-Studio. Und während unserer Begehung wird immer extra geschneidert und werden immer extra die Klaviere gestimmt, damit wir dran vorbei gehen und diese Vorgänge für Alltag nehmen. Auch der kleine Lichtausfall in der Luft-Schleuse: extra.

Gewiss, das muss jetzt eine sogenannte lebende Plastik sein! So muss man das verstehen, denn diese Begehung ist in Tat und Wahrheit ein bis auf das letzte Geräuschchen durchinszeniertes Programm, eine richtige Raum-Musik-Theater-Komposition von Ruedi Häusermann („Valentin“, „Walser“). Häusermann zieht uns auch in der Zeit „zurück“, in die siebziger Jahre, mit Dia-Bildern vom Bau des Hauses und mit der betont musealen Vortragsweise.

Und dann gibt es ja auch noch die Bedeutungs-Ebene: Erstmals bekommen diese Zivilschutzräume ihre wirkliche Funktion, indem sie ein Parallel-Leben zur wirklichen Welt darstellen. Genial, wirklich …

Eine Stunde dauerts.

19. September 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung

"Die Schöpfer der Einkaufswelten"

Quasi-maoistisches Lehrstück nach dem Dokumentarfilm von Harun Farocki

Fassung: Tom Kühnel und Jürgen Kuttner
Regie: Tom Kühnel
Mit Urs Bihler, Jürgen Kuttner, Katja Reinke, Thomas Reisinger, Suse Wächter, Xinghua Zhu


Kommunistische Klobürsten


Totenköpfe fahren auf dem roten Fliessband auf die Bühne und fallen am Ende runter. Klopp-di-Klopp machts. So still ist es im Publikum nur gerade an dieser Stelle. Sonst wird gewiehert. Der Abend ist so blöd, dass nur wer lacht, versteht: Die Werbe-Manipulation in unseren Supermärkten ist die des kommunistischen China, und wir merken es nicht einmal.

Knallrot sind der Bühnenteppich, die Fahnen links und rechts, der Bühnenhimmel voller Lampions, und wir schwelgen in fernöstlicher Streicher-Sülze. Da sitzt am langen Tisch aber nicht das Zentralkomitee sondern die stinkarrogante Kommission eines kleinstädtischen Architektur-Wettbewerbs. Der Vorsitzende (Urs Bihler) sieht aus wie der Ex-Chefredaktor der hiesigen Zeitung. Die Kommissionsmitglieder ballern aus allen Werbe-Slogan-Rohren für ihre jeweiligen Projekt-Favoriten. Ihre Blicke sind so aufgedonnert wie die vom deutschen Bundeskanzler oder von Jacques Herzog, und wir halten uns die Bäuche über ihren Stuss. Es gehe um die „Botschaft“, das „Vertrauen“, die „Identität“, die „Impulskäufe“, denn „man kann 100 Klobürsten in einer Stunde verkaufen“, wenn man sie neben Nutella stellt.

Die Texte sind aus dem Dok-Film „Die Schöpfer der Einkaufswelten“. Der zeigt Architektur- und Werbe-Experten, wie sie uns manipulieren, damit wir mehr Klobürsten und Nutella kaufen.

Nicht alle Szenen-Nummern sind so lustig wie die vom Sparkassenbau, aber nie ist in den letzten zwei Jahren mehr zwischenapplaudiert worden als hier. Seinen höheren Blödsinn enthüllt der Abend vollends vor dem Brotregal: Funktionäre im Mao-Kostüm verurteilen scharf die Stapelung der Gugelhöpfe und Toastbrote.

Der Chinese Xinghua Zhu schwingt die roten Fahnen und traversiert mit Saltos und Flickflacks die Bühne. Zwei Architektinnen ergehen sich in einem sadomasochistischen Ritual wegen einer Supermarkt-Döner-Bude. Philosophie-Professor Jürgen Kuttner vibriert in einem wahnwitzigen Monolog: Die Mao-Bibel ist voller PR-Dogmen. Prinzessin Turandot erscheint, und besieht lachend die Totenköpfe ihrer gescheiterten Freier: Werbung hat ihren Preis.

17. September 2005

Wertung ***


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere

"Virus!"

Frei nach den "Bakchen" des Euripides

Textfassung: Sebastian Nübling, Julia Lochte und Ensemble
Regie: Sebastian Nübling
Mit: Susanne Abelein, Silja Bächli, Christian Brey, Wolfgang Brumm, Katja Bürkle, Daniel Nerlich, Aljoscha Stadelmann, Sandro Tajouri, Martin Thamm, Daniel Wahl
Musik: Lars Wittershagen
Choreographie: Alice Gartenschläger
Koproduktion Theater Basel/Schauspiel Staatstheater Stuttgarter/"Theater der Welt"


Virus, nicht ansteckend


Klingt ja grandios, der coole Titel Virus! mit dem Ausrufezeichen. Doch es setzte erstmal ein paar kleine Ohrfeigen nach der Premiere im Juni am Stuttgarter "Theater der Welt"-Festival ab. "Beliebig" wählten als Wort viele Kritiker, die sich damit abmühten, vorzustellen, wie das Ganze wohl gemeint gewesen sein könnte: Der griechische Gott Dionysos als Virus? Stimmt das?

Dabei hatte der 45-jährige Regisseur Sebastian Nübling gewiss die Weihen höherer öffentlicher Auseinandersetzung im Sinn als kleinliche Verständnis-Probleme, als er mit dem geilsten Reiz-Thema unserer West-Gesellschaft wohl den Blockbuster des Sommers landen wollte: Der Hysterie vor Viren und somit vor den Anderen, mithin unsere Angst vor Sinnlichkeit. Das lässt sich effektvoll zelebrieren.

Doch auch Basel applaudierte nur wohlwollend am Premierenabend zur Saison-Eröffnung: Man hats gesehen, weiter nichts. Gesehen hat man aus-inszenierten Improvisations-Theater-Workshop und auch Tanztheater. Die zehn Akteurinnen und Akteure dösen in einem Wartezimmer-Raum in ihren Stühlen zu serieller Musik, und erwachen, um miteinander zu spielen und Euripides 2'500-jährigen Text in der bereits bekannten gehetzten Wortübergabe-Stafette zu rezitieren. Da musste auch Iggy Pops Satz rein:"Liebt mich, sonst hasse ich Euch". Und natürlich News-Texte über Viren oder Nerven. Oder Studien über die Parallelen in der wissenschaftlichen Terminologie, wenn von Viren oder Kriegen die Rede ist. Über all das informiert auch das Programmheft 50 Seiten lang. Nübling präsentiert ein Brainstorming anstelle einer Skulptur.

Irgendwelche Personen berichten im zweiten Teil über ihren Kampf mit dem Virus: Forscher, Krankenschwester, Computerhacker, Kranke. Das gerät etwas gar länglich, trotz nahtlosen Übergängen und vielen Bild-Ideen. Zumal: Jede TV-Dok dazu beteiligt mehr an der Wirklichkeit. Was soll ein Theater, das den News hintennachspielt?

Mit Dionysos kommt das Brausende, der Rausch, die Ekstase, die gottgewollte Erregung ins verstandesgeknebelte Theben und nicht eine tödliche Krankheit. Aber dies war kein Thema.

16. September 2005

Wertung **


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Theater Basel, Schauspielhaus
Uraufführung

"V. v. V. - Verneigung vor Valentin"

Schauspielprojekt zu Karl Valentin von Ruedi Häusermann

Musik und Regie: Ruedi Häusermann

Orchester und Ensemble: Ariane Andereggen, Johanna Bantzer, Klaus Brömmelmeier, Annalisa Derossi, Thomas Douglas, Iris Erdmann, Thomas Küng, Chantal Le Moign, Lucas Rössner, Edmund Telgenkämper, Marc Unternährer, Herwig Ursin


Das hat Valentin nicht verdient


Premiere zu einem Valentin-Abend an einem Freitag, dem 13. - welches Vorzeichen, möchte man meinen, zu einem Genie-Streich oder einem kompletten Reinfall. Aber nichts da. Keine Artistik auf dem hohen Seil. Ganz einfach langweilig wars. Und kompliziert. Und überkandidelt.

Die Musik klingt wie ein Problem-Komplex. Ein Quartett - vorne links – hupt, türmt und perlt Dissonanzen, die die Jazz-Rock-Avantgarde bei ihren "Kunst"-Anstrengungen vor 30 Jahren bevorzugte. Die Bühne sieht aus (Christel Wein) als hätte jemand seinen Keller darauf ausgeleert. Im Halbdunkel munkeln Kleiderstangen mit Klamotten, Seekoffer, Stühle, Leitern, Ritterrüstungen. Scharf darf geschlossen werden: Das ist Valentins Künstler-Garderobe und gleichzeitig sein psychisches Hinterzimmer und gleichzeitig unser kollektiver psycho-kultureller Valentin-Dachboden.

In diesen "Raum" und in diese Musik hat Häusermann nun Valentins bekannte Kurzfilm-Komödien hineinverschroben. Das Ensemble spielt sie nach, wie Kompositions-Fetzen. "Der Firmling" etwa beginnt an vier Tischen gleichzeitig, bricht ab und wird irgendwann später weitergeführt. Am Schluss erzählt einer den ganzen "Firmling" völlig reizlos flach ins Publikum. Sogar eine biedere Tonbildschau über Valentins Lebenslauf passt in Häusermanns Komposition. Sie wird dargeboten mit der Ausdruckskraft eines Baselbieter Gemeindeverwalters. Das ist nicht Valentins berühmte Provokation mit dem gespielten Dilettantismus. Das ist Dilettantismus.

