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"Grobfahrlässig gehandelt": Angeklagter Guido A. Zäch

16 Monate Gefängnis bedingt
für Guido A. Zäch

Auch das Basler Appellationsgericht hält den Paraplegiker-Arzt für schuldig

VON PETER KNECHTLI

Auch das Basler Appellationsgericht hat Guido A. Zäch (70) schuldig gesprochen: Es verurteilte heute Montagnachmittag den Paraplegiker-Arzt wegen Veruntreuung zu 16 Monaten Gefängnis bedingt. Die Verteidigung kündigte Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht an.

Der Gerichtssaal war gestossen voll - in grosser Zahl waren auch Zäch-Anhänger vertreten -, als heute Nachmittag um 14.15 Uhr Gerichtsschreiberin Gabrielle Kremo das Urteil des fünfköpfigen Appellationsgerichts verlas: Wegen mehrfacher Veruntreuung in vier Fällen wird der Paraplegiker-Arzt zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 16 Monaten auf eine Probezeit von zwei Jahren verurteilt. In mehreren Punkten erfolgte Freispruch. Zudem muss Zäch eine reduzierte Urteilsgebühr von 40'000 Franken zahlen. Äusserlich unbewegt nahm der Angeklagte das Urteil entgegen.

"Zäch hat Anklage nicht begriffen"

Zäch nahm das Urteil stehend und ohne sichtliche Regung an. In seiner Urteilsbegründung betonte Gerichtspräsident Eugen Fischer, dem eine saubere und faire Prozessführung zu attestieren ist, dass es dem Gericht nicht um einen Beitrag an eine "Rufmord-Kampagne" gegangen sei, was Zäch mit den Worten quittierte: "Das sagen Sie!" Zur Bemerkung sah sich der Vorsitzende veranlasst, weil das Gericht "das Gefühl hatte, Zäch habe nicht begriffen, weshalb man ihm den Prozess macht". Dabei habe der Angeklagte gelegentlich Mühe bekundet, zwischen Mein und Dein zu unterscheiden.

Fischer widersprach in der Begründung den Argumenten der Verteidigung, die von einer chaotischen Anklageschrift sprach: "Das Gericht glaubt nicht, dass die Anklage an groben Fehlern leidet." Dagegen treffe zu, dass alle Tatbestände bis 1994 verjährt seien.

Unbestritten war für das Gericht, dass die Gönnervereinigung der Schweizer Paraplegiker- Stiftung wie die Stiftung selbst zwar juristisch zwei autonome Institutionen seien, dass sie aber durch die mehrschichtige Ämterkumulation und Zächs Machtstellung "eng verflochten waren und immer noch sind". Selbst ein Atag-Bericht habe festgehalten, dass die Gönnervereinigung "integraler Teil" der Stiftung sei.

Der Veruntreuung schuldig

Der Veruntreuung schuldig machte sich Zäch bei seinen Lohnbezügen. Entgegen vertraglichen Abmachungen habe er in zehn Jahren aufgrund einer bestimmt nicht sauber beschlossenen und protokollierten neuen Regelung, mit einem halben Prozent an den Einnahmen von Vereinigung und Stiftung zu partizipieren, 1,5 Millionen Franken mehr bezogen als vereinbart. Dass es zur Provisionsregelung einen Beschluss gebe, wie die Zeuginnen Silvia Buscher und Elisabeth Ramer zaghaft behaupteten, sei "nicht so wahnsinnig glaubhaft".

Ein Schuldspruch erfolgte auch bezüglich einem grossen Teil der Nebenkosten seiner Villa in Zofingen - insbesondere Strom, Wasser und Gas -, die sich Zäch mietvertragswidrig durch die Gönnervereinigung habe bezahlen lassen. Richter Fischer sprach hier von einer "seriellen Delinquenz". Veruntreuung machte das Gericht auch bei der Zweckentfremdung von zwei Spenden (100'000 Franken durch das Ehepaar Sprüngli und 300'000 Franken von Stephan Schmidheiny Avina-Stiftung) geltend. Diese Spenden habe sich Zäch entgegen dem Willen der Spender auf sein Privatkonto zahlen lassen und "in kurzer Zeit verbraucht", so offenbar in Geldknappheit für ausstehende Mieten oder Steuern. Erst Jahr später habe Zäch die Beträge in seine "Dr. Guido A. Zäch-Stiftung" einbezahlt.

