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"Kinobetreiber sind kooperativ": Justizdirektoren Guy Morin und Sabine Pegoraro

Mehr Jugendschutz vor Gewalt- und Blut-Orgien in Filmen und PC-Spielen

Beide Basel wollen strengere Gesetzesbestimmungen und ein Signal für eine schweizerische Harmonisierung geben

VON PETER KNECHTLI

Die beiden Basel wollen Kinder und Jugendliche besser vor Gewaltdarstellungen in Filmen und Computerspielen schützen: Mit einem neuen und inhaltlich identischen Film- und Trägermediengesetz wollen die beiden Halbkantone den Zugang zu Filmen, aber auch zu Neuen Medien und Spielen erschweren, die unzulässige Gewaltszenen enthalten.

Nicht nur im öffentlichen Raum sinkt die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung. Mit ein Grund: Auch im Kino, auf DVDs und in Computerspielen werden Kindern und Jugendlichen immer häufiger Inhalte und ein spielerischer Umgang mit brachialer Gewalt und Blut-Orgien zugemutet, die bei bestimmten sozialen Konstellationen zur Nachahmung in der Realität animieren. Davon sind der Basler Justizdirektor Guy Morin und die Baselbieter Justiz- und Polizeidirektorin Sabine Pegoraro überzeugt. Beide sind Eltern von minderjährigen Kindern.

Sie wollen jetzt - sanft, aber bestimmt - die Schraube anziehen. In beiden Kantonen legen sie ein neues "Film- und Trägermediengesetz" (FTG) vor, das griffiger regeln soll, was das eidgenössische Filmgesetz von 2002 nicht enthält: Den Kinder- und Jugendschutz, der Kantonssache ist. Der gemeinsam erarbeitete und inhaltlich identische Gesetzesentwurf soll jetzt in eine dreimonatige Vernehmlassung geschickt und im kommenden Frühjahr den Kantonsparlamenten unterbreitet werden.

Neu auch DVD, Computer- und Videospiele erfasst

Nach den heute geltenden kantonalen Filmgesetzen in beiden Basel sind Filmvorführungen generell ab 16 Jahren frei zugänglich, tiefere Altersgrenzen müssen durch die staatliche Filmkommission und insbesondere den gemeinsamen Visionierungsausschuss beurteilt und bewilligt werden. Das neue Gesetz, das ausdrücklich auch sämtliche Trägermedien umfasst, enthält folgende drei Kernpunkte:

Neu wird auch der riesige Bereich der Computer- und Videospiele erfasst, der durch sein starkes Wachstum eine immer wichtigere Bedeutung bezüglich Gewaltprävention erhält. Das Gesetz verlangt, dass die bisher unverbindlichen europäischen Selbstregulierungs-Richtlinien "Pegi" (pan european game information), die auf Computer- und Videospielen seriöse Alterseinstufungen (wie "3+","12+" oder "18+") deklarieren, als verbindlich und somit rechtlich durchsetzbar erklärt werden. Das heisst: Der Handel ist - ähnlich wie beim Verkauf von alkoholischen Getränken - verpflichtet, die Altersgrenzen einzuhalten und allenfalls mit Ausweiskontrollen durchzusetzen.

Der Grundsatz des Zugangs zu Filmvorführungen bei einer Altersgrenze von 16 Jahren bleibt grundsätzlich unangetastet. Aber die Medienkommission soll neuerdings die Möglichkeit haben, die Altersgrenze in Einzelfällen auf 18 Jahre zu erhöhen und den Automatismus, den Zutritt Jugendlicher in Begleitung Erwachsener drei Jahre tiefer anzusetzen, aufzuheben.

Der bisher nicht verrechnete Aufwand der künftigen Medienkommission zur Behandlung der Anträge auf Freigabe ist künftig gebührenpflichtig, wobei bloss kostendeckende Ansätze zwischen 50 und 2'000 Franken vorgesehen sind.

Gesamtschweizerische Lösung angestrebt

Sowohl Morin wie Pegoraro sind sich bewusst, dass eine isolierte "Basler Lösung" noch nicht das Ziel sein kann. Denn in sämtlichen Kantonen der Schweiz herrschen die unterschiedlichsten Regelungen. Aber die beiden Basel möchten "durch die neue Norm ein Zeichen setzen und klar machen, dass Gewalt nicht toleriert wird". Ebenfalls möchte Morin damit ein Zeichen über die Kantonsgrenzen hinaus setzen: Als Mitglied der Gruppe Gewaltprävention der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren will er eine "einheitliche Regelung für die Schweiz" anstreben, indem die Kantone untereinander eine harmonisierte Vereinbarung unterzeichnen.

Sabine Pegoraro und Guy Morin, die erstmals gemeinsam vor den Medien auftraten, sind auch der Auffassung, dass die Branchen der Filmanbieter wie der Video- und Computerspiele einen verbindlichen berufsethischen Kodex in Kraft setzen sollten, wie er in der Werbung und im Journalismus längst besteht.