Und so ist der Witz: Das Ensemble knallt ihn uns platt vor den Latz. So als hätte Valentin seinen anarchistischen Fundamental-Witz nicht im extra platten Geschwätz kaschiert, sondern auch so platt gemeint. Hier in diesem "Valentin"-Abend im vollbesetzten Basler Schauspielhaus ist Karl Valentins grimmig-pingelige Weltsicht kein Minenfeld mehr für uns Alltagsidioten. Die hohe Clown-Kunst des Naiv-Unvermittelten, wo selbst der Witz einschlägt, den man schon kennt: Kein einziger versuchts, kein einziger kanns. Das Publikum lacht oft über Valentins Witz, selten über die Darbietung.

Immerhin: Wir durften ein paar Minuten Original-Film-Ausschnitte mit Karl Valentin und seiner Partnerin Liesl Karlstadt sehen. Das ist hohe Kunst. An der hat er hart gearbeitet, ein Leben lang. Valentin wollte bloss unterhalten.

14. Mai 2005

Wertung **


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung

"Das Leben der Bohème"
Eine Ueberlebensgeschichte nach dem Drehbuch von Aki Kaurismäki

Regie: Albrecht Hirche
Mit Andrea Bettini, Adil Duran, Dieter Häner, Albrecht Hirche, Barbara Lotzmann, Christoph Müller, Katja Reinke, Steven Scharf
Bühne: Alain Rappaport

Kaurismäki-Film auf der Bühne


Wie bringt man einen Kinofilm auf die Bühne? Der Applaus klang warm und voll nach den zwei Stunden; Kaurismäkis Verlierer-Helden sind eine Zärtlichkeit für uns Dilettanten. Das fahle Licht ist staubig wie im alten Kino. An der unendlich langen Wart-Saal-Theke des hohen, düstern Bistro stehen sie, schlürfen gerade die Suppe, die sie vor dem Hungertod errettet, und ehrwürdig kippen sie die Klaren. Vom Leben verstehen sie viel, nur leider gar nichts vom Geld. Wir möchten auch ein bisschen so sein, einfach ohne das Risiko …

Hirches Theater-Film ist in allem schwarzweiss: Bühne, Licht, Drama. Alles passiert plötzlich und sofort wie im Märchen. Der Autor Marcel (Bettini) fliegt aus der Mansarde, der Komponist Schaunard (Müller) zieht in sie ein und Maler Rodolfo (Scharf) bringt die erste gemeinsame Flasche Rotwein. Mimi (Reinke) schneit bei Rodolfo herein. Immer "plötzlich" kommt der ominöse "vierte Mann" (Hirche) als böser Vermieter, lieber Mäzen, böser Zuhälter, lieber Arzt, der Mimis Schwindsucht nicht heilt, aber trotzdem abkassiert. Heiter auf und ab geht das Abenteuer-Leben mit dieser Schicksals-Figur, die Geld bringt, die Geld nimmt.

Aber Hirches vierter Mann spielt nicht allein Schicksal. Er zeigt das Strickmuster der Darstellung, 150 Jahre nach Henri Murgers Roman und 13 Jahre nach Kaurismäkis Film. Wir sollen heute nicht mehr hoffen auf die "Lieben", die unsere Freunde wieder ein paar Tage retten. Im Gegenteil seien die Glücksfälle wohl als romantische Lebensverlängerung zu verstehen: Die gefeierte Grossstadt der Liebe und der Kunst verschlang die meisten sang-, klang- und auch völlig chancenlos. Am Schluss reisst Hirche am hinteren Bühnenrand den schwarzen, gefalteten Vorhang herunter. Dahinter prangt die graue Backsteinwand. Was bleibt, ist der Traum. Die Erinnerung. Die Gloriole über dem Gelächter, den Gesängen und der Niederlage. Wir hören einmal die Piaf und die Callas, nur kurz, wie das Leben.

Leider hatte Hirche nicht den Mut zum grossen Schwung. Basteleien mit niedlichen Einfällen stehen poetischen Theater-Momenten gegenüber.

29. April 2005

Wertung ***


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Theater Basel
Ehemalige Volksdruckerei
St. Johanns-Vorstadt 19
Basel
Uraufführung

"Der Kick"
Spurensuche eines Mordes

Autoren: Andres Veiel und Gesine Schmidt
Regie: Andres Veiel
Mit Susanne-Marie Wrage und Markus Lerch
Koproduktion mit dem Maxim Gorki Theater Berlin


Die Nazis, das sind die Andern


Schlagzeile: "3 Neo-Nazis töten Kumpel - aus Langeweile!" Wer tut so was? Die Geschichte ist wahr. Der Marcel Schönfeld hatte dem Marinus Schöberl einen Betonblock zwei Mal mit voller Wucht auf den Schädel geschlagen, und nun lag der ohne Gesicht da, frische 16, im Schweinestall, ein Stotterer, am 12. Juli 2002 im ostdeutschen Potzlow. Kamikaze-artig hatten sich Opfer und Täter zusammen den ganzen Abend lang besoffen. Einer begann mit den Schlägen, Beschimpfungen, jenen gespenstischen Jugend-Gruppen-Ritualen: "Sag jetzt, dass Du ein Jude bist." Marinus hatte es gesagt. Durch das ganze Dorf Potzlow sei Marinus in dieser Nacht gejagt worden, hielt der Pfarrer steinern fest.

Es ist dunkel und riecht streng in der leeren, alten Druckerei-Werkhalle. Da stehen direkt im gleissenden Licht Wrage und Lerch in schwarzen Baumwoll-Sachen, sehen uns an, und spielen die wirklichen Täter nach, deren Eltern und weitere Potzlower, aber auch den Berliner Staatsanwalt. Der Dokumentarfilmer Andres Veiel recherchierte ein halbes Jahr in Potzlow. Wir hören 90 Minuten lang, was das himmeltraurige Personal wirklich gesagt hatte, verspricht das Programmheft. Ganz immer hielten das die Macher selber nicht aus, und kämpften mit der Karikatur.

Wir links-intellektuellen Theatergänger, wir kommen recht billig weg. Bei dem dargebotenen Indizienmaterial können wir uns getrost zurücklehnen: Die Nazis, das sind diese andern. Wir wissen ja Bescheid: Arbeitslosigkeit, Verrohung durch Ungebildetheit, privates Fernsehen, Dauersuff, "Perspektivelosigkeit", der Egoismus der Minderprivilegierten, die Dumpfheit der Masse, konservatives Denken, Schlacken alten Nationalismus’. Da gehören wir nicht dazu. Keine Frage, keine Irritation.

Wir können uns aber nicht ganz entziehen. Gott sei Dank! Die geschundenen Figuren im Schwarz-Weiss von Licht und Schatten vollziehen allein mit ihren Aussagen einen Horror-Film in unseren Köpfen. Wir sehen nur Teile, und die sind so scheusslich, dass wir uns fürchten, den Rest zu denken.

24. April 2005

Wertung ***


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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere

"Das Käthchen von Heilbronn"
Ein grosses historisches Ritterschauspiel

Autor: Heinrich von Kleist
Regie: Rafael Sanchez
Mit: Susanne Abelein, Cornelius Borgolte, Wolfgang Brumm, Vincent Calero, Silvia Fenz, Sandra Hüller, Daniel Nerlich, Jörg Schröder, Aljoscha Stadelmann, Daniel Wahl
E-Piano: Cornelius Borgolte


Ein Käthchen ohne Risiko


Wir schütteln den Kopf: Bachs Matthäus-Passion wurde dem empfindlichen Publikum der Frühromantik nur mit "abgemilderten" Harmonien vorgesetzt. Unfassbar finden wir es: Theatermacher vor 150 Jahren verunstalteten Shakespeares King Lear mit einem Happy End. Nun, was machen wir da anders, die wir dem "heutigen" Publikum Käthchen nur mehr in zweieinhalbstündiger Pop- und Häppchen-Version anbiedern? Der Abend ist nett. Er wird erfolgreich sein.

Dabei: Kleists Käthchen ist ein Wunderwerk der Sprache und der Empfindung. Sie, die Tochter des Dorfschmieds, verfolgt aus Liebe den Grafen Wetter vom Strahl. Erst nach vielen gefährlichen Abenteuern kann auch er seine Liebe zu ihr erkennen. Genial und spannend: Das Märchen spielt in einer wirklichen Welt, und die Träume sind wahre Begebenheit.

Das Käthchen ist eine Hohepriesterin der Liebe, die schwere Prüfungen besteht. Sie weiss das wegen ihrer 15 Lenze noch nicht. Das kann auch eine talentierte Spielerin wie die Hüller in neun Wochen Probezeit nicht heraus arbeiten, zumal Regisseur Sanchez lieber lustig stilisiert als fein und hart ziseliert.

Also gibt’s halt Rollen-Komik und -Konfektion. Die Hüller balanciert zwischen somnambul, debil und Krächz-Göre. Regisseur Sanchez lässt sie regelmässig kunstvoll zusammenbrechen. Nerlich als der Ritter Graf Wetter vom Strahl ist ein aufgeweckter Studenten-Lausejunge, aber niemals ein Wappenträger im übertragenen Sinne. Die Jungens (also die Männer) reiten wie die Buben beim Cowboy-Spielen. Gags-à-Gogo wie der beliebte Griff in den Schritt lauern allerorten.

