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Vorgeschichte: Blauer Brief für den "Kirchenboten"

© Foto by OnlineReports.ch

"Anliegen müssen umgesetzt werden": Kirchenpolitiker Lukas Kundert

"Wir wollen nicht mehr so weiter arbeiten"

Lukas Kundert, Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt, zum Streit um den "Kirchenboten"

VON PETER KNECHTLI

Der Trägerschafts-Vorstand des "Kirchenboten" habe die Kritik der reformierten Kirchen von Basel-Stadt und Baselland nicht ernst genommen. Dies sagt Pfarrer Lukas Kundert, Präsident des Evangelisch-reformierten Kirchenrates Basel-Stadt im Interview mit OnlineReports. Die Kirchenleitungen beider Basel beanspruchen mehr Einfluss auf die Inhalte.

OnlineReports: Herr Pfarrer Kundert, die Trägerschaft des "Kirchenboten" reagierte entsetzt auf die Ankündigung des Austritts der reformierten Kirchen beider Basel. Hat Sie das überrascht?

Lukas Kundert: Das hat uns überrascht, zumal die Baselbieter Kirche anlässlich der vorletzten Generalversammlung ankündigt hat, sie würde gemeinsam mit der Basler Kirche prüfen, künftig allenfalls eigene Wege zu gehen. Der Vorstand des Vereins "Kirchenbote" hat darauf nicht reagiert. Ich muss heute davon ausgehen, dass die Ankündigung nicht ernst genommen wurde.

OnlineReports: Es war sogar von "Erpressung" die Rede - ein happigen Vorwurf gegen einen Pfarrer.

Kundert: Diesen Vorwurf kann ich nicht gelten lassen. Im Gegenteil, ich empfinde unser Vorgehen als fair. Wir hätten aufgrund der Statuten des Vereins diese Kündigung erst im nächsten Juni aussprechen müssen. Wir haben aber entschieden, dies frühzeitig zu tun, damit der Verein reagieren kann. Auch haben wir uns entschieden, die Türe nicht ganz zuzuschlagen und dem Verein die Möglichkeit gegeben, zu reagieren. Wir fanden es richtig, zu benennen, welches für uns Konditionen wären, unter denen wir uns eine weitere Zusammenarbeit vorstellen könnten.

OnlineReports: Scheinbar aber fielen die Teilnehmenden der "Kirchenbote"-Generalversammlung als allen Wolken.

Kundert: Das überrascht mich. Allerdings haben wir in der Tat den Schritt der schriftlichen Kündigung nicht vorangekündigt.

OnlineReports: Also ein klassischer Schuss vor den Bug?

Kundert: Es ist mehr als ein Schuss vor den Bug. Wir haben gekündigt und wir wollen so nicht mehr weiter arbeiten. Auch werden wir unser Vorgehen wie angekündigt weiter verfolgen, wenn keine Einigung mit dem Verein mehr möglich sein sollte.

"Es ist zum Teil sehr mühsam,
gut begründete Anliegen zu deponieren."


OnlineReports: Wenn die reformierten Kirchen von Basel-Stadt und Baselland aus der Trägerschaft austreten, verlieren Medienschaffende möglicherweise ihre Stelle. Ist Ihnen dies als Pfarrer egal?

Kundert: Nein.

OnlineReports: Was tun Sie dagegen?

Kundert: Ich kann nicht die Verantwortung der Geschäftleitung der Trägerschaft übernehmen. Letztlich ist die Geschäftsleitung für diese Frage zuständig.

OnlineReports: Ist Ihnen der "Kirchenbote" in seiner heutigen redaktionellen Ausrichtung zu links?

Kundert: Nein. Aber mich stört, dass die Anliegen der Kirchenräte nicht in jedem Fall aufgenommen und umgesetzt werden und es zum Teil sehr mühsam ist, gut begründete Anliegen bei der Redaktion zu deponieren.

OnlineReports: Ihnen schwebt also eine Redaktion am Gängelband der Kirchenleitung vor.

Kundert: Nein, die Kirchenleitung könnte einen "Kirchenboten" letztlich gar nicht selber schreiben. Aber wir wünschen uns eine grosse Nähe der Redaktion zur Kirchenleitung.

OnlineReports: Was schwebt Ihnen und der reformierten Kirche Baselland genau vor?

