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© Fotos by Rebecca Sommer

"Mörderische Gewalt": Hmong-Kinder im thailändischen Gefängnis, Hmong-Frauen

Menschenjagd in den Bergwäldern von Laos

Die Verfolgung des Volkes der der Hmong: Eine deutsche Filmerin zwingt die Welt zum Hinschauen

VON RUEDI SUTER

In den Gebirgswäldern von Laos spielt sich seit Jahrzehnten eine Tragödie ab, die erst jetzt bekannt wurde: Regierungstruppen versuchen mit allen Mitteln, Gruppen der Hmong-Minderheit auszulöschen. Ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht. Der Völkermord beginnt jetzt die UNO zu beschäftigen.

Die Greuel sind unvorstellbar. Halb verhungerte Männer, Frauen und Kinder werden in den abgelegenen laotischen Gebirgswäldern von Kampfflugzeugen und Hubschraubern mit Maschinengewehren, Bomben und chemischen Kampfstoffen unter Beschuss genommen. Überlebende, die den nachstossenden Bodentruppen der laotischen Armee in die Hände fallen, erleiden Folterungen, Verstümmelungen, Vergewaltigungen oder sie werden gleich umgebracht. Das berichten seit ein paar Monaten internationale Menschenrechtsorganisationen. Sie belegen ihre Vorwürfe mit erschütternden Filmen, Fotos und den verzweifelten Berichten Überlebender.

Von den Medien nicht beachtet

Doch die Menschenjagd auf die Hmong-Gruppen in den Wäldern von Laos wird nur von wenigen Medien thematisiert. Deren Aufmerksamkeit gilt den aktuellen "Modethemen" - den Kämpfen in Afghanistan, im Nahen Osten, am Horn von Afrika und zuweilen auch dem schon viel weniger verfolgten Völkermord im Darfur. Schwerste Menschenrechtsverletzungen wie Genozide und Massentötungen haben die Tendenz, von der so genannten Weltöffentlichkeit oft mit beträchtlicher Verzögerung wahrgenommen zu werden.

Dies scheint auch auf die verfolgten Hmong in Laos zuzutreffen. Ihre Leidensgeschichte geht auf den Vietnamkrieg zurück. Um den Nordvietnamesen ihren auch durch Laos führenden Nachschubsweg, dem Ho-Chi-Minh-Pfad, zu unterbinden und den kommunistischen Pathet Lao in Laos zu bekämpfen, begann die American Central Intelligence Agency (CIA) eine "Geheimarmee" von mehr als 10'000 Männern aufzubauen. Sie bestand zur Mehrheit aus Vertretern einer zähen Bergwaldbevölkerung, der Hmong-Minderheit.

Im Strudel des Vietnamkriegs

Von Amerikanern und Thailändern in thailändischen Trainingslagern ausgebildet, operierten diese Hmong-Kämpfer in kleinen Einheiten gegen die Rebellen des Pathet Lao und die Nordvietnamesen. Dies wie auch die Kämpfe zwischen den laotischen Regierungstruppen und den Kommunisten sowie die mengenmässig beispiellosen Bombenabwürfe der USA auf ein einzelnes Land führten dazu, dass das neutrale Laos immer mehr in den Strudel des Vietnamkrieges gezogen wurde. Darunter litt auch die Hmong-Bevölkerung, die 1973 weit über 120'000 Flüchtlinge zählte. Allein zwischen 1960 und 1975 sollen rund 30'000 Hmong umgekommen sein. Und nach der Machtübernahme durch die Kommunisten im Jahr 1975 sollen laut Hmong-Angaben in den folgenden drei Jahren gegen 50'000 Volksangehörige durch Giftgaseinsätze und 45'000 durch Hunger, Krankheiten und Schüsse ihr Leben verloren haben.

Besonders die Parteinahme eines vergleichsweise kleinen Teils der in Laos lebenden Hmong gegen den Pathet Lao vor über drei Dekaden scheint die Ursache der heutigen Verfolgung zu sein. "Die Behörden in Laos wollen sich hierfür noch immer rächen", kommt die Gesellschaft für bedrohte Völker Deutschland (GfbV) zum Schluss. Vor allem ihre Mitarbeiterin, die Filmerin Rebecca Sommer, hatte letztes Jahr mit ihren Recherchen vor Ort, der Befragung von 240 nach Thailand geflohenen Hmong und einem 50 Seiten umfassenden Report auf die Tragödie in den laotischen Bergwäldern aufmerksam gemacht.

Tausende schmoren in thailändischen Gefängnissen

Mit Eingaben beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen und den EU-Regierungen versucht sie seither internationalen Druck aufzusetzen, um die schweren Menschenrechtsverletzungen an der verfolgten Minderheit zu beenden. Auch die "Arbeitsgruppe für indigene Völker" der UNO und die UN-Vollversammlung weiss unterdessen um die dramatische Lage der Hmong in Laos - und in Thailand, wo zurzeit Tausenden geflohener Hmong in primitiven Gefängissen die Ausschaffung droht. Gegen diese Kerker haben sich unterdessen auch Louise Arbour, die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, und Antonio Guterres, der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, ausgesprochen.