E-Piano-Klänge befördern uns in eine Traum-Theaterwerkstatt. Der niedrige Himmel ist ein farbig angeleuchtetes Regenbogen-förmiges Gewölbe – manchmal sieht er aus wie bei "Wizard of Oz" (Bühne: Heidi Fischer).

Viele lachten an diesem Premierenabend, aber niemand fieberte mit. Herzklopfen, Fieber, Schweissausbrüche, heiliger Zorn, Liebesschmelz und -schmerz: Das blieb zwischen den Buchdeckeln.

Dabei wären diese Gefühle die Innereien, um die es Kleist allein ging: Pures Leben, immer existentiell, keine Unterbrüche, kein Absacken. Wäre doch eine Chance gewesen, diese Intensität diesem "heutigen" Publikum fühlbar zu machen. Aber das wäre halt ein Risiko gewesen! Wirkliche Risiken geht man an diesem Haus nicht ein.

9. April 2005

Wertung **


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ECHO
"Perversion pur"

Dank, Claude Bühler, für seine schonungslose Kritik. Was einem im Schauspielhaus geboten wurde, war Perversion pur - oder eben, eine "Pop- und Häppchen-Version" eines ursprünglich kunstvollen Werkes. Dem Zuschauer stellen sich zwei Fragen: 1. War die Performance das Eintrittsgeld wert? Antwort: Keinesfalls. 2. War die Performance die anteilmässige staatliche Subvention von rund 300 Franken pro Platz wert? Antwort: Nie im Leben.

Patric C. Friedlin
Basel


Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere

"Andorra"

Stück in 12 Bildern

Autor: Max Frisch
Regie: Samuel Schwarz
Mit: Rahel Hubacher, Martin Hug, Urs Jucker, Katja Jung, Vincent Leittersdorf, Markus Merz, Thomas Reisinger, Sandro Tajouri, Wanda Wylowa
Musik: Michael Sauter


Bombastische Geisterbahn


Ich gehöre zu jenem Teil des Publikums, der nicht gelacht hat am Premiere-Abend. Als Privatperson hätte ich den gut besuchten Raum vorzeitig verlassen, wie es einige getan haben. Wenn Leute in Nazi-Kostümen kumpelselig für das eigene Publikum das Kalb auf der Bühne machen, das dazu vor hechelnder Ueberreizung in selbstverständlicher Selbstgerechtigkeit jappst, dann werde ich zum reinen Beobachter, und der fragt, warum. Warum beispielsweise muss ich mich ab der zweiten Hälfte von einer Geisterbahn ekeln und einer Blitz-, Donner- und Dezibel-Orgie behämmern lassen, die in nichts abstehen vom Stil und Geist eines Marilyn-Manson-Musik-Videos?

Als Zuschauer möchte ich erfahren, welche Antworten die Macher - heute - dafür finden, warum die Bürger des Kleinstaates Andorra den "Juden" Andri (Tajouri) ausgrenzen, quälen und töten. Wenn das Theater Basel befindet, Frischs 40-jähriges biederes Stück sei dazu nicht mehr tauglich, warum spielt man es dann?

Ich möchte nicht unbedingt zusehen müssen, wie der Arzt (Merz) mit einer Bohrmaschine Andri die Augen ausbohrt, wenn mir das nicht mehr als den Zynismus der Macher mitteilt, dass das Publikum heutzutage schon etwas stärkeren Tobak brauche, um noch getroffen zu werden, wenn’s um Ethik geht. Selbst wenn das stimmte, wäre es zu befragen, ob dieser Effekt so fraglos, wie es geschieht, zu bedienen wäre. Mich interessiert die innere Vergiftung des Arztes, die mit Frischs Dialog offenbart werden kann, weit mehr als die als heiteren Klamauk dargebotene äusserst brutale Folterszene, die Regie und Dramaturgie draufsetzten. Dies sei ausdrücklich keine Kritik an der grausamen Darstellung oder per se an der Idee des Bildes, sondern daran, dass Regisseur Samuel Schwarz die Brutalität zu ungunsten der Verständigung wählte.

Was hat er nicht alles bemüht, was man heute kreatives Bühnenschaffen nennt: Eine enorme Wucherung. Eine phantastische Bühnentrickkiste. Stummfilm-Szenen. Unzählbare Querverweise bis hin zu Bruno Ganz’ Hitler-Darstellung. Allein die vielen Musik-Nummern. Verschiedene dramaturgische Räume: Mal ist das Ganze eine Laien-Aufführung im Sääli der Dorfbeiz, mal wird diese Welt aus Venus’ Muschel geboren. Nimmt man diesen ganzen Bombast weg, dann bleibt die Überführung des Stumpen-Schweizers als der Nazi-Andorraner und des Pädagogen als Hitler-Abbild mit Schnurrbart. Das ist peinlich.

Völlig fragwürdig auch dies: Weil den Machern die Idee gefiel, den Texte aus einer "fremden" Warte vortragen zu lassen, wird er zumeist auf englisch von einer Erzählerin gesprochen. Dieser Verfremdungseffekt durchlüfte das Stück, sagt der Regisseur. Aha.

20. März 2005

Wertung *


**** Hochgenuss
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ECHO
"Ein ziemlicher Quatsch"

In der Tat: Ein ziemlicher Quatsch, diese Inszenierung - spätpubertär wäre ein noch zu netter Ausdruck. Claude Bühler hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Alex Klee-Bölckow
Basel



"Ich würde mich am Gleichen empören"

Ich danke Herrn Bühler für seine Würdigung des Stückes, weil ich daraus entnehmen kann, dass ich mich am Gleichen stossen und mich darüber empören würde. Auch ich wäre mit der Erwartung hingegangen, dass Antworten angeboten werden. Schon wieder eine vertane Chance!

Beatrice Alder
Basel

Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere / Uraufführung

"Alices Reise in die Schweiz - Szenen aus dem Leben des Sterbehelfers Gustav Strom"

Autor: Lukas Bärfuss
Regie: Stephan Müller
Mit: Johanna Bantzer, Urs Bihler, Iris Erdmann, Edmund Telgenkämper, Graham F. Valentine, Susanne-Marie Wrage


Selbstmord mit Würde?


Endlich! Jetzt ist ein Theater-Autor hingegangen und hat dem "Zischtigsclub" ein Thema weggenommen, das sich Experten und "Betroffene" dort so gern selber vorbehalten. Lukas Bärfuss lässt mit seinem neusten Auftrags-Stück die sogenannte Sterbehilfe auf der Bühne in einem Modellfall durchspielen: Die 40-jährige Deutsche Alice (Wrage) sagt, dass sie sterben will, wegen einer Krankheit, an der sie nicht sterben müsste, aber mit der sie nicht leben könne oder wolle. Dazu fährt sie zu Doktor Strom (Telgenkämper) nach Zürich, um bei ihm zu sterben. Jetzt denkt mal selber nach, scheint der Thuner Dramatiker dem Publikum sagen zu wollen, wie selbstbestimmt und würdevoll ein solcher "Exit" mit "Suizidhilfe" ist.

Den Zürcher Sterbehelfer Gustav Strom hat er ausgestattet mit diesem Heiligenschein seriösen Vorkämpfertums. Super-integer lauscht er der beinahe keimfreien Akkuratesse seiner Ausführungen nach, wenn er Alice auseinandersetzt, ob man ihre Leiche danach wohl obduzieren werde und warum eher nicht. Super-korrekt weist er es zurück, ihr den Plastiksack über den Kopf zu ziehen. Das müsse sie jetzt machen, sofort, die Wirkung des Schlafmittels setze gleich ein.

Es ist beunruhigend, wie froh er ist, dass Alices Mutter Lotte "wirklich" sterben wolle. Keinen Gedanken verschwendet er daran, dass Lotte erst nach dem Tod ihrer Tochter keinen Sinn mehr im Leben sieht. Es fällt ihm eben nicht auf.

Keinerlei Nutzanwendung gibt es in Doktor Stroms Todespraxis für das Gefühlsleben des schwerkranken John (Valentine), der Anekdoten erzählen und singen, aber sicher nicht sterben will.

Bärfuss ist nicht kühn, denn er entflammt sich nicht an den Details, die ihm zum Beweis einer Anklage dienen könnten. Aber er ist gründlich, lässt alles aus, was ablenken oder verleiten könnte, und führt durch, und erst dadurch vor. Vom Satiriker bei "Dora" (13. Februar 2003) ist er hier zum Skeptiker gereift.

Regisseur Stephan Müller führt Bärfuss’ Stück im Takt der Vorgabe ruhig und gemessen auf. Allzu rasches, zu aufgeregtes Sprechenlassen verriet stellenweise zu geringes Vertrauen in den Stoff.

Um Klassen distanzierte Graham F. Valentine als John das Ensemble-Feld. Wie facettenreich und präzis einer das Eigene in einer Rolle vibrieren lassen kann: Er zeigt es.

