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© Fotos by Pro Wildlife

"Willkommene Devisenbringer": Tankrek in Gefangenschaft

Wildwuchs im Wildtierhandel:
Zustände wie auf dem Wühltisch

Das Geschäft blüht weitgehend unkontrolliert - oft unter schrecklichen Leiden der Tiere

VON MATTHIAS BRUNNER

Wildtiere werden zu Millionen wie eine Ware rund um den Globus verschachert. Die Sammelwut der Konsumenten kennt keine Grenzen, und sie bedroht die Wildbestände. Das gigantische Geschäft erreicht die Dimensionen des Drogen- und Waffenhandels. In der Schweiz wird dieser Problematik bisher kaum Beachtung geschenkt.

Ob Langohrigel, Landschildkröte, Papagei, Gürteltier oder Riesenschlange: Kaum ein Wildtier scheint vor irgendwelchen "Liebhabern" sicher zu sein, nicht in einen Käfig gesperrt zu werden. Bei den exotischen Wildtieren handelt es sich bei weitem nicht immer um blosse Nachzuchten in Gefangenschaft, sondern vielfach schlicht um Wildfänge. Grund dafür nach Ansicht von Peter Schlup, Wildtierexperte des Schweizer Tierschutzes STS: "Wildfänge sind einfach oft billiger zu kriegen."

Dimensionen wie im Drogenhandel

In den Ursprungsländern dienen die begehrten Wildtiere als willkommene Devisenbringer. Jedenfalls scheint der Handel mit Wildtieren wie kaum zuvor zu blühen. Laut der Tierschutzorganisation "Pro Wildlife" gilt Deutschland als einer der grössten Absatzmärkte für den illegalen Handel mit Wildtieren in Europa. Mehrere hunderttausend Ziervögel und Reptilien, sowie Zehntausende Säugetiere und Millionen Zierfische werden jährlich eingeführt. Nach Angaben von "Pro Wildlife" werden jährlich allein rund 1,76 Millionen Ziervögel legal in die EU importiert.

Der WWF Deutschland schätzt das internationale Geschäft mit exotischen Tieren und Pflanzen auf zwischen fünf bis acht Milliarden Euro pro Jahr. Der dabei erzielte Gewinn sei "mit jenem des Drogen- und Waffenhandels vergleichbar". Kein Wunder, dass sich auch mafiöse Organisationen für dieses lukrative Geschäft interessieren. Der WWF befürchtet, dass der Wildtierhandel mit der Ost-Erweiterung der EU sogar noch weiter angekurbelt werden könnte.

Kaum Fahndungserfolge

Vergleichsweise bescheiden liest sich dabei die Erfolgsquote des deutschen Bundesamtes für Naturschutz: Im Jahre 2004 wurden gerade einmal 1'249 Beschlagnahmungen von geschützten Arten an den Grenzen vorgenommen, wovon der grösste Teil auf Pflanzen und Vögel entfällt. Darunter befinden sich unter anderem so exotische Beispiele wie der illegale Einfuhrversuch eines Bärenfells, Hornschnitzereien einer Waldziegenantilope und lebende Landschildkröten aus Kasachstan.

Dabei war es noch nie so einfach, an exotische Tiere heranzukommen, selbst an solche, die geschützt sind: Ein einfacher Klick im Internet genügt. Nach Recherchen des Komitees gegen den Vogelmord e. V. werden geschützte Wildtiere auch über das weltweit tätige Internet-Auktionshaus Ebay angeboten.

Eine beliebte Bezugsmöglichkeit sind Tierbörsen, wie sie regelmässig vielerorts stattfinden. Dort wird - wie auf dem Wühltisch beim Sonderverkauf - fast alles angeboten, was das "Sammlerherz" begehrt: Angefangen vom Kolibri über das Gürteltier bis zum Kroko. Laut Aussagen der Tierschutzorganisation "Pro Wildlife" wird selbst mit streng geschützten Arten unter der Hand "gedealt". Doch auch im Inserateteil von spezialisierten Fachzeitschriften finden sich immer wieder Angebote von exotischen Tieren.

