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"Keine kollektive Euphorie": Neu gewählte Basler Regierung* beim ersten Fototermin

Die Bürgerlichen müssen wieder kämpfen lernen

Viereinhalb Monate links-grünes Basel: Regierung, Grosser Rat und Parteien zeigen unterschiedliche Profile und Strategien

VON PETER KNECHTLI

Seit viereinhalb Monaten sitzt in Basel Rot-Grün an den Schalthebeln der politischen Macht. Die erste Bilanz, die sich bisher ziehen lässt: Die Regierung bietet noch kaum gefestigte Kontur, im Parlament wird rot-grüner Schwung spürbar. Unübersehbar ist aber auch der prononcierte Oppositionskurs der bürgerlichen Allianz, die ihre Regierungsmehrheit abgeben musste.

Gross war der Jubel im Basler Kongresshaus letzten Herbst unter Linken und Grünen, als nach den beiden Wahlgängen nach 54 Jahren wieder das "Rote Basel" ausgerufen wurde. Ebenso gross waren die Erwartungen, die der Erdrutsch-Sieg weckte: Endlich eine Ende des "kaputtgesparten Basel", endlich wieder eine ökologische Politik, die Basel wieder in die Fortschritts-Liga der Schweizer Kanton hievt - endlich wieder eine soziale Politik, verbunden mit Wohnumfeld-Aufwertung und familienfreundlichen Bedingungen.

Kochen mit Wasser

Viereinhalb Monate nach Amtsantritt der neuen siebenköpfigen Regierung, der - neben einem Vertreter von FDP, Liberalen und CVP - drei SozialdemokratInnen und ein Grüner angehören, steht fest: Auch die knappe links-grüne Mehrheit kocht nur mit Wasser. So beantragte sie diese Woche dem Grossen Rat, die "Wiese-Initiative" als ein Instrument zur Verhinderung der Zollfreistrasse dem Volk mit der Empfehlung auf Ablehnung vorzulegen, obschon der grüne Justizdirektor Guy Morin eben noch auf dem Projektgelände im Zelt gegen den Bau protestierte.

Schon zweimal gab Morin im bürgerlichen Basel zu Raunen Anlass: Das erste Mal nach einem Fernsehauftritt in der Sendung "Arena", in die er als Exekutiv-Neuling offenbar steigen musste; das zweite Mal, als er sich der Genfer Idee einer Amnestie für Sans-Papiers anschloss. Der TV-Auftritt zeigte einen noch ungeschliffenen Politiker, aber keinesfalls einen rhetorischen Versager. Vom Hausarzt, der im Akut-Sprung Justizdirektor wurde, dürften indes kurzfristig genauso wenig grössere Verwerfungen zu erwarten sein wie von Eva Herzog. Der früheren Universitäts-Kaderfrau, die jetzt als Basler Kassenwartin amtiert, schauen das Parteivolk der bürgerlichen Minderheit mit besonderen Argusaugen auf die Finger. Das zeigte sich in diesen Tagen, als ihr CVP, FDP und Liberale wegen ihrer Haltung zur Idee einer "Basler Solidaritäts-Stiftung" nichts weniger als "Schleuderkurs" vorwarfen.

Regierung noch kein verschworenes Kollegium

Das bereits deutlicher als zuvor wahrnehmbare bürgerliche Sperrfeuer gegen die links-grünen Regierungs-Novizen lässt erahnen, wie sich die Stimmung innerhalb der gesamten Regierung präsentiert: Alles andere als eine kollektive Euphorie. Zunächst beobachten sich die sieben Repräsentanten der beiden grossen Allianzen argwöhnisch; dann scheint dem Gremium ein gewisses Einzelkämpfertum eigen zu sein und ein departementsübergreifend denkender Kopf wie der zurückgetretene Liberale Ueli Vischer zu fehlen. CVP-Sanitätsdirektor Carlo Conti dürfte sich an sein Kredo halten und sich occasionell mit rechts oder auch mal links arrangieren.

