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© Fotos by Schweizerische Vogelwarte Sempach und Lara Patrizia Vogt


"Architektonische Aesthetik": "Elsässertor", spiegelnde Bäume, Opfer

An den spiegelnden Fassaden lauert
der Vogel-Tod

Glaspaläste: Was Architekten lockt und Betrachter entzückt, wird für Vögel zur Todesfalle

VON PETER KNECHTLI

Faszinierend gebrochen spiegelt sich im neu eröffneten "Elsässertor" beim Basler Bahnhof die gegenüber liegende Markthalle. Doch an der elegant-urbanen Fassade des gläsernen Geschäftskomplexes lauert der Tod: Die Schweizerische Vogelwarte Sempach spricht bereits von einem "Vogel-Sterben". Tierschützer sind in Aufruhr.

Als Lara Patrizia Vogt (21) aus Pratteln kürzlich mit ihrem Freund am neu eröffneten, von den Star-Architekten Herzog & de Meuron entworfenen "Elsässertor" an der Westseite des Basler Bahnhofs vorbei spazierte, traute sie ihren Augen kaum: Eine Tannenmeise nach der andern stürzte der Gebäudehülle entlang in die Tiefe und blieb reglos auf dem Boden liegen. Eine Reihe toter Vögel lag bereits in den Stein-Rabatten auf dem Trottoir - Beine aufwärts. Die Tierschützerin: "Ein schrecklicher Anblick."

Fachleute sprechen von "Vogel-Sterben"

Auf der Ostseite des Bahnhofs steht das Peter-Merian-Haus (Bild). Der grüne Glaspalast wird vor allem von Unternehmen genutzt und verströmt urbane Zentrumsfunktionalität. Für die Vögel ist er eine tödliche Falle. Dies musste auch Eveline Rommerskirchen, Grossrätin und Sekretärin der Grünen Basel-Stadt, erfahren, als sie kürzlich an der Fassade vorbeikam: "Ich war schockiert, als ich die vielen toten Vögel sah."

Bei der Schweizerischen Vogelwarte in Sempach klingelt das Telefon seit zwei Wochen heiss. Fachbereichsleiter Hans Schmid sprach gegenüber OnlineReports von einem "eigentlichen Vogel-Sterben" im Raum Basel. Letzten Samstag reiste er nach Basel, um schlimme Vogelfallen zu besichtigen. Allein vor dem Peter-Merian-Gebäude sammelte er 30 tote Tannenmeisen ein. Bezeichnet er die Fassade generell als vorbildlich, "sind vor allen die glasverpackten, stark spiegelnden Innenhöfe das Problem". Schmid: "Dort wurden die Bäume am dümmsten Ort gepflanzt." Zur tödlichen Kollision von Vögeln und Fassade kommt es dann, wenn sich die Bäume in den Gläsern spiegeln.

Grosse Bäume wurden auch vor dem "Elsässertor" gepflanzt. "Mit dem weiteren Aufwachsen der Bäume wird das Problem nicht kleiner werden", sagt Hans Schmid.

Architektonische Ästhetik geht vor

Solche architektonische Ästhetik bezahlen vor allem Vögel mit dem Leben, die - wie die Tannenmeise, die derzeit massenhaft ins Siedlungsgebiet einfliegt - mit den städtischen Verhältnissen nicht vertraut sind und mit Vorliebe von Baum zu Baum fliegen, oder auch Brutvögel wie die Amsel oder Buchfinken. Im Peter-Merian-Haus fragten Besucher die dort Arbeitenden schon, "was da so knallt". Darauf die Antwort: "Das kommt alle paar Minuten vor; das hören wir schon gar nicht mehr."

Das "Elsässertor" und das Peter-Merian-Haus sind nicht die einzigen Gebäude, an denen Vögel gleich reihenweise den Tod finden. Beim Rekognoszieren fand der Experte auch weitere gefährliche Vogel-Fallen, so das UBS-Glasgebäude am Aeschenplatz oder der Sitz der Basler Versicherungen am Aeschengraben. Auch der Coop-Hauptsitz und seine Nebengebäude, so Schmid, beinhalte hohe Risiken.

Konkrete Vogelschutz-Vorschriften fehlen

Weshalb werden solche von Bäumen flankierten Glasfassaden überhaupt bewilligt? David R. Dussy, Leiter des Basler Bauinspektorats, zu OnlineReports: "Weil es keine Vorschriften gibt, die solche Fassaden verbieten." Glasfassaden seien eben unter Architekten "im Moment der Knüller". Grossflächige Glasprojekte würden jedoch der Naturschutzfachstelle zur Stellungnahme unterbreitet, die auch schon "Auflagen" verlangt und erwirkt habe.

Erstaunlich: Offenbar wird diese Fachstelle jedoch nicht zwingend beigezogen. Die Baugesuche zu den neuen Gebäuden an der Nauenstrasse und zum Haus "Elsässertor" jedenfalls seien ihm "alle nicht bekannt geworden, und ich konnte auch nur den Bau feststellen", schrieb Jean-Pierre Biber von der Fachstelle für Vogelfragen im Auftrag der kantonalen Naturschutzfachstelle an einen Tierschutzbeauftragten.

Vogelwarte will Plattform bilden

Die Tierschutz-Interessen scheinen also nicht in jedem Fall hohes Gewicht zu haben. Dies könnte sich angesichts der Aufruhr unter Vogelschützern in der Region ändern. Hans Schmid von der Vogelwarte will möglichst rasch "eine Plattform bilden und alle Partner an einen Tisch zu bringen". Denn Schutz-Möglichkeiten bestünden durchaus - vom richtigen Glastypen über Folien zur Reduktion der Spiegelung bis zur temporären Montages von Schutznetzen - falls sich nicht die Stadtbildkommission quer stellt.

14. September 2005

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"Für Star-Architekten sind Vögel eine unangenhme Begleiterscheinung"

Dass Glasfassaden für die Vögel Todesfallen sind, ist ein längst bekannte Tatsache. Früher versuchte man das Problem mit dem Aufkleben von schwarzen Vogelbildern zu lösen und musste feststellen, dass diese Massnahme nichts nützt.

Für die die Lärmschutzwände aus Glas an der Autobahn sind Gläser mit senkrechten Streifen Vorschrift, da dadurch das Glas für die Vögel sichtbar wird. Für Star-Architekten, die wir in Basel ja zuhauf haben, sind Vögel offensichtlich nur eine unangenehme Begleiterscheinung, also mitnichten ein Grund, auf spiegelnde und für Vögel damit unsichtbare Glasfassaden zuverzichten.

Während die Stadtbildkommission über jedes Dachfenster und dessen Gestaltung brütet, können sich Star-Architekten unkontrolliert und ungestraft ein Denkmal zu Lasten der toten Vögel setzen. Unverständlich ist, dass die grün-roten Natürschützer diesem verderblichen Treiben tatenlos zusehen. Um den Bau von 738 m Verbindungsstrasse zwischen Lörrach und Weil zu verhindern, wird sogar die Berner Artenschutz-Konvention angerufen.

Um den hundertfachen Vogeltod wegen Glasfassaden zu verhindern, bewegen diese "Natur- und Artenschutz"- Kreise nicht einmal den kleinen Finger.

Bruno Honold
Basel


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