Schweiz: Keine verlässlichen Zahlen

In der Schweiz zeigt sich das Bundesamt für Veterinärwesen (Bvet) gelassen: Die Einfuhrzahlen für Wildtiere wären seit Jahren generell rückläufig. An der Schweizer Grenze gab es im letzten Jahr bloss 17 Beschlagnahmungen von Tiersendungen. Insgesamt wurden im Jahre 2003 offiziell rund 30'400 nicht geschützte Wildtiere in die Schweiz eingeführt.

Tatsächlich existieren aber im Gegensatz zu Deutschland keine verlässlichen Zahlen über den Wildtierhandel in der Schweiz. Erst jetzt soll demnächst eine Studie mit einer Analyse einer Praktikantin mit den Handelsdaten zwischen 1976 und 2002 veröffentlicht werden. Allerdings schränkt Mathias Lörtscher, Leiter Artenschutz beim Bvet, ein: "Wir haben massiv weniger Grenzkontrollen." Diese dürften wohl nach dem Inkrafttreten der bilateralen Abkommen mit der EU noch weiter abnehmen. Eigentlich sollte das CITES-Abkommen bedrohte Arten schützen. Doch wo keine Kontrollen stattfinden, verkommt das wohlgemeinte Papier zur Makulatur.

Der WWF Schweiz ortet ein grosses Manko bei der Kontrolle des Wildtierhandels in der Schweiz: "Diesem Thema wurde bis jetzt viel zu wenig Beachtung geschenkt", bestätigt Doris Calegari, beim WWF neuerdings für diesen Bereich zuständig.

Verlustreiche Tiertransporte

Dabei scheint nicht einmal der Schmuggel von Wildtieren das grösste Problem zu sein, sondern die legale Einfuhr. Durch die riesige Nachfrage werden ganze Landstriche in den Herkunftsländern von Wildtieren buchstäblich leergefegt. Die Tortur beginnt für die Tiere meist schon bei den teilweise unzimperlichen Fangmethoden. Bedingt durch Stress oder Verletzungen gehen viele von ihnen ein. Äusserst strapaziös gestalten sich oft die Transporte aus dem Fanggebiet, bis die Tiere endlich zum Händler oder Privatkunden gelangen. Doch die hohen Verluste werden im Preis bereits einberechnet. Der deutsche Tierschutzbund appelliert deshalb, auf die Haltung von Exoten zu verzichten.

Obwohl die internationale Luftfahrtsorganisation IATA strenge Richtlinien für den Transport von Tieren erlassen hat, kommt es immer wieder zu tragischen Vorkommnissen. Wie auf jenem Air France-Flug im Jahre 2003, auf dem etliche Tiere aus Madagaskar im Frachtraum erfroren, die für den Zürcher Zoo bestimmt waren. Vorbildlich verhält sich die Lufthansa Cargo, die seit 2001, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf den Transport von Wildtieren verzichtet.

Haltungsfehler durch Unwissen

Doch mit der Ankunft in Europa hat das Leiden der Tiere meistens noch kein Ende gefunden. Denn vielfach mangelt es den Tierhaltern am nötigen Fachwissen, um die exotischen Wildtiere artgerecht zu halten - sofern dies überhaupt möglich ist. Gerade bei Tieren, die auf Tierbörsen oder von privaten Anbietern gekauft werden, entfällt eine fachkundige Beratung in der Regel völlig.

Auf die anfängliche Begeisterung über den neuen Mitbewohner folgt oft schon bald die Ernüchterung. Spätestens dann, wenn sich der allein gehaltene Papagei sämtliche Federn ausrupft oder der vormals kleine Leguan zu einem zwei Meter langen Reptil herangewachsen ist und nach immer grösseren Futtertieren giert, schwindet bei vielen Tierhaltern schlagartig das Interesse an ihren lebendigen Wohnausstattungs-Objekten. Resultat für etliche betroffene Tiere: Nach kurzer Zeit werden sie von ihren überforderten Besitzern häufig einfach in der freien Wildbahn ausgesetzt, Fische werden teilweise kurzerhand über die Toilette weggespült.