Schliesslich sollen sich Polizeidirektor Jörg Schild und der liberale Erziehungsminister Christoph Eymann sagen wir einmal nicht mit landesüblichen Mass an Grund-Vertrauen zu begegnen; ähnliche Symptome könnten - wenn nicht heute, so doch mittelfristig - auch im links-grünen Mehrheitslager auftreten, wenn sich finanzielle, wirtschaftliche und ökologische Begehrlichkeiten in die Quere kommen.

Schon seit Beginn der Amtsperiode belastet ein Faktor das Spriessen einer gemeinschaftlichen Regierungs-Kultur: Die Umsetzung von Sparpakets fördert geradezu einen Regierungsstil des "jeder gegen jeden". Jedenfalls vermittelt die Exekutive noch immer klar das Bild eines heterogenen Organismus und nicht das eines verschworenen Kollegiums. Dies dürfte indes auch damit zusammen hängen, dass die neuen Mitglieder zahlreiche hängige Geschäfte von ihren Vorgängern übernommen haben und diesbezüglich noch wenig Gestaltungs-Spielraum entwickeln konnten.

Kurswechsel im Grossen Rat spürbar

Während in der Regierung die neuen Konturen auch nach über hundert Tagen noch nicht klar erkennbar sind, weht im flexibleren Parlament ein anderer Wind. Das zeigte sich letzte Woche beispielsweise daran, wie der Grosse Rat ein Verbot sexistischer Werbung durchsetzte, das in der alten Zusammensetzung so nicht möglich gewesen wäre. Ein scharfer Kurswechsel könnte sich auch dann manifestieren, wenn das Parlament im Herbst die Motion für eine "Basler Solidaritäts-Stiftung" überweist und damit in gewissem Sinn die politische Gretchenfrage beantwortet.

Bemerkenswert ist dieser sich abzeichnende Trend, weil SP und Grüne im 130-köpfigen Grossen Rat anders als in der Regierung über keine formelle Mehrheit verfügen, sondern mit 62 Abgeordneten über eine sehr starke Minderheits-Position. Besonders gefragt sind in diesem labilen Gleichgewicht die Kräfte der Mitte-Parteien DSP und VEW. Als Mehrheitsbeschaffer können sie das Zünglein an der Waage sein.

Nicht immer Block-Politik

Schon in mehreren Fällen spielte aber die Block-Politik nicht. Als es darum ging, die rechtlichen Grundlagen zum Bau eines Hochhauses auf dem Markthalle-Areal zu schaffen, gingen die Meinungen quer durch Fraktionen; schliesslich setzte sich die medienresistente SP-Baudirektorin Barbara Schneider mit ihrem Projekt durch - dank bürgerlichen Ja- und trotz grünen Nein-Stimmen. Gar eine herbe Schlappe musste die SP als Partei und mit Abstand stärkste Fraktion gleich bei Wiedergeburt des "Roten Basel" hinnehmen, als Ständerätin Anita Fetz die Bestätigung in den Bankrat verweigert wurde - auch mit Hilfe der Linken.

Die bisher vorliegenden Indizien billigen dem Parlament auch unter veränderten politischen Windverhältnissen eine durchaus differenzierte und dem realen Kräfteverhältnis entsprechende Politik zu, die nicht rasche Sieger und dauernde Verlierer hervorbringt. Dafür sorgen insbesondere auch die traditionellen bürgerlichen Parteien, die das Kämpfen wieder lernen müssen und dies scheinbar auch zu tun gewillt sind. Etwas zur Verwunderung der Partner FDP und CVP lancierten die Liberalen schon Mitte Februar die Idee, mit einem "Koalitionsvertrag", um dem links-grünen Führungsanpruch Paroli bieten zu können.

Bürgerliche optimieren Kampf-Arsenal

Welches taktische Repertoire dieser Vertrag beinhaltet, ist vorläufig noch nicht im Detail bekannt. Immerhin zeichnet sich der bürgerliche Oppositionskurs schon im Umrissen ab: Gemeinsame und möglichst geschlossene Kritik an links-grünen Regierungsentscheiden, verschärfte und in der Kadenz intensivierte Öffentlichkeitsarbeit, Versuch, in bürgerlichen Kernthemen wie Steuer- und Finanzpolitik die Führerschaft zu erringen. Das zeigte sich bereits an verschiedenen Beispielen: Vor der Debatte um das Martkhalle-Hochhaus, als sich die CVP offensiv als Befürworterin offenbarte, beim Referendum der Liberalen gegen die Sanierung des Elisabethenparks (bei dem sich die Partei in eher ungewohnter Art als Baumschützerin profiliert).

