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© Foto by Beat Stauffer

"Behauptungen eines fragwürdigen Informanten": Salafistenpaar (rechts) in Algerien

Keine Panzerfaust und auch kein Sprengstoff

Die Gruselgeschichte des "Blick" über die angebliche Terrorzentrale Basel war eine Falschmeldung

VON BEAT STAUFFER

Die Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstagenten Claude Covassi haben weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Einiges dabei hat sich bereits als Fiktion erwiesen. So steht heute fest, dass es sich bei der Geschichte von der Panzerfaust, die laut "Blick" angeblich bei einer Razzia in Basel beschlagnahmt worden war, um eine Falschmeldung handelt.

Nun steht es fest: Die gross aufgemachten "Blick"-Berichte, wonach anlässlich einer Razzia vor rund drei Wochen in Basel eine Panzerfaust beschlagnahmt worden war ("Terror-Alarm in Basel"), sind falsch. Dies erklärte Hansjürg Mark Wiedmer, Sprecher der Bundesanwaltschaft, auf Anfrage am Samstagnachmittag und bestätigte damit Recherchen der NZZ am Sonntag und von OnlineReports.

Die Meldung, die das Boulevardblatt am 22. Mai veröffentlicht hatte, schreckte vor allem die Region Basel auf und fand weltweit Verbreitung. Der Inhalt: Anlässlich einer landesweiten Razzia gegen radikale Islamisten sollen in Basel eine RPG-7 Panzerfaust ("Die Panzerfaust kam aus Tschetschenien") sowie Sprengstoff beschlagnahmt worden sein. Zwei der in Basel verhafteten radikalen Islamisten hätten im Verhör das Versteck der Waffe preisgegeben. Diese angeblich aus tschetschenischen Beständen stammende Waffe sollte bei einem geplanten Attentat auf eine El Al-Maschine in Genf zum Einsatz kommen. Eine weitere "Terrorzelle" soll zudem in Zürich ausgehoben worden sein. Der "Blick" behauptete weiter, die insgesamt sieben Verhafteten stünden der radikal-islamischen Salafistengruppe GSPC nahe, und Basel sei die Schweizer Basis dieser mit der Kaida liierten Extremistengruppe.

Welche Rolle spielt Spion Covassi?

Die Berichte stützen sich auf eine Meldung in der israelischen Tageszeitung "Yediot Acharonot" ab. Alles weist aber darauf hin, dass sich auch diese Zeitung nur auf einen einzigen Informanten beruft: Auf den abgesprungenen Agenten Claude Covassi. Vergeblich sucht man weitere Quellen oder eine Bestätigung durch die israelischen Behörden. Die ganze "Panzerfaust-Geschichte" basiert damit ausschliesslich auf den Behauptungen dieses fragwürdigen Informanten.

Dabei ist es durchaus denkbar, dass radikal-islamistische Kreise ins Auge gefasst haben, irgendwann eine Maschine der El Al ins Visier zu nehmen. Nach übereinstimmender Meinung von Experten ist keine Fluggesellschaft der Welt derartigen Gefahren stärker ausgesetzt als die israelische Airline. Doch die konkreten Terror-Behauptungen scheinen sich zunehmend in Luft aufzulösen.

Libyscher Asylbewerber verhaftet - ohne Panzerfaust

Schon kurz nach der Publikation der wilden Geschichte machten sich Zweifel an deren Wahrheitsgehalt bemerkbar. Nach Recherchen von OnlineReports steht schon seit rund zehn Tagen fest, dass zumindest am 12. Mai in Basel keine Waffen beschlagnahmt worden sind. In Basel wurde zudem nur eine Person verhaftet - und nicht zwei, wie "Blick" behauptete. Der Mann ist Asylbewerber libyscher Nationalität, lebt seit vielen Jahren in der Schweiz, besitzt eine Niederlassungsbewilligung C und wohnte zumindest zeitweise in Basel.

Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich beim Libyer eher um eine "Einzelmaske" als um das Mitglied einer islamistischen Gruppierung. Allerdings verkehrte der Verhaftete regelmässig in der Basler Arrahma-Moschee. Dieser Moscheeverein ist dafür bekannt, dass er sich gegen aussen stark abschottet und eine sehr rigide Auffassung des Islam vertritt. Der Präsident der Arrahma-Moschee, Ridha Ammari, kennt den Libyer nach eigenen Aussagen nicht und ist auch über dessen Verhaftung nicht im Bild. Der Betreffende - er ist mittleren Alters - sitzt zurzeit immer noch in Untersuchungshaft.

Auch kein Sprengstoff gefunden

Am vergangenen Freitag konnte OnlineReports zusätzlich in Erfahrung bringen, dass die Behörden im Rahmen dieser Polizeiaktion weder zu einem späteren Zeitpunkt in Basel - was theoretisch denkbar gewesen wäre - noch in Zürich und im Raum Genf/Lausanne Waffen oder Sprengstoff sichergestellt haben.

Das "Terror-Story" erscheint damit zunehmend als der verzweifelte Versuch eines abgesprungenen, offensichtlich labilen Untercover-Agenten, sich nach einer Irrfahrt durch die halbe muslimische Welt möglichst teuer zu "verkaufen" und auf solche Weise eine halbwegs ehrenvolle und gesicherte Rückkehr in die Schweiz in die Wege zu leiten. Sollte er wie angekündigt in die Schweiz zurückkehren, so dürfte sich bald herausstellen, was der abgesprungene Agent tatsächlich weiss und was er zum eigenen Nutzen fabuliert hat.


  > VERHAFTUNG UNTER DRUCK?


Was hat der Spion Claude Covassi mit den Verhaftungen in Basel zu tun? Es bleiben zumindest zwei offene Fragen. Weshalb fand die Razzia ausgerechnet am 12. Mai statt, nachdem laut Covassis Aussagen schon seit rund sechs Monaten bekannt war, dass islamistische Aktivisten den Plan hegten, sich eine Panzerfaust zu beschaffen? Und wie konnte Covassi, der zu diesem Zeitpunkt im Ausland weilte, wissen, dass in Basel zu diesem Zeitpunkt eine Panzerfaust beschlagnahmt worden war?

Diese beiden Fragen lassen sich zurzeit nicht schlüssig beantworten. Doch ein Erklärungsversuch scheint nahe liegend. Die Verhaftung musste am 12. Mai stattfinden, weil Covassi am 11. Mai via "Blick" angekündigt hatte, heikle Informationen preiszugeben. Die Behörden, so ist zu vermuten, waren dadurch gezwungen, eine Reihe islamischer Aktivisten, die sie schon längere Zeit beschattet hatten, zu verhaften.

5. Juni 2006


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  > ECHO

"Ungeprüft verbreitete Falschmeldungen sind politische Handlungen"

Keine Panzerfaust also. Keine Weltbedeutung von "Basel" als Terroristenzentrum, nachdem man den Namen Basel in der weiteren, das heisst der europäischen Nachbarschaft seit einigen Wochen vor allem mit einem massiven einheimischen Hooligan-Problem in Verbindung bringt.

Allerdings: Das Haus Ringier muss wieder einmal seiner Reputation als ernstzunehmendes Unternehmen in der Nachrichtenbranche hinterherrennen. Denn merke: Ein Fake ist ein Fake. Eine Anhäufung solcher "Nachrichten"-Machart dient natürlich der Aufheizung einer bestimmten Anti-Islam-Stimmung, von der man inzwischen schon sagen muss, dass sie aus Quellen heraus inszeniert wird, die alltägliche Völkerrechts- und Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen versuchen müssen, weil ihre Machtpolitik, ihre Kriegspolitik, ihre ständigen "Missverständnisse", die überall, wo sie auftreten, den Tod inzwischen Tausender Unbeteiligter pro Jahr fordern.

Falschmeldungen, die man ungeprüft weiterverbreitet, sind politische Handlungen mit unredlichen Absichten. Es fragt sich also, was das Haus Ringier mit solch offensichtlich völlig ungenügend recherchierten schlichten Falschmeldungen bezweckt. Oder war das alles nur des Skandals eines Tages wegen?

Alois-Karl Hürlimann
Basel



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