5. März 2005

Wertung ***
****
für Graham F. Valentine als John


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere

"Die Katze auf dem heissen Blechdach"

Autor: Tennessee Williams
Regie: Tom Schneider
Mit: Wolfgang Brumm, Thomas Douglas, Rahel Hubacher, Sandra Hüller, Barbara Lotzmann, Thomas Reisinger, Steven Scharf, Jörg Schröder

Emmentaler Akzent im Mississippi-Delta


Es ist Big Daddys 65. Geburtstag, an dem die Wahrheit das Familiengefüge pflügt, und dabei stecken bleibt. Die ganze Familie bringt es nicht fertig, dem reichen, verhärteten Plantagenbesitzer zu sagen, dass er an Krebs sterben wird, aber alle wollen sein Geld, ausser der jüngere Sohn Brick. Aber der will sich in seinem Alkoholismus abschotten. Gooper, der ältere Sohn, präsentiert mit Ehefrau Mae bereits einen Erbschaftsplan.

Maggie versucht die Schale ihres Mannes Brick zu durchbrechen. Aber sie, die "Katze", hatte mit seinem bestem Freund Skipper geschlafen, und zwischen Brick und diesem Skipper bestand eine platonische Männerliebe. Und Big Mama ist ein Bedürftigkeitsmonstrum, von Gefühlen überwältigt und brutalem Pragmatismus vorangetrieben.

Ein Fressen für Schauspieler, die ihr Herzblut, Stilgefühl und Können einsetzen wollen; kaum ein Theaterstück zeichnet seine Figuren derart plastisch aus, wie "Die Katze auf dem heissen Blechdach" (1955) von Tennessee Williams. Die Achtung des Autoren vor seinem Personal geht so weit, dass er nicht a priori davon ausging, es haargenau zu kennen. Er führte vielmehr einen verzweifelten Kampf darum, auch die tiefsten und unscheinbarsten Gefühlsregungen zum Vibrieren zu bringen. Williams gelingt es sogar, völlig irrationale Regungen plausibel vorzuführen.

Und dafür nimmt sich das Theater Basel gerade mal fünf (!) Wochen Probezeit. Das reicht für das, was am Premiere-Abend geboten wurde: Flaches, nettes Nachspielen. Man kann den massiv gekürzten Text zur Kenntnis nehmen, und dass sein grimmiger Humor wohl jeder Bearbeitung standhält. Regisseur Tom Schneider lässt jedes Ensemble-Mitglied so spielen, wie es gerade will und halt kann: Mit Emmentaler Akzent, ohne Stimmsitz, mit überkommenen Marotten, ohne Temperament, jedes mit den eigenen Stil-Auffassungen und -Möglichkeiten. Die Qualitäts-Obergrenze war beim Routine-Geschick der Talente Hüller (Maggie) oder Reisinger (Brick) endgültig erreicht. Die Hilflosigkeit anderer Akteure war ein teilweise peinlicher Anblick. Eine Gestaltung, ausser äusserlichen Absprachen, hat kaum stattgefunden.

1. Februar 2005

Wertung *


**** Hochgenuss
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Theater Basel, Gefängnis "Schällemätteli"
Uraufführung

"Schällemätteli"
Ein Projekt über den Strafvollzug

Produktion: Theater Basel und Dakiwa
Regie: Daniel Wahl
Mit Susanne Abelein, Titus Arber, Benjamin Brodbeck, Steven Scharf, Aljoscha Stadelmann, Ruth Zehnder, Peter Zimmermann

Ich war im Gefängnis


Bahnhöfe, Bordelle, Gefängnisse: Das sind Orte menschlicher Monströsität, hier gibts Sehnsucht, Verzweiflung, Elend. Wir betreten das Ende Jahr geschlossene Vollzugsgefängnis "Schällemätteli". Stacheldraht, Scheinwerfer, Schnee. Es ist heute Premiere am 60. Befreiungstag von Auschwitz. Die Bemerkung ist unziemlich, aber mir ist es eben ein- und aufgefallen. Wir wissen, dass die Wiedereröffnung diskutiert wird, aber heute spielen hier Ex-Inhaftierte und Schauspieler "Schällemätteli". Wir werden es erleben: Der Ort ist der Star, und allein schon das Eintrittsgeld wert.

Wir betreten den Zellentrakt: Die Gruppe mit dem weissen Punkt auf dem Mantel ins Parkett, die mit dem roten in den ersten Stock. Hinsetzen. Dann Dunkelheit. Einer geht mit der Taschenlampe die Gänge ab, kontrolliert die Zellen, schliesst die Sichtlucken. Dann wiederum Dunkelheit. Stille. Lange Pause. Es hallt. Der Lautsprecher mit einem ekelhaften Brumm: Schnarrt Tagesordnung und Anweisungen. Der Tag beginnt. Peter Zimmermann tritt aus der Zelle 080 hervor, erzählt in die Dunkelheit des Zellentrakts, in der wir atemlos lauschen: Er Gewohnheitsverbrecher, hat Kinder gehütet, nur gehütet, hätte er als Sexualverbrecher nicht dürfen, acht Jahre Verwahrung.

Es ist womöglich das eigene Leben, das hier der Ex-Knasti vorträgt. Nie verliert der Ton die Aggression: Ich habe hier noch ein paar Rechnungen offen. Hat Petitionen geschrieben. Knast-Theater gemacht. Oder Titus Arber: 15 Jahre, irgendein Gewaltverbrechen, schrieb an seinen Bruder, Antwort: Vergiss meine Adresse. Auch über einen Beat und einen Familien-Mörder Albrecht wird geredet: Durften die nicht mitmachen beim Projekt?

Die Schauspieler wiederholen und transponieren die Erzählungen ins Überhöhte und Abgeschliffene. Die Knastis sind die interessanteren Schauspieler. Die stellen ihre Katastrophen ungeschickt aber mit der Notwendigkeit vor, im tiefsten Elend letzte Reste der Würde aufzusuchen.

Regie und Dramaturgie haben die Schilderungen und allerlei Wissenswertes über das Haus assortiert, ineinandergeschachtelt und vorspielen lassen. Manches ist sofort plausibel, und das andere vergessen wir. Auch die Berimbau-Musik in der Hallschlaufe: Die ist wie Geisterbahn spielen - dort wo's wirklich spukt.

P. S. Tipp: Sich den weissen Punkt geben lassen. Bessere Sicht!

28. Januar 2005

Wertung ***


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Theater Basel, Grosse Bühne
Premiere vom 20. Januar 2005

"Dreigroschenoper"

Autor: Bertolt Brecht / Kurt Weill
Regie: Lars-Ole Walburg
Mit: Klaus Brömmelmeier, Wolfgang Brumm, Alain Croubalian Thomas Douglas, Sandra Hüller, Katja Jung, Chantal Le Moign, Barbara Lotzmann, Daniel Nerlich, Tilo Nest, Thomas Reisinger, Sandro Tajouri
Orchester: Dead Brothe

Aus Protest wurde Überdruss


"Hallo Basel, es muss etwas Neues geschehen", rief Tilo Nest als Bettelei-Unternehmer Jonathan Peachum direkt ins Publikum. Unten sass das Bürgertum: Kantonalbank-Präsident Paul Nyffeler, vom Basler Gewerbeverband Werner Schmid und Peter Malama, u.v.a.m.. Was sie zu sehen bekamen, war nicht die Dreigroschenoper der Bettler, Gauner und Huren, die dazu geschrieben wurde, den Bürger zu denunzieren.

Nein, das war die Dreigroschenoper des vom Bürger bezahlten Theaters: Langfädig, diffus, pubertär und oft auch geschmacklos. Es war, als wäre aus dem einstigen Protest Überdruss geworden. Einige Sex- und Gewalt-Szenen mischen den dreistündigen Abend auf. Letztere erinnern an Bilder aus Abu Ghraib. Vielleicht hat sich Schauspieldirektor Walburg dazu entschieden, weil er wusste, dass vom Klassiker aus dem Jahre 1928 nur noch wenig äussere Schock-Wirkung ausgeht. Dass der Gauner Mackie Messer ein Bürger ist, und sein Schwiegervater der Bürger Peachum ein Gauner – wen beisst das heute noch? Daran hat sich der Bürger gewöhnt, auch an den "Skandal".

Die Entdeckung des Abends ist das Orchester, die Dead Brothers. Die seltsame Abfall-Kapelle gibt die bekannten Stücke traumwandlerisch mit schierer Todesverachtung wider. Leider ist von so viel Humor und Können bei den Schauspielerinnen und Schauspielern wenig zu hören. Ihre Stimmen sind oft hart, dem Ausdruck fehlt der doppelte Boden und die leichte Frische der Naivität. War es vielleicht sogar Absicht, dass man quer gegen die brillanten Interpretationen grosser Vorgänger ansang?

Mit aller Vehemenz geht Walburg nach Brecht-Theorie gegen einen reibungslosen Story-Verlaufs oder geschlossene Charakterbilder vor. Die Männer betreiben fast alle eine Art Anti-Spiel. Sie handeln bloss als Figur, ohne Gedanke. Aus Celia-Peachum (Le Moign) hat die Dramaturgie eine Schwer-Alkoholikerin gemacht, damit sie mit ihren Versprechern für Brüche und Heiterkeit sorgt. Selbst die Applausordnung ist extra chaotisch angelegt.

Für eine Überraschung aber hat Walburg am Ende gesorgt: Sein Mackie Messer wird nicht in letzter Minute begnadigt.