Dornach und Herisau: Freispruch

Freigesprochen wurde Zäch in den äusserst verlustreichen Investitionen in den Hotel "Engel" in Dornach und in eine Hotelüberbauung in Herisau, wobei ein Schaden von insgesamt 38 Millionen Franken entstanden sei. Im Fall "Engel" habe Zäch "grobfahrlässig gehandelt", indem er zu wenig den Rat der Fachleute gesucht habe. Zugunsten Zächs habe das Gericht bewertet, dass der Angeklagte dabei "eine Vision verwirklichen" wollte. In Herisau habe Zäch einen qualifizierten Verwaltungsrat eingesetzt, was für ihn spreche. Weniger schön sei der familiäre Link, indem sein Bruder Erwin Zäch zur Realisierung des Projekts Grundstück und Inventar in Millionenhöhe verkaufte.

Fischer erinnerte daran, dass sich diese Freisprüche nicht einfach aufgrund der Schadenhöhe auf das Strafmass auswirkten. Vielmehr treffe Zäch ein "erhebliches Verschulden". Dass das Gericht entgegen der Vorinstanz eine bedingte Gefängnisstrafe aussprach, habe mit dem fortgeschrittenen Alter des Angeklagten zu tun. Fischer anerkannte auch, dass Zäch für die Para- und Tetraplegiker Grosses geleistet habe.

Noch im Gerichtssaal kündigte Verteidigerin Vera Delnon eine Nichtigkeitsbeschwerde am Bundesgericht an, bevor sich Zäch und seine Gefolgschaft zu einer Medienkonferenz zurückzogen, um erneut ihre Sicht der Dinge darzulegen. Zäch: "Das Gericht war stärker als das Recht." Ob auch die Staatsanwältin "Lausanne" anruft, ist noch offen.

Dreitägige Verhandlung

Dem Urteil war letzte Woche eine dreitägige Verhandlung vorausgegangen, zu deren Auftakt Zäch jegliche Auskünfte verweigerte und einzig in einer persönlichen Erklärung den uneingeschränkten Freispruch forderte. In einem Plädoyer von rund zwölf Stunden Dauer kritisierten Zächs Verteidiger Vera Delnon und Bernhard Rüdy die nach ihrer Auffassung miserable Anklageschrift. Ebenso machten sie aufgrund der neuen Regelung über weite Strecken Verjährung geltend. Staatsanwältin Kathrin Villiger forderte in ihrem Plädoyer zweieinhalb Jahre Zuchthaus wegen Veruntreuung und ungetreuer Geschäftsbesorgung.

Das Basler Strafgericht hatte Zäch im Juli 2003 zu einer unbedingten Gefängnisstrafe wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung verurteilt. Von dem ursprünglich von der Staatsanwaltschaft mit 60 Millionen Franken bezifferten Schaden anerkannte die erste Instanz einen Betrag von 29 Millionen Franken. In der Berufungsverhandlung machte die Staatsanwältin nach Eintritt der Verjährung in verschiedenen Fällen noch einen Schaden von 4,9 Millionen Franken geltend. Am Schluss blieb vor Appellationsgericht noch eine Schadensumme von 1,4 Millionen Franken.

Kommentar

24. Oktober 2005

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"Den Gott geführten Entscheidungsträger gibt es nur in Rom"

Aus der distanzierten Sicht des OnlineReports-Prozessberichterstattungslesers komme ich zum Schluss, dass die Qualität des Urteils des Basler Appellgerichtes eine völlig andere ist als jene der ersten Instanz. Dies, weil es nicht nur willkürlich anmutet, sondern ganz einfach willkürlich ist, wenn das Basler Strafgericht bei Guido A. Zäch einzelne Geschäftstransaktionen ("Engel", Herisau, Zofingen) aus dem gesamten Geschäftszusammenhang (jährliche Performance) reisst und sie, ohne den objektiven Beweis geführt zu haben, als ungetreue Geschäftsbesorgung wertet. Denn würde dies - und das müsste es - fortan nicht nur bei Zäch, sondern bei allen so gehandhabt, sässen in Basel alle Banquiers, Entrepreneurs und Managers hinter Gittern. Den unfehlaren, unmittelbar von Gott geführten Entscheidungsträger gibt es bekanntlich nur im Petersdom zu Rom!

Aus der Berichterstattung ging hingegen nicht klar hervor, dass Zäch die Spenden tatsächlich für persönliche Zwecke verwendet hatte - das wäre gravierend. Punkto Provision von fünf Promillen: Die scheint mir gerechtfertigt zu sein - doch wurde sie von den kompetenten Organen ratifiziert? Ich weiss es nicht. Summa summarum: Lausanne nimmt dem Urteil jedwelchen "politischen Geschmack" - das ist besser.

Patric C. Friedlin
Basel



"Die Appellation hat sich gelohnt"

16 Monate bedingt statt 2,5 Jahre Zuchthaus unbedingt kommt schon fast einem Freispruch gleich. Die Appellation hat sich also sehr gelohnt.

Felix Schäfli
Hersberg


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