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Interview mit dem Basler Kirchenratspräsidenten Lukas Kundert


© Fotos by OnlineReports.ch


"Das ist journalistisch einfacher": Titelseite des "Kirchenboten"


Blauer Brief für den "Kirchenboten"

Evangelisch-reformierte Kirchen Basel-Stadt und Baselland treten aus der Trägerschaft der Kirchenzeitung aus

VON PETER KNECHTLI

Zoff im christlichen Lager: Die evangelisch-reformierten Kirchen Basel-Stadt und Baselland verlassen die Trägerschaft des "Kirchenboten", weil sie mit der redaktionellen Ausrichtung nicht einverstanden sind. Die Kündigung erfolgt auf Ende 2007. Damit ist nicht nur die Existenz der überkantonalen Zeitung in Gefahr, sondern auch die von drei Redaktionsstellen.

Der "Kirchenbote" ist die Zeitung, die in einer Auflage von 160'000 Exemplaren in den Briefkästen der reformierten Bevölkerung von acht Kantonen der deutschsprachigen Schweiz steckt. Getragen wird sie vom "Verein zu Herausgabe eines gemeinsamen Kirchenboten", die Produktion besorgen kantonale Redaktionen. Auffällig an diesem modernen journalistischen Organ sind die lesenswerten Hintergründe und Interviews zu aktuellen religiösen und gesellschaftspolitischen Fragen. So macht die soeben erschienene Ausgabe die Frontseite mit einem Primeur über das neue Jesus-Mundart-Drama des Basler Schriftstellers Hansjörg Schneider auf.

Mehr redaktionelle Mitsprache verlangt

Doch jetzt herrscht Streit unter den christlichen Kommunikatoren. Grund: Mit eingeschriebenen Briefen haben die reformierten Kirchen von Basel-Stadt und Baselland die Mitgliedschaft im Trägerschaftsverein per Ende 2007 gekündigt. Laut Burkhard Eggenberger, dem Präsidenten der Trägervereins, habe die Kündigung "keine Begründung" enthalten. Diese allerdings lieferte der Basler Kirchenrats-Präsident Lukas Kundert (Bild) an der Generalversammlung des Vereins letzten Montag mündlich nach.

Gegenüber OnlineReports nannte Theologe Kundert vier Punkte, die zum Austritt aus dem "Kirchenbote"-Verbund geführt hätten. So seien Baselland und Basel-Stadt mit der Vereinsstruktur nicht einverstanden gewesen: Obschon sie fast die Hälfte an Kosten und Auflage beisteuern, hätten sie nicht mehr Mitspracherecht als alle andern Kantone. Zudem forderten sie eine Anpassung des Redaktionsstatuts in einer Weise, dass "die Wünsche der Kirchenleitungen berücksichtigt" werden. Kundert: "Nach heutigem Modell ist die Zeitung nicht das offizielle Kirchenorgan. Wir aber möchten sie zu einer Mitgliederzeitung machen." Kundert kritisiert auch die "Loyalität der Redaktion" zu den Kirchenleitungen: Anregungen seien "nur zögerlich übernommen" worden, obschon Signale der Unzufriedenheit "genügend ausgesendet" worden seien. Aber der Herausgeber-Vorstand habe darauf "nicht reagiert".

Kritik an Asylgesetz-Berichterstattung

Paul Dalcher, Medienbeauftragter der evangelisch-reformierten Kirche Baselland, räumte offen ein, dass "mehr Einfluss auf den redaktionellen Inhalt" gewünscht werde. So soll der Inhalt "etwas stärker an die Kantonalkirchen und näher ans Publikum angebunden" werden und verstärkt Berichte über Aktivitäten der Kirche umfassen, statt einfach "prospektiv" zu berichten (Dalcher: "Das ist journalistisch einfacher"). Lukas Kundert bestätigte auf Nachfrage von OnlineReports, dass er die Berichterstattung über die Asylgesetz-Revision als unausgewogen empfunden habe: "Nach meiner Wahrnehmung von drei Ausgaben hatten vor allem die Gegner das Wort."