21. Januar 2005

Wertung **


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Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung vom 6. Januar 2005

"King Placebo"

Regie: Niklaus Helbling
Mit: Johanna Bantzer, Fabienne Hadorn, Albrecht Hirche, Martin Hug, Urs Jucker, Katharina Lange, Vincent Leittersdorf
Musik: Martin Gantenbein, Markus Schönholzer

Rocky Horror Pharma Show


Voilà, hier ist das originellste, witzigste, unterhaltendste und geistreichste neue Stück der Saison: King Placebo ist eine böse Rock-Musical-Märchen-Revue zu Pillensucht und Pharma-Industrie, ein Fabulier-Stück, das zeitungsbelesene Intellektuelle an einem weinseligen Abend herbeigewitzelt und aufgekritzelt haben könnten. Die Texte sind Gesprächen des realen Lebens abgelauscht. Die Begleit-Band schmettert den Refrain "Wach im Schlafsackschweiss" und katapultiert uns damit in die Wohnung der Opfer.

Nach Mitternacht beginnt dort der Horror. Alles einsam wacht. Niemand schläft. Madeleine kotzt, Stefan säuft, Mario wimmert mit Magenschmerzen und Nancy erörtert Selbstmordvarianten. Willkommen in unserer Zivilisation der Schlaflosigkeit; am Ende greift jeder zum chemischen Schlafbleihammer; das gibt wenigstens eine Handvoll Stunden dumpfen Weg-Seins mit der Persil-Ausrede: Am nächsten Morgen muss man funktionieren. Max ist schon einen Schritt weiter. Bei ihm gehört die Chemie von aussen zum Weltbild. Keine Chance dem Mangelgefühl: Seine Traumcocktails verabreicht er sich nach Stundenplan, präventiv.

Die Armen sind von einem gar bösen Dämon geplagt (Hirche): Als Teufeli verführt er sie jede Nacht zur garantiert letzten Tablette, und tagsüber erscheint er ihnen als herummanipulierender Gruppentherapeut, der sie mit demütigenden Ritualen vor allen anderen die schlafraubenden Sorgen und Lügen herauswürgen lässt, damit … ja, damit alles beim Alten bleibt.

Der zweite Teil soll uns den inneren Kreis der Macht zeigen: Eine skurrile, hochgezüchtete Traum-Welt, als würden auf einem Schachbrett die Figuren lebendig. Mario ist King Placebo, der sein Reich Pharmaland mit dem Reich der Königin von Saba fusionieren will. Mit seiner Chemie-Maschine verdient er persönlich 50 Millionen im Jahr. Am Ende nützt ihm das nichts: Er wird von der Aktionärsversammlung abgewählt, und entpuppt sich als Scheinfigur eines chemischen Rauschs.

Etwa so zerbröselt auch das Stück: Ohne Pointe, ohne Überraschung, dafür mit guten Rock-Songs, die das Ensemble mit Verve zum Besten gibt. Für den Volltreffer fehlt das Schroffe.

7. Januar 2005

Wertung ***


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ECHO
"Auch Pharma-Interessen sollten offengelegt werden"

Schade um die vertane Chance, ein gesundheitspolitisches und damit gesellschaftlich wichtiges Problem so zu thematisieren, so dass betroffenes Interesse geweckt wird. Zu viel Klamauk lenkt ab und hilft, die Problematik des nicht krankheitsbedingtem Medikamentenkonsums auszublenden. Zur Thematik gehörte auch, den Zusammenhang von interessenbedingtem Angebot durch die Pharma-Industrie aufzuzeigen. Diese kreiert und propagiert teilweise entsprechend ihrem Vermarktungsinteresse Symptome und bietet gleichzeitig die Lösung dafür an.

Beatrice Alder
Basel

Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere vom 26. November 2004

"Gespenster"

Autor: Henrik Ibsen
Regie: Tom Kühnel
Mit Fenz, Müller, Reinke, Schröder, Telgenkämper

Wozu dieses Stück spielen?


Schwere Orgeltöne wummern. Das doppeltürige Riesen-Portal in der Mitte hinten wirkt wie aus dem Stummfilm-Klassiker "Die Nibelungen" entliehen. An diesem Stück ist alles tonnenschwer, scheint uns Regisseur Kühnel sagen zu wollen. Autor Ibsen hat ihm viele Anlässe gegeben. Alles geht zu Grunde. Nach und nach blättert Ibsen die Katastrophen auf. Sohn Osvalt (Telgenkämper) hat die Syphilis geerbt und fordert für den Fall seiner Verblödung den Tod aus Mutterhand. Mutter Alving (Reinke) gibt ihr ganzes Vermögen in ein Kinderheim, das abbrennt, unversichert. Ihr Mann war ein saufender Wüstling, ihre 19-jährige Ehe die Hölle, und sie habe das alles still ertragen, verteidigt sie sich vor Pastor Manders (Müller), der keinen Anlass auslässt, bedrohlich die Moralfuchtel zu schwingen: "Welches Recht haben wir Menschen auf Glück? Nein, wir sollen unsere Pflicht tun."

Diese Worte sprechend fährt Pastor Manders auf einem Podest in die Höhe und vollstreckt seine Geisselung an Frau Alving wie von der Kanzel herunter. Schon sein Auftritt erfolgte von oben, durch die Decke, an zwei Drähten schwebend, wogegen der saufende Tischler Engstrand (Schröder) sich jeweils mit der Axt durch den Bühnenboden empor ins Licht des Geschehens arbeitet. Wie animalisch dieser Engstrand sei, betont ein zwei Meter langer Rattenschwanz. Dieser dient denn auch Pastor Manders als Peitsche, als dieser rittlings auf dem Tischler sitzt.

Solch possierliche Einfälle, der eiskalte, riesige Bühnenraum, das schwere Portal, das in einen hinteren Raum führt mit einem ebensolchen Portal - wir müssen fragen: Hat Kühnel eine Karikatur auf die frühe Psycho-Analyse versucht, der Entstehungszeit des Stückes (1881)? Oder ist das die Güte der heutigen Theaterbilder?

Die emanzipatorischen Kämpfe, die Ibsen damals mit "Gespenster" geführt habe, hätten heute nicht mehr den politischen Zündstoff, sagt Kühnel. Das ist politisch korrekt. Ob deshalb Pastor Manders unangenehme Gefühlswelt den üblichen politisch korrekten Pastoren-Klischees geopfert wurde?

Kühnel sagt auch, schon der Gestus des Aufdeckens sei ein Selbstbetrug. Tja, wozu dann dieses Stück spielen?

27. November 2004

Wertung **


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Theater Basel, Kleine Bühne
Uraufführung vom 13. November 2004

"E Summer lang, Irina"

Eine "Dokufiktion"
Autor: Guy Krneta
Regie: Raphael Sanchez
Mit: Bantzer, Bettini, Hubacher, Merz, Wahl

Lächerliche Selbstverwirklicher


Das Publikum trampelte. Zum Schiessen wars. Irina trat gerade hinzu, wie Markus mit seiner neuen Eroberung Nadine herumschmuste. Während Irina ihn an den Haaren rupfte, beschmuste ihn Nadine eifrig weiter – die Frauen sahen sich nicht. Waren es zwei verschiedene Szenen, oder gehörte Markus Kopf gerade Irina und der Leib Nadine?

Eine Szene wie geschaffen für Regisseur Raphael Sanchez: Keiner hier geniesst es so sehr, so etwas derart lässig, listig und lustig darzubieten wie der virtuose Luftibus unter Basels Regisseuren. Mit Krnetas Auftragsstück hat er sich die narzisstische Jetzt-Generation der Selbstverwirklicher vorgenommen: Intellektuelle um 35, die bei jeder Aufgabe erst mal die Vereinnahmung wittern und auch dann den Brockenhaus-Wohnstil nicht loswerden, wenn sie gut verdienen (Bühne: Felicia Mächler). Sie schwätzen und "erklären" ununterbrochen. Das Publikum sah sich selbst und quietschte vor Vergnügen.

Sanchez lässt Krnetas Personen geradezu prachtvoll lügen. Wir können den Leuten dabei zusehen, wie sie es beim Reden selber merken – und weitermachen. Das unsägliche Sozialpädagogen-Schwyzerdütsch ("Ich ha das gläbt.") graust einem vor Verlogenheit. Der Basler Krneta nennt es "Sprachschilder". Sein ganzes Stück besteht daraus, eine unscheinbare Pointe folgt der nächsten auf dem Fuss. Sanchez schlägt daraus sein satirisches Kapital, und zappt seine Personen in beinahe hastiger Filmschnitt-Frequenz von Szene zu Szene.

Lehrerin Irina spielt ihrem Lebensabschnittspartner Markus vor, sie habe Krebs. Nachdem sich dies als Lüge entpuppt, sieht er seine Stunde gekommen, seine verkrachte Filmemacher-Karriere endlich mit einem "authentischen" Projekt zu realisieren, mit Nadine, der Neuen, die Irina spielen soll. Ob Autor Krneta die Erzählung deshalb derart ineinandergeschachtelt hat, weil diese Helden nie im Jetzt aber dafür dauernd im Gestern und Anderswo stecken? Die ganze Krebs-Geschichte sehen wir so, wie Nadine sie dann für Markus' Film gekünstelt probt, der dann natürlich nicht stattfindet.

Die Stärke des Abends: Im ganzen Gelächter geht nicht unter, dass Irina eingeklemmt zwischen weltfremder Verschrobenheit und eigensinnigem Zickentum eine tragische Figur ist. Die Schwäche: Die Regie-Arbeit ist nicht beendet worden. Gewisse Stellen stecken noch in der Probeversion.