Für die meisten dieser Tiere bedeutet die Aussetzung der sichere Tod. Jene die trotzdem überleben, können unter Umständen, wie mit den amerikanischen Flusskrebse oder den Waschbären bereits geschehen, zu einer Gefahr für die einheimische Tierwelt werden. Verhältnismässig Glück haben da noch jene Tiere, welche in einem Tierheim abgegeben werden. Aber auch für diese von Tierschutzorganisation betriebenen Einrichtungen stellen die Exoten ein Problem dar. Denn sie sind schwierig unterzubringen und neu zu platzieren.

Gefahr durch Vogelgrippe

Eine völlig neue Gefahr bedeutet die Vogelgrippe, die über exotische Vögel eingeschleppt werden könnte. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, zeigt das Beispiel eines in Grossbritannien verstorbenen Papageis, der an dem auch für Menschen gefährlichen Virus H5N1 erkrankt war. Zwar erliess die EU im Herbst letzten Jahres einen befristeten Einfuhrstopp für Wildvögel, doch fordern Tier- und Naturschutzorganisationen nun ein definitives Importverbot.

Weitere Informationen:
www.prowildlife.de
www.tierschutzbund.de
www.wwf.ch


  > CITES-ABKOMMEN

mb. Zum Schutze von bedrohten Tier- und Pflanzenarten wurde 1973 das "Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten arten frei lebender Tier und Pflanzen" CITES ("Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora") getroffen. Das auch als "Washingtoner Artenschutzübereinkommen" bekannte Dokument ist weltweit von über 160 Staaten unterzeichnet worden.

Alle zwei bis drei Jahre treffen sich die beteiligten Länder zu einer Konferenz, an welcher der Schutzstatus verschiedener Arten immer wieder neu beurteilt wird.

Der Schutzgrad der einzelnen Arten ist in den so genannten Anhängen I bis III geregelt und schränkt den Handel mit diesen Arten unterschiedlich abgestuft ein.



  > REGELUNG VON WILDTIERBÖRSEN

mb. Fast jedes Wochenende findet irgendwo in Deutschland oder der Schweiz eine Wildtierbörse statt, die oft eher an einen Flohmarkt erinnert. Dabei sind bereits der Transport und danach die Unterbringung an Ort für die Tiere häufig belastend.

Dem möchte nun das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium mit einer neuen Regelung Einhalt gebieten. Unter dem Titel "Leitlinie zur Ausrichtung von Tierbörsen unter Tierschutzgesichtspunkten" verbirgt sich ein fast 50-seitiges Regelwerk. Leider handelt es sich dabei aber nicht um eine gesetzlich verbindliche Verordnung.

Der Schweizer Tierschutz STS fordert im Rahmen der neuen Verordnung zum revidierten eidgenössischen Tierschutzgesetz eine Bewilligungspflicht von Tierbörsen sowie die Einhaltung bestimmter Auflagen.

11. August 2006

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"öffentlichkeit muss aufgeklärt werden"

besten dank für diesen artikel! als aktuarin der Schildkrötenfreunde Basilienses verfolge ich dieses thema natürlich schon länger. leider gibt es immer einige leute, die nur die seltensten und bedrohtesten tiere halten wollen und so diesen handel ankurbeln.

es ist wie mit allem - die nachfrage bestimmt das angebot. darum ist es wichtig, die öffentlichkeit über das traurige schicksal der tiere aufzuklären! ich hoffe, ihr artikel schlägt grosse wellen - auf unserer webseite www.schildkroeten-sfb.ch habe ich ihn jedenfalls sofort verlinkt.
 
unglücklicherweise ist es so, dass viele (wild)tiere - egal ob legal oder illegal erworben - meist nicht artgerecht gehalten werden.
 
wir als schildkröten-verein versuchen, möglichst viele halter über die artgerechte haltung von schildkröten zu informieren. aus diesem grund veranstalten wir am wochenende des 19./20. august 2006 im tierpark lange erlen unsere 3. schildkröten-informations-tage mit kleiner schildkröten-ausstellung. an unseren info-ständen beim erlen-kiosk können sich interessierte kostenlos über den richtigen umgang mit den panzerträgern informieren.

claudia sommerhalder
füllinsdorf



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