Vermehrt dürften auch gemeinsame Kampfansagen an die links-grüne Politik in Regierung und Parlament, eingepackt in einen verschärften Tonfall, zum Kampf-Arsenal gehören - so, wie beisielweise die gemeinsame Erklärung gegen den behaupteten "Schleuderkurs" der SP-Finanzdirektorin. Eine besonders aktive Rollen innerhalb der bürgerlichen Neupositionierung scheinen die Liberalen spielen zu wollen. Kaum murrten Grüne und Linke gegen städtebauliche Expansionsabsichten der Pharmakonzerne ("Basler Zeitung": "Linke wollen Novartis stoppen"), tönte es von den Liberalen zurück: "Bündnis und SP müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, nicht mit ihrer Mehrheitsposition umgehen zu können und den Interessen die gesamte Bevölkerung zuwider zu handeln."

Binnen-Konflikte sehr wohl möglich

Vorläufiges Fazit: Die Linke steht unter Erfolgsdruck, der Ton zwischen den grossen konkurrenzierenden Lagern im Basel-Stadt verschärft sich vor allem auf bürgerlicher Seite, während die führende Linke bisher eher moderat kommunizierte. In beiden Lagern möglich sind Binnen-Konflikte: Wenn Grüne gegen SP-Regierungsprojekte gegen den Ausbau des Novartis-Campus mobil machen oder wenn eine der traditionellen bürgerlichen Parteien im Bedarfsfall auch die SVP ins Boot holen möchte. DSP und VEW als Parteien der Mitte spielen zwar das Zünglein an der Waage, müssen aber trotz ihrer wichtigen Rolle flexibel und proaktiv bleiben, wenn sie ihr Profil nicht einbüssen wollen.

*Eva Herzog (SP), Carlo Conti (CVP), Ralph Lewin (SP), Jörg Schild (FDP), Barbara Schneider (SP), Christoph Eymann (Liberale), Guy Morin (Grüne)

17. Juni 2005

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"Traditionelle Bürgerliche müssen gemeinsam mit der SVP gehen"

Die traditionellen Bürgerlichen müssen in der Tat wieder lernen zu kämpfen und davon wegkommen, bei jedem Geschäft artig mit dem Kopf zu nicken, wenn es die Linken so wollen. Erste Tendenzen zu einer kämpferischeren Haltung sind bereits erkennbar. Die SVP hat es da leichter. Wir haben das Kämpfen nie verlernt und tun es seit allem Anfang.

Es scheint aber, als wären die Roten und die Grünen, die Altkommunisten und die Neoantikapitalisten, die 68er und die Gutmenschen intern bereits zerstritten, gar ein Binnen-Konflikt latent entbrannt. Zumindest suggeriert der Leserbrief von Roland Stark eine kräftige Abneigung gegen das wirtschaftsfeindliche und offensichtlich vorgängig  nicht abgesprochene Vorpreschen von Urs Müller in Sachen Novartis Campus. Auch die nach alter Giesskannenmanier geforderte Umverteilung von Volksvermögen via Solidaritätsstiftung scheint auf wenig Gegenliebe zu stossen.

Herr Friedlin schliesslich scheint zu vergessen, dass für ein wirkungsvolles bürgerliches Gegengewicht im Grossen Rat das Mitwirken der SVP unerlässlich ist. Die traditionellen Bürgerlichen haben die Wahl. Entweder stecken sie vier Jahre lang den Kopf in den Sand und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht, oder aber sie gehen einen gemeinsamen Weg mit der SVP.