14. November 2004

Wertung ***


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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere vom 28. Oktober 2004

"Wie es euch gefällt"

Autor: William Shakespeare
Regie: Barbara Frey
Mit Bihler, Douglas, Erdmann, Hüller, Jucker, Le Moign, Leittersdorf, Marggraf, Wehlisch

Ehrliche Bemühung


So viel Applaus gabs kaum je im Schauspielhaus, und zur Hauptsache bekam ihn Regisseurin Barbara Frey. Belohnt wurde eine gefällige Aufführung mit vielen Lachern und gestrichenem Happy-End. Die meisten Lacher über den drei Stunden verbuchten allerdings weder Regie-Einfälle noch Schauspieler-Gags sondern Shakespeares 400-jähriger Wortwitz.

Regisseurin Barbara Frey ist eine ehrliche, detailversessene Arbeiterin, die ihre Augenhöhe bei der Arbeit nie verliert. Wenn sie der Massen-Hochzeit nach all den komödiantischen Verstrickungen misstraut, dann gibt’s eben keine. Und wenn sie Shakespeare nicht glauben will, dass es einen idealen Mann gibt, dann macht sie halt einen Trottel aus ihm. Bei Shakespeare ist Orlando ein Held, der seine Rosalinde lieben und begehren kann, ohne sich vor Habsucht zu verzehren. Urs Jucker gibt ihn so, wie er die meisten seiner Figuren spielt: dumpf debil, linkisch bauernschlau, blasshäutig aggressiv, bucklig unterwürfig.

So einen soll die feinsinnige Rosalinde lieben. Am Schluss steht sie da, im Ballkleid, nicht abgeholt. Aber die beiden haben sich nicht nur gegenseitig in den Falschen verliebt. Nein, Rosalinde (Hüller) hat sich als Mann getarnt, und während dem halben Abend die Liebe ihres Orlando geprüft. Am Ende scheint ihr so das völlig kopflose Begehren als Frau abhanden gekommen zu sein. Frey scheint sagen zu wollen: Wir sind im Zeitalter, in dem Geschlechter-Verhalten als gelernt gilt. Somit ist Liebe verlernbar.

Der Wald Arden, in den sich Rosalinde, Orlando und eine Gruppe von bedrohten Persönlichkeiten vor dem bösen Herzog Friedrich zu Beginn in die Verbannung flüchten, ist hier eine mittels Fototrick verklärte Szenerie am Rande einer Beton-Wohnsiedlung. Die Verbannten sind die Ausgegrenzten – einer der Tricks, um das Stück in die heute offenbar unverzichtbare Tagesaktualität zu reissen.

Aber all diese "sinngebenden" Modifikationen hängen wie ein Gewicht am hochgemuten, übersteuerten Witz, der Shakespeares Pessimismus durchscheinen lässt. Geist und Erotik wären die Benutzeroberfläche gewesen. Dazu fehlten Leichtigkeit und Virtuosität.

29. Oktober 2004

Wertung **


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Theater Basel, Grosse Bühne
Premiere vom 16. Oktober 2004
Edward II.
Autor: Christopher Marlowe
Regie: Sebastian Nübling
Mit Cathomas, Grigolli, Scharf, Fenz, Schröder u.v.a.


Kindskopf-Theater



Warum hat Regisseur Nübling Bruno Cathomas nicht gleich in Windeln gesteckt? Infantiler hat kein Despot seit Peter Ustinov als Nero mehr herumgequengelt. Bei Ustinov wars eine Eröffnung, hier ist es eine Festlegung, die Hintergründe verschliesst. Was, bitte sehr, soll es uns über seine Bindung zu seinem verbannten Liebhaber Gaveston sagen, wenn er tausend Mal "Gaveston" greint und herumirrt wie ein Schwein, das man zu oft auf den Kopf getreten hat? Soll das etwa Liebe sein?

Für diese Liebe opfert Edward, so wills die echte Geschichte und die von Marlowe, alles. Er vernachlässigt seine Feinde, sie fallen ein, er hört nicht auf die Peers, sie schmieden Ränke, er lässt seine Gattin Isabella (Grigolli) aus dem französischen Königshaus links liegen, sie wird ihn verkaufen und verraten, es scheint ihn nicht einmal zu kümmern, dass das Ende seiner Regentschaft auch das seines Lebens bedeutet. Das ist doch ein bisschen viel für die eigensüchtige Verranntheit eines perversen Elefanten-Babys, das uns Cathomas-Nübling darbieten.

Autor Marlowe hatte da noch ein paar andere Motivationen: Liebe, Liebe zur Kunst, ein Elfenbeinturm der Zartheit und Poesie. Aber dann hätte Cathomas nicht die derbe Bühnen-Sau durchgehen lassen dürfen. Dann hätte Nübling anerkennen müssen, dass der Fünfakter, den er auf zwei Stunden herunterkürzte, dass das Stück, das er auf die Dreieinigkeit von Sex-Macht-Ekel verkürzte, eine echte Tragödie ist.

Eine verletzbare Empfindung zum Nennwert zu übermitteln, scheint sich schlecht mit Nüblings grosser Virtuosität zu vertragen, derart wirkungsbewusst über die ganzen 120 Minuten mit eiskaltem Rhythmus unbedingte Aufmerksamkeit zu erregen. Sei es, dass er unverhofft 50 schreiende Männer wie eine Gestapo-Bande über die Bühne rennen, oder Edward immer wieder von Neuem mit Jauche ins Gesicht spritzen lässt: Der Atem stockt einem.

Triebfeder zu jeder Erfindung ist stets eine ungeheure Aggressivität. Und es lässt sich nicht unterscheiden, ob die Macher das Entsetzliche aufweisen oder von ihm einfach profitieren wollen - zugunsten ihres Ehrgeizes, eine "geile" Aufführung zu machen.

17. Oktober 2004

Wertung **


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ECHO
"Schlimmer als in den Medien geht es nicht zu"

Die Kritiker der Nübling-Inszenierung von Edward II haben leichtes Spiel, nachdem das Stück in Salzburg im ersten Anlauf keine Gnade gefunden hatte: Attribute wie "Schweinekram" und "Kindskopf"  beherrschen das Feld. Dass Christopher Marlowe bei aller dichterischen Raffinesse eine tragikomische Episode – nicht die einzige und nicht die letzte – in der Geschichte der britischen Monarchie im Stil der heutigen Reality TV erzählt hat, entgeht den Theaterbesuchern, die den Originaltext nicht kennen (es gibt ihn übrigens in einer Online-Version in Englisch unter http://www.classic-
literature.co.uk/british-authors/16th-
century/christopher-marlowe/edward-ii/
und in einer zweisprachigen Ausgabe bei Reclam). Gegenüber dem Original und gegenüber den im deutschsprachigen Theater in den letzten Jahren häufigen szenischen Überzeichnungen wirkt Nüblings Inszenierung trotz der hart an der Schmerzgrenze angesiedelten Lautstärke eigentlich durchaus solid.  Auch bei Marlowe wird der König mit "Pflutter" ("puddle water") übergossen und es wird ihm der Bart abrasiert, bevor er umgebracht wird. Schlimmer als in den heutigen Print-Medien geht es bei Nübling jedenfalls nicht zu.

Hans Ulrich Iselin
Riehen

Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere vom 8. Oktober 2004
Die Gerechten
Autor: Albert Camus
Regie: Matthias Günther
Mit Bihler, Brömmelmeier, Douglas, Reisinger, Wrage


Terroristen in der Talk-Show



Die Bombe soll Jan werfen. Die Organisation hat es beschlossen. Aber Jan warf die Bombe nicht. Im Wagen des Grossfürsten sassen zwei Kinder, die Enkel. Deren Blick war so verloren. Die Terroristen-Gruppe ist ausser sich. Aber nicht über Jans Zögern, sondern über Stefans neidvolle Tirade. Der wirft Jan das luxuriöse Mitleid des im Grunde Ungläubigen vor, der ungerecht wird durch Inkonsequenz.

Aber wie gerecht sind diese Gerechten überhaupt, die sich das Recht herausnehmen, Bomben zu werfen? Und wie gerecht können die sein, die das Unrecht sehen, aber nicht handeln? Camus forderte diese existentiellen Fragen heraus in seinem dramatischen Fünfakter von 1949. Den Jan, der die "Menschlichkeit" im rechten Moment zeigte, stilisierte er zu einem Christus: Jan vollzieht anschliessend die Tat nicht nur, sondern er lässt sich verhaften, um vom Feind getötet zu werden.

Für so viel Leidenschaft und hohen Geist ist der Atem doch zu kurz im Basler Schauspiel anno 2004. Die Terroristengruppe, die seit Monaten jeden Moment mit Verhaftung, Verhör und Tod rechnet, räsoniert hier flatterhaft und hitzig wie die intellektuelle Kleinbürger-WG. Nicht schwere Charaktere mit ihren Prinzipien krachen hier aneinander, sondern Stefan und Jan streiten sich mit ihren nachpubertären Charaktermängeln. Das ist mit ein Grund, weshalb die Auseinandersetzung selten über den Bühnenrand kommt.

