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© Foto by Regierung Basel-Landschaft

"Vorherrschende allgemeine Unverbindlichkeit": Nivellierte Baselbieter Regierung

Ein bisschen Augenhöhe, ein bisschen Team, ein bisschen Volksvertreter

Das erste offizielle Baselbieter Regierungs-Foto etwas näher unter die Lupe genommen

VON PETER KNECHTLI

Es waren Jahre der Entbehrung und Not. Doch jetzt ist Linderung angesagt: Die Baselbieter Regierung liess - nach dem Vorbild des Bundesrates - ein offizielles Gruppen-Foto herstellen. "Aufgrund verschiedener Anfragen." Jetzt liegt es vor. Endlich!

Wir haben aufgeatmet: Da blickt es uns nun entgegen, das Baselbieter Regierungsquintett, assistiert vom Ersten Landschreiber, und es verströmt die Anmutung, dass es nicht nur schlitzohrig verhandelt und dem baselstädtischen Kollegium gelegentlich auf gut Landschäftler Art die kalte Schulter zeigt, sondern auch bissigen Humor erträgt.

Ein Lächeln wie Tony Blair

Auf der ersten "offiziellen Karte der Regierung des Kantons Basel-Landschaft" (so die offizielle Bezeichnung) die Exekutive Freude strahlend - gerade so, als hätten die Parteien, die die Regenten portiert haben, soeben die Wahlen gewonnen. Im Hintergrund links aussen, aber mit unverkennbar rechtsliberaler Schubkraft hält sich Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP), während sich Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP) am rechten Rand durch ein umwerfendes Blendamet-Lächeln im Tony-Blair-Stil in Szene setzt. Seine kräftige linke Schulter wuchtet allerdings der bodenständige Sanitätsdirektor Erich Straumann (SVP) vor die rechte Flanke seines linken Kollegen. Im Hindergrund reckt der frühere FCB-Hüne und Landschreiber Walter Mundschin sorgsam wachend über die weiblichen Regierungsmitglieder Elsbeth Schneider (die Christdemokratin, der aktuellen Sichtweite im Sissacher Tunnel entsprechend, ganz in Dunkel) und Sabine Pegoraro (mit Signalrot, explizit jenem der FDP und nicht etwa jenem der Blemdamet-Partei, den einzigen markanten Farbtupfer tragend) im Vordergrund.

Analysieren wir nun den vorsorglicherweise in Kleinbuchstaben gehaltenen Text im Hintergrund, so tauchen erste Fragen auf. Zunächst sticht sofort ins geübte Auge, dass ausschliesslich männliche Formulierungen ("bürger", "stimmbürger") verwendet werden - ein Faktum, das noch vor wenigen Jahren wilde Proteste ausgelöst hätte, und das Susanne Leutenegger Oberholzer, der Vorkämpferin für egalitär-antisexistische Sprache, besser vorenthalten bliebe. Sodann nähern wir uns mit wachsender Neugier dem Text und lesen das Folgende:

"mit demut und konstruktivem einsatz möchten wir jetzt und in der zukunft gemeinsam über die parteigrenzen hinweg, das beste für unsere bürger. und das sind sie. bürger die aktiv mit uns die zukunft gestalten wollen. auch können. übernehmen auch sie die verantwortung für ein besseres miteinander. wir sind dabei. lösungen inklusive. regieren ist eine kunst. ohne reaktion des stimmbürgers kennen wir auch seine bedürfnisse nicht. wir möchten mit ihnen agieren und nicht nur reagieren. genau dieses braucht unsere zukunft. vernunft und weitblick für die belange aller. auch der unserer region. vor allem hier. speziell im kleinen."

Auch Redigieren ist eine Kunst

Das klingt schon fast wie ein Präambel-Experiment zu einem Baselbieter Politikplan. Aber nur fast. Viel eher ist diese Passage - als akuter Ausdruck der vorherrschenden allgemeinen Unverbindlichkeit - ein dringlicher Fall für die Stil- und Grammatikberatung in Urs Wüthrichs Bildungsdirektion. Kommas, Deleaturen und Sätzedrechsler hervor! Es zeigt sich nämlich - zur Ehrenrettung unserer Berufsgarde - dass nicht nur Regieren eine Kunst ist, sondern auch Redigieren kein Kinderspiel. Wünschen wir der Exekutive, dass sie besser regiert als redigiert.