Kämpferisch gilt es dafür einzustehen, dass Novartis den Hafen und die Hünigerstrasse vom Kanton übernehmen kann. Die Expansionsabsichten des Konzerns sind das verbindlichste Standortbekenntnis zur Region. Wenn die Linken über das Privatisieren von öffentlichen Strassen klönen und den vereinbarten Kaufbetrag lauthals als zu bescheiden verschreien, dann vergessen sie dabei, wie viele Menschen bei Novartis ihr Geld verdienen. Mit der Expansion können in Basel zudem viele Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Damit profitiert auch Basel-Stadt von zusätzlichem Steuersubstrat. Ganz zu schweigen vom Steuerzahler Novartis selbst. Die Linken blenden polemisch die golden glänzende Kehrseite der Medaille aus und versprerren sich in ihrem blinden Verhinderungswahn gegen dieses visionäre, zukunftsgerichtete Campus-Projekt.

Auch gilt es, alle Hebel gegen die geforderte "Solidaritäts-Stiftung" in Bewegung zu setzen, denn unser Kanton steht unverändert mit einer Bruttoverschuldung von 6 Milliarden Schweizer Franken in der Kreide. Das wird sich unter rot-grün bestimmt nicht ausgleichen.

Michel-Remo Lussana
Grossrat SVP Basel-Stadt
Basel



"Den Weg der bürgerlichen Koalition beschreiten"

Dass CVP-FDP-LDP anlässlich der Bürgergemeinderatswahlen nicht schon wieder arg unter die Räder kamen, sollte man nicht als Trendwende missdeuten. Ich vermute, dass die Basler anders stimmen, als die Schweizer. Nach wie vor prioritär scheint mir, dass die Vorstände dezidiert den Weg hin zur bürgerlichen Koalition gehen, die gemäss den Parteipräsidenten vor den Sommerferien proklamiert werden soll.

Patric C. Friedlin
Basel



"Kein Grund zur Aufregung"

Innerhalb einer Woche sind die Basler Medien, allen voran die BaZ und OnlineReports, gleich zweimal auf die geschickte Pressearbeit des Fraktionsvorsitzenden Urs Müller (Grünes Bündnis) herein gefallen. Ihm ist es erstaunlicherweise problemlos gelungen, wichtige grüne Anliegen alsgemeinsame Position von rot-grün darzustellen und damit die Frontseiten zu besetzen. Besonders eklatant war dies der Fall bei der Solidaritätsstiftung. Hier handelt es sich um eine parlamentarische Motion von Urs Müller, die auch von einigen SP-Grossräten unterschrieben worden ist. Ein gewöhnlicher politischer Vorgang, der sich im Rathaus alle paar Wochen abspielt. Von einem (abgesprochenen) rot-grünen Projekt kann überhaupt keine Rede sein. Die Fraktion hat sich mit dem "Goldregen" aus Bern überhaupt noch nicht beschäftigt, den Text der Motion mussten sich die Mitglieder vom Parlamentsdienst zusenden lassen.

Es ist zu vermuten, dass es über die Verwendung der 250 Millionen Franken in allen Parteien unterschiedlichste Meinungen gibt. Eine pure Selbstverständlichkeit, die man ohne künstliche Aufgeregtheit zur Kenntnis nehmen darf.

Ähnliches gilt für die Auseinandersetzung um den Novartis Campus. Hier versuchen die noch etwas unbeholfenen Übungsleiter der bürgerlichen Opposition aus den markigen Worten von Urs Müller und einigen harmlosen Halbsätzen von Beat Jans eine rot-grüne Blockadepolitik heraus zu lesen. Dieser Versuch wird scheitern. Der regierungsrätliche Lenkungsausschuss besteht aus drei sozialdemokratischen Mitgliedern, und an der grundsätzlich positiven Einstellung der SP-Fraktion zum Projekt kann kein Zweifel bestehen. Kritische Fragen aber dürfen in einer Demokratie wohl noch erlaubt sein.

Fazit der Geschichte: Kein Grund zur Aufregung, ein ruhiges, sonniges Wochenende kann in Angriff genommen werden. (Falls nicht eine weitere Müllersche Ente in den Himmel aufsteigt.)

Roland Stark
SP-Grossrat
Basel



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