Die Anlage ist ein riesiges Fernseh-Talk-Studio. Dora interviewt den Alt-Terroristen Boris, der wieder in den bewaffneten Kampf gegen die heutigen Grossfürsten, die Banken, gehen will. Nach einem Exkurs über Terror-Anschläge im Irak und bewaffneten Widerstand beschliessen sie, "Die Gerechten" zu "spielen". Das Studio wird zur grosszügigen Terroristen-Loft, und das Stück nimmt seinen Lauf. So flott der Einstieg, so unklar seine Auflösung: Welcher Realitäts-Nennwert gilt? Das Fernseh-Spiel? Das Spiel-Spiel? Das ist nicht die einzige Ungeschicklichkeit an diesem Abend.

Immerhin: Auf plumpe Knall-Effekte wurde verzichtet. Die Fragen, die das Stück aufwirft, werden mit Engagement thematisiert. Der Abend ist weitgehend unterhaltsam. Die leere Bühne, hinter der wir auf die nächtliche Strasse sehen, das weisse Licht und ein ernstmeinendes Spiel ergeben interessante Bühnen-Momente.

9. Oktober 2004

Wertung ***


**** Hochgenuss
*** sehenswert
** nun ja
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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere vom 24. September 2004
Uraufführung
Der Mann, der Kurt Cobain erschoss
Regie: Tom Schneider
Mit Sandro Tajouri, Daniel Nerlich



Der Kurt und seine Kurtlis



"Mein Gott, warum ist denn das nicht voll", fragte leise eines der vielen Ensemble-Mitglieder im Zuschauerraum. Zu recht. Viele leere Plätze. Ist das nicht frech?

Da lockt doch das Schindhelm-Theater mit dem "letzten seriösen Interpreten klassischer Rock’n’Roll-Werte" (Programm-Falter). Aber die angepeilten Jünger, die 20-Jährigen von heute, die hocken draussen auf den Stufen, und drehen sich noch eins. Drinnen sitzen die 20-Jährigen, die mittlerweile den dreissigsten Geburtstag gefeiert haben. Denn auch zehn Jahre ist her, da sich "Nirvana"-Chef Cobain erschossen hat, und das Hauptstück seines Schaffens ist sogar "verfickte" (Stück-Jargon) 13 Jahre auf dieser "Scheiss-Welt": Nevermind, das ist der "Seargant Pepper" des Grunge-Punks der Neunziger und Angelpunkt dieser "Radio-Show Down Romanze".

Was ist eine "Radio-Show Down Romanze"? Man stelle sich vor: Ein runder, roter Riesen-Teppich, wie eine Schallplatte, drauf zwei Jungens. In den Köpfen dieser zappeligen Pubertären sind sie Teil einer imaginären Radio-Show mit der einen Platte (eben Nevermind). Zu jedem Song wissen sie eine Episode aus dem Leben Cobains vorzuspielen. Jedes Wort weckt in ihren fabulierenden Fan-Gehirnen tausend Assoziationen. Tajouri und Nerlich sind treu ergebene und engagierte Kurtlis, bis hin zur Distanzlosigkeit. Sie balgen sich herum, gröhlen Song-Texte mit, verhöhnen sich, schwatzen sich die Tagebuch-Fetzen vor und die berühmten aphoristischen Knaller von Cobain.

Die Pointen treffen, und das Fan-Publikum hat den Gaudi. Es lacht gern über Kurt und die Kurtlis. Die Bühnen-Kurtlis setzen "seine" Haartracht auf, um sich "einzufühlen". Ihr Plan: sie wollen den Mörder des Selbstmörders mächtig anziehen, um den wirklichen Kurt aus dem Nirvana zurückzuholen. Am Schluss landen sie beim Mythos: "Du bist nichts als ein verdammter Mythos", empört sich der eine gegen den anderen.

Genau da hört der Spass auf, aber auch der Tiefgang. Cobain bleibt uns nach diesen 80 Minuten als verrücktes, entrücktes Genie, das halt zu nah an den Abgrund geraten ist, unverständlich. Die Kurtlis erkennen wir, Kurt nicht. Und wer kein Kurt-Fan ist? Der hat hier nichts davon.

25. September 2004

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Theater Basel, Schauspielhaus
Premiere vom 22. September 2004
Uraufführung
Stiller
Regie: Lars-Ole Walburg
Mit Abelein, Hug, Müller, Neuenschwander, Reinke, Twerenbold


Die Auflösung ins Nichts



Am Schluss wurde da und dort verstohlen gegähnt in den Zuschauerreihen. Wieviel Dauer doch zwei Stunden haben können, hat uns der Schauspieldirektor mit seinem Saison-Einstand belehrt. Dabei quält einen nicht direktes Desinteresse, als vielmehr das Gefühl einer konsequenten Ausdünnung: keine Erzähl-Spannung, keine tragfähige Figuren-Plastik, keine überraschenden Bezüge, keine Botschaft ausser der Vergeblichkeit aller Bemühungen und der sicheren Auflösung ins Nichts, dafür ein behäbiger Roman-Text, der viel beschreibt.

Vor hohem Hodler-Berg-Panorama vollzieht Regisseur Walburg mit dem Hit-Titel helvetischer Nachkriegs-Literatur die kleine Zerlegung einer zerklüfteten Persönlichkeit, die sich gegen die Polizischt-Wäckerli-Schweiz auflehnt, nachdem Frisch dies schon 1954 mit dem Roman getan hatte. Was dabei herauskommt, ist, 50 Jahre danach, weniger: Auf der steil abfallenden Holzbühne lässt er nachspielen, was der Roman-Text enthält.

Will man es als Leser unbedingt wissen, ob der Held am Ende nun doch jener verschollene Zürcher Bildhauer Anatol Stiller ist, weiss man's als Zuschauer in den ersten Sekunden: Blitz und Foto-Klick setzen den Helden, als einen fest, der sich nur gegen das Bild der anderen wehrt, gegen die Fremdbestimmung seiner Identität. Bei seiner Einreise war er mit falschem Pass verhaftet worden. "Ich bin nicht Stiller", begehrt der Mitdreissiger-Macker in Cowboystiefeln trotzig auf. Seinen hölzernen Verteidiger lacht er aus und den engstirnigen Gefängniswärter Knobel missbraucht er als Zuhörer für seine Räubergeschichtli.

Mit seiner einstigen Ehefrau Julika will er einen neuen Frühling wagen. Sie geht an seiner Seite zugrunde wie eine Blume in schädigender Umgebung. Zum Schluss, als er von der Justiz zur Identität als Stiller verurteilt wird und sich nur noch saufend in der Einsamkeit vergräbt, sägt er aus dem Holzboden, auf dem er steht, ein Schweizerkreuz, in das er sich hineinstellt und aus dem er ins Publikum sieht: Das einzige ergreifende Bild zum Ende.

23. September 2004

Wertung **


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Theater Basel, St. Johann-Quartier
Premiere vom 17. September 2004
Freie Sicht aufs Mittelmeer
Autor und Regie: Dani Levy


Levys Jugend-Theater



Dani Levy ist ein Melodramatiker. Jetzt steckt er uns sentimentale 40-jährige Baaasler mit seinem neusten Jugend-Theater-Stück in den Sack. Er erwischt uns voll beim unfertigen Abschied von unseren Jugend-Träumen. Als Wahlberliner kommt er hierher zurück und führt uns mit seinem Helden Karl Möri an den Tatort unseres ersten Mals - politisch, kulturell, sexuell: Die Alte Stadtgärtnerei.

Heute wird Möri nach 10 Jahren "Schällemätteli" als Ex-Terrorist entlassen. Seine Gesinnung steht so stramm wie seine Punk-Frisur. Draussen erwartet er Kampfgenossen, Tränengas und Medienvertreter, aber draussen ist niemand. Seine Welt ist nurmehr Vergangenheit: alte Geliebte, alte Feinde, zerfallene Eltern. Wie veraltet aber sind Möris Ideale, sich um keinen Preis von einem System vereinnahmen zu lassen?

Diese Frage legt Levy in seinem Strassenstück über uns, wenn er uns mit seinem Möri durch das halbe St. Johann spazieren führt: Ein teilweise berauschender Jugend-Theater-Trip auf technischem Höchstniveau, wie es nur der Staat zahlen kann. In unseren Funk-Kopfhörern keucht unser Held direkt bei uns, wenn er von "den Bullen" aus der Vergangenheit gejagt wird. Wir hören den Soundtrack aus unserer Möri-Aktiv-Zeit: Punk-Rock von "The Clash", Film-Text aus dem Agitations-Streifen "Züri brännt", lächerliche Hitparaden-Hits, für die man sich als Möri schämt. Video-Projektionen setzen uns in eine historische Stadtgärtnerei-Vollversammlung, wo wir clever eingeschnitten unseren Möri ausmachen.

Sein Besuch bei den bürgerlichen Eltern: Direkt vor unserem Real-TV-Kamera-Auge brechen die alten Konflikte auf. Auch der zynische Despoten-Lehrer läuft uns über den Weg, der Klein-Karl dumm einschüchtert (die Kinder spielen das wunderbar): Das ganze Trauma-Personal wie entlehnt aus "The Wall" - so hat man vor 20 Jahren auf der Jugend-Bühne "thematisiert".

Beim Flanieren über den "St. Johann-Park" schielen wir auf die Baulücke der "Elsie". In einer TeleBasel-Einspielung sehen wir ein Interview zum Widerstand gegen die Zollfreistrasse. Heute erledigen die Polizisten solche Einsätze effizient. Zu Möris Zeiten repräsentierten sie erst mal die Schlagkraft der Staatsmacht. Aber Dani Levy wollte wohl einfach fragen: Wie frei ist Deine Sicht aufs Mittelmeer?