Kundert: Es darf nicht mehr vorkommen, dass wir zur Darstellung von für die Gesamtkirche ganz zentralen Fragen um den Raum in den Zeitungsspalten dieses offiziellen Publikationsorgans kämpfen müssen.

OnlineReports: Eine Mitgliederzeitung als Vereinsblatt der Kirche?

Kundert: Ja, denn der "Kirchenbote" wird von der Bevölkerung heute als offizielles Sprachorgan der Kirche wahrgenommen, ohne dass er das in Wirklichkeit ist, da die Kirchenleitung sich nur indirekt als Bittstellerin einbringen kann.

"Fast in jeder Ausgabe ein Imageschaden
für die Kirche."


OnlineReports: Uns gefallen gerade die längeren Hintergrundberichte im "Kirchenboten", die ja immer auch mit dem Glauben oder der Frage des friedlichen Zusammenlebens in Beziehung stehen.

Kundert: Aus meiner Sicht liegen die Stärken des heutigen "Kirchenboten"-Konzepts darin, dass Raum zur Verfügung steht, Fragen des Glaubens und der Kirche fundiert darzustellen. Diesbezüglich arbeitet die Redaktion zu grossen Teilen in meinem Sinne. Es gab aber eine Zeit, in der auf der Frontseite fast in jeder Ausgabe für uns ein Imageschaden entstand.

OnlineReports: Können Sie dazu ein Beispiel nennen?

Kundert: Die Schlagzeile, dass in Basel Touristen im Sommer zwar kirchliche Angebote suchen, aber nicht finden.

OnlineReports: Gibt es diese Angebote tatsächlich?

Kundert: Es gibt jede Menge kirchlicher Angebote auch während der Sommerzeit und sie werden mit erheblichem finanziellem Aufwand regelmässig publiziert - zum Beispiel im "Kirchenzettel" der "Basler Zeitung".

OnlineReports: Sie bemängeln aufgrund einer Publikumsbefragung, dass Protestanten unter 35 Jahren den "Kirchenboten" nicht lesen. Wie wollen Sie mit einer Mitgliederzeitung die 20- und die 70-jährigen Kirchenangehörigen gleichzeitig abholen?

Kundert: Ich erachte es als schwierig, ein Print-Angebot zu kreieren, das dieses Altersspektrum bedienen kann. Wir wissen, dass "20 Minuten" das derzeit einzige Print-Medium ist, das Jugendliche erreicht. Und wir wissen gleichzeitig, dass wir schon heute mit dem "Kirchenboten" vor allem die 35- bis 70-Jährigen erreichen. Das hat für uns die Konsequenz, dass wir einen "Kirchenboten" benötigen, der sich dieses Zielpublikums bewusst ist und entsprechend die Qualität auf dieses Zielpublikum ausrichtet. Da sind noch Möglichkeiten offen.

"Den Vorwurf des Narzissmus
kann ich nicht nachvollziehen."


OnlineReports: Geht es Ihnen nicht auch darum, sich für sich selbst eine Plattform zu schaffen und sich häufiger im Bild sehen?

Kundert: Nein, ich habe bereits die Gelegenheit, monatlich eine Kolumne im "Kirchenboten" zu publizieren.

OnlineReports: Wir hörten die Vermutung, der von Ihnen angestrebte Wechsel zum Vereinsblatt habe auch mit Narzissmus zu tun.

Kundert: Das kann ich nicht nachvollziehen, weil ich es nicht für realistisch halte, dass der Kirchenrat künftig die Artikel für die Redaktion schreiben könnte. Im Gegenteil. Ich habe bei weitem nicht jede Gelegenheit wahrnehmen müssen, meine monatliche Kolumne zu schreiben.

OnlineReports: Welche Bedingungen muss die Trägerschaft des "Kirchenboten" erfüllen, damit die reformierten Kirchen beider Basel sie nicht verlassen?

Kundert: Erstens muss das Gewicht der Mitbestimmung an die Auflagenstärke gekoppelt werden. Zweitens muss das Redaktionsstatut angepasst werden. Die Anliegen der Kirchenleitungen müssen künftig umgesetzt werden. Die Loyalität der Redaktion mit der Kirche muss gesichert sein. Und schliesslich müssen alle Bestrebungen zur Schaffung einer gesamtschweizerischen Kirchenzeitung aufgegeben werden.

