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"Grosse Hoffnung": Gegner* der Zollfreistrasse

"Der Wurm in diesem Projekt lässt sich nicht heraus holen"

Gegner der Zollfreistrasse moderat zuversichtlich vor Sondersitzung des Basler Grossen Rates

VON PETER KNECHTLI

Verschiedene Indizien stimmen die Gegner der umstrittenen Zollfreistrasse vor der Sondersitzung des Basler Grossen Rates vom kommenden Samstag optimistisch. Dies äusserten sie heute Donnerstag an einer Medienkonferenz - auch mit Unterstützung aus der deutschen Nachbarschaft.

Martin Vosseler, bekanntester Gegner der geplanten Zollfreistrasse zwischen Lörrach und Weil, verdeutlichte seine "grosse Hoffnung auf kommenden Samstag" mit einer Metapher aus dem Tierreich: "Der Wurm in diesem Projekt lässt sich nicht heraus holen." Rund um dieses anerkanntermassen veraltete Bauprojekt über 740 Meter Schweizer Boden habe der ihm zu Grunde liegende Staatsvertrag aus dem Jahr 1977 eine "rechtsfreie Arena" geschaffen. Dieses zwischen Bern und Bonn geschlossene Paragrafenwerk sieht Neuverhandlungen vor, falls sich im Verlaufe der Zeit die Verhältnisse grundlegend änderten: "Ergeben sich bei der Durchführung des Vertrages erhebliche Schwierigkeiten oder ändern sich die bei seinem Abschluss bestehenden Verhältnisse wesentlich, werden die Vertragsstaaten auf Verlangen eines Vertragsstaates in Verhandlungen über eine angemessene Neuregelung eintreten."

Nach Meinung der in Basel zahlreichen "Zollfreie"-Gegner ist dies der Fall. Vosseler erwähnte weit über ein Dutzend entlang dem Projektgebiet noch verbliebenen Vogelarten, die vom Aussterben bedroht sind - vom Eisvogel über den Wendehals bis zur Zaunammer, der Wasseramsel oder dem Pirol. Das Gebiet entlang des Flusses Wiese in Riehen könnte ohne die Strasse am Fusse des "Schlipf" zu einem einmaligen Naturreservat in der Region Basel werden.

Beurteilung nach Artenschutz-Konvention

Bisher war unklar, wie weit die Europarats-Konvention über den Artenschutz ("Berner Abkommen") auch für die Zollfreistrasse Anwendung finden könnte. Laut Tamara Wehrmüller von der "IG Auenpark am Schlipf", in der über ein halbes Dutzend Umweltorganisationen und Parteien vertreten sind, lassen Abklärungen beim Leiter des für die Konvention zuständigen Europarats-Ausschusses "berechtige Hinweise zu, dass das Berner Abkommen für die Zollfreistrasse angewendet werden kann".

Unterstützung erhalten die Schweizer "Zollfreie"-Kritiker auch aus Deutschland. Die grüne Lörracher Stadträtin Cornelia Eitel legte ein Papier des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 1986 vor, das dem zuständigen Ministerium deutlich widerspricht: Weil die Strasse ihre Qualifikation als "Bundesfernstrasse" verloren habe und faktisch eine kommunale Umfangsstrasse geworden sei, müsse das Projet "zurückgestuft" werden. An dieser Einschätzung habe sich, so Eitel unter Berufung auf jüngste Abklärungen, bis heute nichts geändert.

"Kein Röstigraben an der Grenze"

Daraus zog Vosseler den Schluss, dass es sich beim Kampf um die Zollfreistrasse "nicht um einen Röstigraben-Konflikt an der Grenze", sondern auch um ein "innerdeutsches Problem". Zudem würde der Schwerverkehr in diesem Strassenstück, da Maut-frei, "rasch eine Lücke finden".

"Nicht baureif" ist das Projekt nach Aussage des Anwalts René Brigger, der gegnerische Landbesitzer vor Gericht vertritt. Da zwei Gründeigentümern die Rodungsbewilligungs-Verlängerung im Jahr 2001 nicht eröffnet wurde - was derzeit am Verwaltungsgericht beurteilt wird -, sei diese nicht rechtskräftig und schon deshalb dürfe mit einem Bau nicht begonnen werden. Weitere Prozesse vor Verwaltungs- und Bundesgericht zeichnen sich im Zusammenhang mit einem gescheiterten Enteignungsverfahren ab.

Entschlossen auf den Rechtsweg

Brigger kündigte auch an, dass aufgrund der geologischen Instabilität am Fusse des "Schlipf" neun weitere Grundeigentümer verlangen, dass der Baubeginn aufgeschoben werde, bis Klarheit über die mögliche Rutschgefahr bestehe. Es sei bis heute "nicht klar, ob die Zollfreistrasse Menschen und Eigentum gefährdet". Die drei hängigen Verfahren bezeichnete Brigger als "durchaus aussichtsreich".

Die Sondersitzung des Grossen Rates vom Samstag hat rein informellen Charakter. Beschlüsse werden keine gefasst.

* v.r.n.l.: Martin Vosseler (IG Auenpark), René Brigger (Anwalt), Tamara Wehrmüller (IG Auenpark), Dieter Stumpf (Koordinator), Cornelia Eitel (Stadträtin Lörrach)

10. März 2005

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"Herr Vosseler, wo ...?"

Herr Vosseler, wo sind Sie gemeldet und wo zahlen Sie Steuern?

Peter Feiner
Basel



"Regierungsstellen haben den Rechtsstaat nicht befolgt"

Warum heisst wohl das Gebiet "Schlipf"? Althergebrachte Orts- und Flurnamen erzählen natürlich unter anderem von geologischen Gegebenheiten. Die Bedeutung des Wortes Schlipf ist in unserer Gegend hinlänglich klar.

Im übrigen: Die gleichen Kreise, welche bezüglich dieses unnötigen Strassenbaus von der "Durchsetzung" des Rechtsstaates reden, haben beispielsweise gegen den parkplatzfreien Münsterplatz noch jede rechtliche, auch jede winkeladvokatische Möglichkeit wahrgenommen, um durchzusetzen, was ihren egoistischen Wünschen entsprochen hätte. Der Schutz eines kleinen Auenwaldes mitten in einem dichtbesiedelten Stadtgebiet beruht nicht auf egoistischen, sondern auf naturberücksichtigenden Gründen.

Schliesslich: Der Rechtsstaat gilt natürlich en détail auch dann, wenn es pressiert oder wenn man als "Regierung" oder als "Bauherr" irgend einen Baubeginnentscheid getroffen hat. Zuerst, und das ist inzwischen bundesgerichtlich geklärt, kommen alle Rechtsschritte zum Zug, und erst dann geht es darum, ob Irreversibles geschieht oder nicht. In Sachen "Schlipf" sind Unregelmässigkeiten, genauer: rechtsverhindernde Anmassungen durch Bauherr und Regierung vorgekommen. Man sollte keine falschen Geschichtchen über angebliche "Verhinderer" in die Welt setzen, wenn der Rechtsstaat durch Regierungsstellen nicht befolgt worden ist.

Alois-Karl Hürlimann
Basel



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