Die erhöhte Gewaltbereitschaft schilderte Morin am Beispiel des Amoklaufs an einer Schule in Erfurt im April 2002 und den Fall einer Drohung an einer Basler Schule, aber auch an Aussagen von Fachleuten aus der Jugendarbeit und der Strafjustiz. Pegoraro betonte, der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor brutalen Inhalten sei in erster Linie Sache der Eltern. Verstärkte Intervention des Staates und der Schulen sei aber nötig, weil die Hersteller und Anbieter von Filmen und Spielen ihre Verantwortung leider "nur begrenzt" wahrnähmen: "Als Mutter eines lebhaften, interessierten Zwölfjährigen spreche ich aus Erfahrung!"

2. Dezember 2005

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"Verbote sind lediglich dazu da, gebrochen zu werden"

Was ist Gewaltdarstellung und wann wird sie so unerträglich das man sie verbieten muss? Ist ein Film wie "Shrek", in dem ein Teigmännchen gefoltert wird, oder den unschuldigen Amphibien, die von Prinzessin Fiona aufgeblasen werden um ihr dann als hübsche Ballons zu dienen, schon zu verbieten - und wenn nicht, warum wird dann schon ein "Mad Max 2" als potenziell gewaltverherrlichend geahndet? Warum darf dann an Ostern überhaupt ein Jesusfilm gezeigt werden, der mit Nägel im Fleisch an einem  Holzpflock hängt?

Warum werden keine gewaltverherrlichende Bücher verboten? "Illuminati" wäre gleich von allen Bestseller-Listen verschwunden. Ist da noch unsere Neurose aus dem Dritten Reich, die uns daran hindert, konsequent gegen Gewaltverherrlichung vorzugehen?

Darf denn überhaupt noch ein "Tom & Jerry"-Trickfilm gezeigt werden und was ist mit Hänsel und Gretel, die die Hexe in den Ofen stossen wo sie qualvoll verbrennt? Diese Farce, unsere Jugend schützen zu wollen, indem die Gesetzteshüter Besitzer angeblich gewaltverherrlichender Filme verfolgen, Verkäufer wie der mächtige Exlibris aber nicht daran hindert, gewaltgeballte Filme weiter zu verkaufen, ist doch sehr unglaubwürdig.

Verkauft werden darf, aber besitzen darf man nicht. Ist nicht das auch Gewalt, Gewalt gegen den kleinen Konsumenten der sich gegen die Willkür des Gesetztes nicht wehren kann? Wer kann sich das Recht herausnehmen und eine allgemein gültige Grenze ziehen, wo Gewalt als erträglich endet und die Verherrlichung beginnt? 

Vielleicht sollten wir Eltern einfach wieder anfangen, unsere Kinder zu erziehen. Ihnen zuhören und auf ihre Bedürfnisse eingehen. Das ist Prävention. Verbote sind lediglich dazu da, gebrochen zu werden.

Patrick Schmitt
Winterthur



"Hollywood ist längst zur Alptraumfabrik geworden"

Was Frau Regierungsrätin Pegoraro und Herr Regierungsrat Morin verschlagen, verdient Unterstützung. Es ist ja wenig genug. Einst gab es eine Filmzensur. Sie wurde vor gut 30 Jahren als "nicht mehr zeitgemäss" abgeschafft. Was war die Folge? Dass unsere Kinos seither von einer Lawine widerwärtigster Produktionen vornehmlich US-amerikanischer Provenienz förmlich überrollt werden. Die Traumfabrik Hollywood (wie sie Ilja Ehrenburg in seinem grossartigen Roman beschrieben hat) - sie ist längst zur Alptraumfabrik geworden. Vor dieser obszönen Gewaltanbetung müsste man eigentlich alle Menschen schützen, nicht nur die jugendlichen. Freilich entspricht sie ja auf Punkt und Komma der Politik des Master of War im Weissen Haus.

Heinz Moll
(Heimwehbasler)
Prag



"Auf Internet und Mobilfunkbetreiber ausdehnen"

Das Gesetz war überfällig und sollte, wie bei Pornos, auch auf das Internet und die Mobilfunkbetreiber ausgedehnt werden.

Alexandra Nogawa
Basel



"Filme und Games werden häufig aus dem Internet herunter geladen"

Das neue Film- und Trägermediengesetz ist sicherlich gut gemeint. Heute werden jedoch Filme und Games nicht im Landen gekauft, sondern vom Internet (meist kostenlos und von Kanton und Bund unkontrollierbar) heruntergeladen. Ausserdem fehlt - wie ich bisher in Erfahrung bringen konnte - ein Zusammenhang zwischen fiktionalem Medienkonsum und Gewalttätigkeit. Jugendliche sehen in den Medien reale Gewalttätigkeiten in Nachrichtensendungen, die den Games in nichts nachstehen. Ich stelle die Frage, ob wir wieder ein neues Gesetz mit neuen Gebühren und neuer Bürokratie brauchen, wenn es - was meinen heutigen Wissenstand betrifft - nicht geeignet ist, das gesetzte Ziel zu erreichen.

Siro Imber
Allschwil



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