OnlineReports: Aber wäre nicht gerade eine Kombination von Hintergrundberichten und verstärkter Reflexion der lokalen Aktivitäten im Rahmen einer gesamtschweizerischen Zeitung billiger und für die Leserschaft attraktiver?

Kundert: Studien haben gezeigt, dass ein gesamtschweizerischer "Kirchenbote" um 20 Prozent teurer zu stehen käme.

OnlineReports: Haben Sie - insbesondere, um den kirchlichen Nachwuchs abzuholen - auch schon daran gedacht, einen Teil Ihrer Publikationsbedürfnisse online zu befriedigen und das Internet verstärkt in Ihre Kommunikationsstrategie einzubinden?

Kundert: Ja, das haben wir. Wir haben dazu eine jetzt auch wirklich funktionierende Internet-Plattform geschaffen, die in nächsten Schritten durchaus in dem von Ihnen genannten Sinne ausgebaut werden könnte.

Vorgeschichte: Blauer Brief für den "Kirchenboten"


  > ZUR PERSON


Lukas Kundert (40), promovierter Theologe und Pfarrer, ist Präsident der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt. Der Vater eines fünfjährigen Knaben ist auch Präsident des Vereins "Surprise", der das Strassenmagazin gleichen Namens heraus gibt. Kundert wohnt und arbeitet in Basel.

16. November 2006


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"So wird der 'Kirchebote' zum Sprachrohr des Kirchenrates"

Wer definiert eigentlich, was "gut begründete Anliegen" sind? Und wer bestimmt, was "für die Gesamtkirche ganz zentrale Fragen" sind? In einem gemeinsamen "Kirchenboten" ist für die Verlautbarungen der kantonalen Kirchenräte sicher Raum auf den Kantonalseiten. Die Einteilung der gemeinsamen Seiten muss wohl einer unabhängigen (!) Redaktion überlassen bleiben. Sonst wird der "Kirchenbote" zum Sprachrohr des Kirchenrates, der sich am besten durchsetzen oder auf seine Auflagenstärke verweisen kann. Nein, lieber Kollege Kundert, so kann man nicht überregional zusammenarbeiten. Für lokale Verlautbarungen sind die lokalen Mitgliederblätter zuständig. Überregionale Themen müssen entweder abgesprochen werden - das heisst, die beteiligten Kirchenräte müssen eine Redaktionskonferenz halten. Und wenn ihnen das zu viel ist, müssen sie die Aufgabe eben einer Redaktion delegieren, die nach bestem Wissen und Gewissen handelt. Diese dann wieder ans Gängelband zu nehmen, ist unfein. Und nicht sehr reformiert ("selber denken").

Joachim Finger
Pfarrer Evang.-ref. Pfarramt Beringen
Beringen



"Ein Verstoss gegen Gepflogenheiten der reformierten Kirche"

Die Fragen von Peter Knechtli sind einfach. Die Antworten von Herr Kundert sind es auch. Nun ist alles klar und Vermutungen werden zu Gewissheit. Hinter dem gravierenden formalen Fauxpas der Kündigung kommt nun auch die eindeutig formulierte "Botschaft der Aktionäre" auf direkte Interventionsmöglichkeiten in redaktionelle Belange des Kirchenboten zum Vorschein. Das kann nicht ernsthaft Sache sein. Ein "Kirchenbote", der weder widerständiges Forum ist noch eine unabhängige Redaktion hat, sondern nur noch von oben gesteuertes Verlautbarungsorgan sein soll, ist uninteressant und (zu) teuer zugleich. Brauchen wir nicht. Ich kann den neuen "Kirchenboten" zwar nicht abbestellen, aber ich muss ihn nicht lesen. Wer im Namen der Basis spricht, ohne diese je gefragt zu haben, verstösst nicht unbedingt gegen Recht, aber in diesem Fall gegen jene Gepflogenheiten, die in unserer reformierten Kirche in der Region Basel nach wie vor Gültigkeit haben. 

P.S. Kommunikation ist Chefsache. Einverstanden. Ich bin Herr Kundert für seine "offene Kommunikation" dankbar.

Niggi Ullrich
Präsident der evang.-ref. Kirche Arlesheim
Arlesheim



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