Laut der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Louise Arbour im Dezember von Genf aus Thailands Regierung explizit aufgefordert, die internationalen Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden zu respektieren. Vorderhand mit Erfolg, auch wenn die grosse Flucht aus Laos weiterhin anhält und sich traumatisierte Geflohene in der Phetchabun-Provinz an den Strassenrändern oder als "illegale Einwanderer" in überfüllten Flüchtlingslagern oder Haftanstalten niederlassen. Immer scheint sich nun etwas zu bewegen: Mitte März verkündete Thailands Aussenminister Nitay Pibulsonggram, man habe zusammen mit den laotischen Behörden die Gründung eines Komitees ("General Border Committee") vereinbart, das sich auf der Basis von "Transparenz und gegenseitigem Einvernehmen" um eine Verbesserung der Lage der rund 7000 nach Thailand geflohenen Hmong kümmern soll.

Kein Zutritt zum Sperrgebiet

Allerdings bestreitet die laotische Regierung in der Hauptstadt Vientiane nach wie vor alle Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land. Doch kann niemand in das Sperrgebiet Haysomboun, wo laotische zusammen mit vietnamesischen Soldaten Jagd auf die "Rebellen" machen sollen: Rotes Kreuz-Delegierte nicht, UNO-Beobachter und Journalisten nicht.

Derweil scheint das Kesseltreiben gegen Hmong-Gruppen, die sich seit 30 Jahren in den in den abgelegenen Gebirgswäldern von Laos verstecken, unvermindert weiterzugehen. Am 1. März soll nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen ein Kriegsflugzeug über den Wäldern von Phoua Dapho ein bislang unbekanntes Gift versprüht haben, das zwar nicht sofort Tote forderte aber mehr als 200 versteckte Hmong erkranken liess. Sie mussten erbrechen, litten an Schwindel und blutigem Durchfall. Wenige Tage später soll das Gebiet von Bodentruppen angegriffen worden sein und mindestens sieben Hmong das Leben gekostet haben.

Laut Rebecca Sommer dürften sich noch schätzungsweise 20'000 von der laotischen Regierung als Feinde betrachtete Hmong in den Wäldern von Laos verstecken. Deren Lebensgrundlagen würden systematisch zerstört. Und dies, obwohl sie nichts mehr mit den ehemaligen Kämpfern zu tun hätten. Die meisten seien deren Angehörige aus der zweiten oder dritten Generation. Das Ziel dieser Bauernfamilien sei einzig, der mörderischen Gewalt der Soldaten zu entkommen.

Wie Tiere gejagt

Um nicht aufgespürt zu werden, könnten die Hmong weder Nahrung anbauen noch Feuer machen. Die meisten ernährten sich seit Jahren nur noch von Pflanzen und Wurzeln. Viele stürben an Hunger, Erschöpfung, Krankheiten oder, mangels Medizin und Verbandmaterial, an nicht behandelten Wunden. Rebecca Sommer hat sich auch nicht gescheut, via Internet der Öffentlichkeit das Leiden dieser Hmong-Gruppen vor Augen zu führen. Wer ihre Site "Hunted like animals" ("Wie Tiere gejagt") anklickt und sich ein paar der zum Teil aus dem Dschungel geschmuggelten Filmausschnitte anschaut, wird diese so rasch nicht mehr vergessen. Und das ist Absicht: Die Verfolgung der Hmong in Laos soll nicht mehr ignoriert werden können.

Rebecca Sommers Dokumentation: http://www.rebeccasommer.org/documentaries/Hmong/index.php


  > CHINESISCHER URSPRUNG


rs. Die Hmong stammen ursprünglich aus China, wo sie heute noch unter dem Namen Miao mit gegen neun Millionen Angehörigen eine der grössten Minderheiten bilden. Die bauernden Miao wurden einst von den Han-Chinesen aus dem Norden in die unwirtlichen Gegenden Südchinas verdrängt. Ihre Frauen entwickelten eine Textilkultur, die zu den höchsten der Welt gezählt werden kann und die auch Maos Gleichmacher-Politik überlebt hat. Im 19. Jahrhundert wanderten Miao-Gruppen nach Laos, Vietnam und Thailand aus, wo sie heute unter dem Namen Hmong bekannt sind. Über ihre Bevölkerungszahl in Laos gibt es weit auseinander liegende Angaben. Sie bewegen sich zwischen 200'000 und 430'000 Angehörigen und leben vorab in den Bergregionen der Provinzen Luang Prabang, Xieng Khouang und Sam Neua. Tausende Hmong aus Laos sind seit dem Vietnamkrieg in die USA, nach Kanada und Frankreich geflüchtet.

8. April 2007

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