Verlegen wir uns nun auf die "Bildebene". Diesbezüglich hat Fotograf Christian Roth folgenden Text komponiert:

"Die Regierungsvertreter, egal welcher politischen Couleur, haben den Auftrag, als Kollektiv die bestmöglichen Entscheidungen für den Kanton zu treffen. Als Volksvertreter (sic!, -red.) haben sie den Willen des Souverän zu berücksichtigen. Um dies zu erreichen, müssen sie als Team agieren. Dass dies gelingen kann, habe ich die Regierungsräte auf gleiche Augenhöhe gestellt. So ist es ihnen möglich, den Sichtkontakt aufrecht zu erhalten. Eine Sichtweise soll entstehen, die im ganzen zum Erfolg führen soll. Der politische Diskurs ist möglich."

Das Team auf gleicher Augenhöhe

Diese Darlegung entbehrt auf den ersten Blick nicht einer gewissen Logik. Nur stellt sich sogleich die Frage, wie a) die nahezu gleiche Augenhöhe beim Fototermin bewerkstelligt wurde - Schemel? Interpellations-Stapel? Leichtes In-die-Knie-gehen, ohne dass das lockere Lächeln gefriert? - und wie b) wie die gleiche Augenhöhe auch nach dem Fototermin noch aufrecht zu erhalten ist. Denkbar wäre, die Regierungsrätinnen und Regierungsräte in strittigen oder besonders visionären Geschäften mit unterschiedlichen Schuh- bzw. Absatzgrössen auszustatten oder barfuss antreten zu lassen, damit der zur Team-Bildung unerlässliche "Sichtkontakt" gewährleistet ist. Ungewiss wäre dabei allerdings, wie unter solchen Bedingungen dem Demuts-Bekenntnis nachgelebt werden kann. Denn der Autor des Bildes hat Demut unter anderem mit "Selbsterniedrigung" umschrieben, was bei der Herstellung von "gleicher Augenhöhe" zu erheblichen Konflikten in jenem Fall führen könnte, wo diese nur mit einer markanten Selbsterhöhung zu bewerkstelligen ist. Was wiederum die Team-Arbeit in Mitleidenschaft ziehen könnte.

Wir rätseln deshalb, ob sich die Liestaler Weitblick-Exekutive mit dem tief schürfenden Foto-Konzept je einmal beschäftigt hat. Schliesslich war sie ja mit gutem Grund intensiv mit dem überaus solidarischen Akt der Augenhöhe-Nivellierung beschäftigt, denn gleiche Augenhöhe (frei nach Karl Marx) ermöglicht gleiche Visions-Chancengleichheit.

"vor allem hier. speziell im kleinen."

Die Moral von der Geschicht': Tausend Worte sagen mehr über eine Regierung als ein Bild. "genau dieses braucht unsere zukunft. vernunft und weitblick für die belange aller. auch der unserer region. vor allem hier. speziell im kleinen." Ja, ja. Schon gut.

8. Dezember 2005

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"Symbolisch für die Wirklichkeit"

Das "Baselbieter Regierungs-Foto" vor Augen: Da bleibt kein Auge trocken. "Auf gleicher Augenhöhe" sein, heisst nicht, dass allen sechs jeweils "die Augen aufgehen"! Ihr exzellenter, überaus behutsam formulierter Kommentar trifft ins Schwarze. Ich fürchte jedoch, dass das Reflexionsvermögen der Einen oder des Anderen der selbstzufrieden Frohsinn Mimenden nicht ausreichen dürfte, Ihren Beitrag auch zwischen den Zeilen zu lesen. Dass gewisse Abgebildete zu ihrer Stütze einen Schemel benötigen, steht symbolisch für die Wirklichkeit.

Ernst A. Heimann
Wenslingen



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