Die Kirchen beider Basel stützen sich bei ihren inhaltlichen Forderungen auf eine Leserschaftsbefragung, die ergaben habe, dass "Leute unter 35 Jahren den 'Kirchenboten' nicht lesen" (Dalcher). Der finanzielle Aufwand von über 700'000 Franken pro Jahr, was 45 Prozent der Gesamtkosten des "Kirchenboten" entspricht, sei für die Kirchen beider Basel "zu gross, wenn wir nicht in allen Bereichen zufrieden sind" (Kundert). Mit diesem Budget, glauben die beiden Kirchen, könnte auch der "Alleingang" gewagt werden. Jedenfalls haben sie sich auch aus dem Projekt einer gesamtdeutschschweizerischen Kirchenzeitung verabschiedet.

"Befehlston, fast Erpressung"

Der Blaue Brief der beiden Basler Kirchen traf die Herausgeber nach eigenem Bekunden wie ein Blitz aus heiterem Himmel. "Im Befehlston, fast einer Erpressung gleich" hätten Kundert und Dalcher ihre Kritik deponiert, klagte Trägerschafts-Präsident Eggenberger gegenüber OnlineReports. "Für einen Partner ist das ein unsauberes Vorgehen." So hätten die Kirchen von Basel-Stadt und Baselland "nie einen Antrag auf Veränderung der Trägerschaftsstruktur gestellt". Kundert habe mit seinem Auftritt an der Generalversammlung "allgemeines Befremden" ausgelöst. Andere sprachen von einer "verlogenen Show".

Auch Chefredaktor Tilmann Zuber zeigte sich vom Powerplay der Basler "völlig überrascht". Er bedauere, dass eine achtzigjährige Tradition zu Ende gehen drohe. Es stelle sich jetzt die Frage, ob die verbliebenen Kantonalkirchen bereit seien, die entstandene Lücke mit zusätzlichen Mitteln zumindest teilweise zu füllen. Zuber: "Es käme sicher zu einem Stellenabbau." Bedroht sind insbesondere die beiden Redaktionsstellen für Basel-Stadt und Baselland.

Ein letztes Gespräch

Die Kündigungen der Mitgliedschaft im Trägerverein darf als Druckmittel gewertet werden. Denn "die Würfel sind noch nicht gefallen", wie Paul Dalcher einräumt. Auf Anfang Januar ist nochmals ein Gespräch zwischen beiden Basel und der Trägerschafts-Spitze vereinbart. Dalcher: "Wenn uns die Antworten nicht überzeugen, werden wir die Kündigungen nicht zurückziehen."

Interview mit dem Basler Kirchenratspräsidenten Lukas Kundert

10. November 2006

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"Kritik an der Berichterstattung lässt mich erschaudern"

Ich bin verunsichert über die Begründung von Lukas Kundert für den Austritt aus dem Trägerverein; sie ist widersprüchlich und seine Kritik an der Berichterstattung über die Asylgesetz-Revision lässt mich erschauern. Ich denke, dass meine Kirche gegen die Verschärfung Position beziehen musste, wollte sie glaubwürdig sein. Es hat zudem einen Anflug von Fadenscheinigkeit, an einem einzigen Thema seinen Unmut über den "Kirchenboten" aufzuhängen. Im folgenden ein Ausschnitt der damaligen Stellungnahme von amnesty-international bezüglich die Abstimmung über die Asylgesetz-Revision:

"Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention: Das Asylgesetz soll den Schutz vor Verfolgung sicherstellen. Mit der Verschärfung des Nichteintretensgrundes der Papierlosigkeit kann das Gesetz dieser Kernaufgabe nicht mehr gerecht werden. Wenn tatsächlich Verfolgte ihre Identität zum Beispiel nur mit einem Pass oder einer Identitätskarte belegen können und keinen Zugang zum Asylverfahren mehr erhalten, wird die Flüchtlingskonvention verletzt. Zu diesem Schluss kommt auch der international anerkannte Völkerrechts- und Asylspezialist Prof. Walter Kälin in einem Gutachten. Er betrachtet die verschärfte Bestimmung als 'völkerrechtswidrig' und 'verfassungsrechtlich klar unverhältnismässig'. Die Bekämpfung eines möglichen Missbrauchs werde über den Schutz von Verfolgten gestellt. Auch das UNHCR und der Kommissar für Menschenrechte des Europarates kritisieren die Verschärfung der Papierlosenbestimmung im schweizerischen Asylgesetz."

Christine Manz
Basel



"Schaut zu stark auf die politische und gesellschaftliche Agenda"

Die Umstände zum Ende der Zusammenarbeit mit dem "Kirchenboten" sind schleierhaft. Ob die wahren Begründungen angeführt werden, ist stark zu bezweifeln. Ohne mich zum eigentlichen Bruch äussern zu können, stelle ich beim "Kirchenboten" schon lange fest, dass es keine Zeitung ist, die sich mit den eigentlichen Fragen des Glaubens und der Kirche auseinandersetzt, sondern dass es eine Zeitung ist, die nach meinem Geschmack zu stark auf die politische und gesellschaftliche Agenda schaut. Da stellt sich für mich - unabhängig von den Geschehnissen - schon lange die Frage, wie nützlich in einer Kirche diese Mittel von angeblich über 1,5 Millionen Franken eingesetzt sind.

Siro Imber
Allschwil



"Diese Machtdemo scheint nicht über alle Zweifel erhaben"

Die Neuigkeit über die Kündigung der Partnerschaft schlägt ein wie ein Blitz - und hinterlässt mehr als nur Konsternation. Ohne die tatsächlichen Hintergründe zu kennen, die zur Kündigung seitens der beiden Basler Kantonalkirchen geführt haben, ist es schwierig, sich ein konkretes Bild zu machen. Was in Peter Knechtlis Bericht steht, mutet mehr als nur seltsam an. Bisher waren mir keine Beanstandungen bekannt, an der jährlichen Präsidentenkonferenz der Kirchpflegen in Liestal gab es dazu keine Verlautbarung, auch in den Protokollen der Synode gibt es keine Unmutsäusserungen. Das Vorgehen der beiden Kirchenleitungen macht auf mich den Eindruck einer etwas gar vorschnell-mutigen Strafaktion, die schlecht zu unseren "reformierten" Gepflogenheiten passt!

Ob sich das lohnt? Ich wage es zu bezweifeln. Ich lese den Kirchenboten mit wachem Interesse, selbst dann, wenn meine Zustimmmung zu einzelnen Artikeln nicht a priori gegeben ist. Ein attraktives, engagiertes, zeitgemässes (und für mich durchaus unentbehrliches) Medienprodukt, das zu unserer Kirche passt. Die Machtdemo scheint mir nicht über alle Zweifel erhaben.

Niggi Ullrich
Präsident der evang.-ref. Kirche Arlesheim
Arlesheim



"Was der katholische Bischof von Basel von Solothurn aus vordemonstriert ..."

Wie man doch diese Herr-im-Haus-Argumente kennt! Notfalls soll also nicht das freie Wort, soll nicht die Auseinandersetzung mit religiösen oder intellektuellen Strömungen innerhalb des Protestantismus Richtschnur redaktioneller Arbeit sein, sondern der blinde Gehorsam der Kirchenleitung gegenüber. Was der katholische Bischof von Basel von Solothurn aus vordemonstriert, findet in Basel und in Liestal offensichtlich begierige protestantisch-reformierte Nachahmer. Man sitzt schliesslich im gleichen übergeordneten Boot. Wie nennt es sich doch gleich?

Alois-Karl Hürlimann
Basel



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