18. September 2004

Wertung ***


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Theater Basel, Klosterberg 6
Premiere vom 2. Juni 2004
Die Nacht singt ihre Lieder
Regie: Alexander Nerlich
Autor: Jon Fosse
Mit: Wolfgang Brumm, Margot Gödrös, Vincent Leittersdorf, Christoph Müller, Kathrin Wehlisch

Neue Szenen einer Ehe



Man hat's dem Premieren-Publikum angemerkt: Szenen einer Ehe bleiben das Nonplusultra. Soeben hat SIE ihm ins Gesicht gehauen, dass sie "mit dem andern" regelmässig schlafe, vorhin auch, im Auto. Na, was macht ER denn jetzt? Drischt er ihr eine, sie fordert es heraus, gewiss, es wäre verständlich, aber nicht in Ordnung. Drischt er ihr keine, ist's zuwenig für verletzte Liebe.

Christoph Müller, "der junge Mann", drischt ihr keine. Den Kinderwagen hatte er, während er die ganze Nacht auf sie gewartet hatte, in die Stube zu sich gestellt, damit er nicht so alleine ist. Heute hat er die zehnte Verlags-Absage seines Buch-Scripts bekommen, aus "Qualitätsgründen". Jetzt ist alles aus. Dabei war's das schon lange. "Die junge Frau", Kathrin Wehlisch, hat seine Schriften nie gelesen. Sie quengelt, dass er sich vor der Welt verstecke. Sie will "Spass", andere Menschen treffen, auch Männer. Am Schluss, wie sie mit ihrem Liebhaber ausziehen will, kann sie es nicht – wegen der Pfannen, wie sie sagt. Gerade das ereignislose Normal-Unglück scheint enorme Kleb-Qualitäten zu haben.

Das Stück führt die Tragödie schnörkellos bis zum tödlichen Ende. Im Klosterberg 6 sitzt man mittendrin in dieser Küche. Man kann nicht ausweichen - welch eine Chance! Man hat sie dem jungen Regie-Assistenten Alexander Nerlich gegeben, der sie in einem geraden und einfachen Schauspielabend wahrgenommen und realisiert hat. Er hat das Stück weitgehend zum Nennwert genommen und sich auf dessen dramatische Wucht verlassen. Hätte er den Mut gehabt, die Musik (Klavierklänge) wegzulassen, wäre der Abend nackter geworden.

Nackt, das wäre auch die geeignete Regie-Anweisung an die beiden Hauptdarsteller gewesen. Wenn man sieht, wie die Schauspieler denken ("das endet übel"), dann ist die Hälfte des Vergnügens weg. Müllers Verlierer-Miene hat man auch aus anderen Produktionen in Erinnerung. Die Wehlisch hat sich dazu entschlossen, jedes Wort auf die Achse Zärtlichkeit-Sadismus zu legen, und sich damit eingeschränkt. Wieso sie sich einen etwas verhärmten Entenhausener Watschelgang angeeignet hat, weiss keiner. Das sind Äusserlichkeiten, die nur ablenken. Genauere Innenschau hätte das Drama zwingend machen können.

Dennoch: Da wurde sehr viel an Tonfällen gearbeitet, und das wird mit spannenden Momenten belohnt.

3. Juni 2004

Wertung ***


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Theater Basel, Kleine Bühne
Premiere vom 3. April 2004
Uraufführung/Koproduktion mit dem luzernertheater
Svetlana in a favela
Autor und Regie: René Pollesch
Mit: Abelein, Rolli, Schweitzer

Der Kitsch, die Matratze und der Text



Die 30-Jährigen, die bemüht sind, zum Ausdruck zu bringen, sie seien emanzipiert, zeichnen sich selbst durch den Verzicht zur Bereitschaft aus, als erwachsen zu gelten. Und von dieser Art 30-Jähriger für diese Art 30-Jähriger ist auch diese Schauspiel-Konstruktion für drei Schauspielerinnen, Text, Musik-Konserven und lachbereites Insider-Publikum. Alle auf, hinter und vor der Bühne kennen das Bühnenbild aus eigener Erfahrung: Die Brockenhaus-Plüsch-Polstergruppe in der WG-Stube, das Boden bedeckende Matratzen-Lager, der Billig-Kitsch-Duschvorhang an der Wand, allerlei herumliegender Sperrgut-Kitsch. Diese pubertäre Trash-Subkultur ist die Benutzeroberfläche des Humors, das Heruntergekommene die des Geschmacks.

So durcheinander wie die Matratzen, so durcheinander der Text für die drei Schauspielerinnen: Politik-Geschwafel, Solidaritäts-Blabla, Soziologie-Theorie-Fetzen, Illustrierten-Bekenntnisse, Liebesbeziehungs-Blödheiten und viel "Scheisse". Regie-Anweisung: So schnell herunterdonnern, wie es technisch geht. Das schnelle Reflex-Denken, die Worte als Reiz-Motive – das ist die angesteuerte Sphäre.

Ungeheuere Sätze, etwa über "9/11" ("Ich hab Flugzeuge im Bauch"), in beziehungslosem Tonfall – das bringt das Premiere-Publikum zum Wiehern. Oder wenn die Schauspielerinnen aus ihrem Höchstgeschwindigkeits-Text-Marathon herausfallen - darüber kann man ja auch lachen.

Gott sei Dank haben die Schauspielerinnen während den 75 Minuten nach jeweils drei Minuten Text-Gedonnere Pause. Während laut eingespielten Latino-Electro-Nummern können sie auf den Matratzen herumlümmeln. Eine trägt ein Fussball-T-Shirt und Moonboots, eine andere ein Schönheits-Königinnen-Krönchen und eine Punker-Lederjacke. Alle drei könnten als Kreuzung zwischen Madmax und Spice-Girl durchgehen.

Diese Svetlana, soviel ist verständlich, ist als eine Trägerfigur gemeint für alle Gross-Stadt-Mädchen in den Favelas unserer Gross-Städte. Einem Interview mit Autor René Pollesch können wir entnehmen, dass hier eine Geschichte über einen Pablo erzählt wird, der eine Comtessa bestiehlt, die ihn liebt. Ob’s jemand gemerkt hat?

4. April 2004

Wertung **


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Theater Basel, Grosse Bühne
Premiere vom 25. März 2004
Orestie
Trilogie (Agamemnon, Die Totenspende, Die Eumeniden)
Autor: Aischylos
Regie: Tom Kühnel
Mit: Brömmelmeier, Brumm, Claus, Fenz, Gödrös, Hüller, Le Moign, Leittersdorf, Lotzmann, Schröder, Wächter, Wehlisch
Puppen: Susanne Claus, Suse Wächter

Orest in der Selbsthilfegruppe



Als bei der Uraufführung die Rachegötter die Bühne betraten, geriet das Publikum in Panik. Ueber zehn Stunden lang wurde bei der einmaligen Festspiel-Aufführung die Familien-Tragödie der Atriden zelebriert. Ehefrau Klytaimnestra schlachtet mit Liebhaber Aigisth den Ehemann König Agamemnon ab, denn dieser hat die Tochter Iphigenie geopfert. Sohn Orest, von Schwester Elektra aufgehetzt, tötet die Mutter, und wird von den Rachegöttern gejagt. Göttin Pallas Athene spricht ihn später frei. Die Konflikte sind unlösbar. Die Detailgenauigkeit zwingt einen in die Tiefe.

Heute sind wir bequemer (3,5 Stunden Vorführung) und flexibler im Geist: Als Königspalast soll uns ein Gartenhäuschen genügen, und als König Agamemnon ein dicker Mann in Verlierer-Pose. Er zieht ein Leiterwägeli hinter sich her. Gerade eben habe er Troja besiegt. Wir erfahren, dieser unbewegliche Herr habe die unglaublichsten Abenteuer in den entsetzlichsten Umständen überlebt. Es sei, insgesamt besehen, alles ordentlich gegangen, sagt der Griechenfürst im Clochard-Look. Als er im Gartenhäuschen ermordet wird, ertönt in grösstmöglicher Lautstärke eine schrille Ton-Collage aus Schreien, die aus einem Horror-Schock-Film entlehnt sein könnte. Da drei weitere Morde geschehen, wird diese Erschreck-Attacke drei weitere Male verübt.

Im zweiten Teil sitzen die Dorfweiber auf Medizinbällen wie in einer Selbsthilfegruppe – nicht die Dorfseele jammert, sondern das Privat-Leid. Der Tempel der Pallas Athene im dritten Teil ist ein Workshop-Übungsraum. Auf Turn-Matten toben sich die Rachegötter in einer Schrei-Therapie aus. Sie tragen Horror-Masken aus dem Zauberlädeli. Pallas Athene labert von der "Mitte", das Ensemble macht Atem-Uebungen. Es gehe um Katharsis, um das Leiden als Therapie, sagte Regisseur Kühnel zur Inszenierung.

Leider geht’s um das gerade nicht; die Aufführung demonstriert den Schrecken, aber die Umwandlung durch das Leiden sehen wir nie. Ein Abend lang wird von den extremsten Zuständen berichtet, es wird geröchelt und sehr laut geschrien, aber die Dehnbarkeit des Ichs wird kaum je ausprobiert. Einmal mehr kommt das Basler Schauspiel bei einer Klassiker-Aufführung nicht darüber hinaus, lediglich eine Ahnung von der Tiefe der Dichtung zu geben.

26. März 2004

Wertung **


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