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"Sorgen nicht berechtigt": Wirtschaftsminister Joseph Deiss im Basler Rathaus*

Bei Nein zur Personenfreizügigkeit:
"Der Kanton Basel-Stadt steht still"

Bundesrat Joseph Deiss warb im Basler Rathaus für ein Ja zur Freizügigkeit

VON PETER KNECHTLI

Bundesrat Joseph Deiss warb heute Abend im Basler Rathaus für eine deutliche Zustimmung zur erweiterten Personenfreizügigkeit. Bei einer Ablehnung der Vorlage durch das Schweizer Volk, mahnte Deiss an der Veranstaltung der Basler Regierung, "steht der Kanton Basel-Stadt still".

Der Grossratssaal war heute Abend voll besetzt, als Bundesrat auf einem seiner dreissig Auftritte zur Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit vom 25. September auch Basel halt machte. Gemessen am Applaus, den der Wirtschaftsminister nach seinem halbstündigen, frei gehaltenen Referat einheimsen durfte, befanden sich deutlich mehr Befürwortende einer Freizügigkeits-Ausweitung im Saal als Ablehnende. Bekannte SVP-Gesichter - die Partei versammelte sich gerade zur Nein-Parole-Fassung - waren nicht auszumachen, hingegen einige führende SD-Exponenten, die die Vorlage ebenfalls bekämpfen.

"Die Unternehmen würden raschreagieren"

"Ich bin nicht hierher gekommen, um Ihnen zu sagen, dass mit dem bilateralen Weg keine Probleme verbunden sein könnten", sagte Deiss, um sogleich darzulegen, dass ein Nein insbesondere für den Wirtschafts- und Forschungsplatz Basel noch viel gravierendere Konsequenzen habe. Die EU würde eine Diskriminierung der neuen Staaten nicht hinnehmen und der gesamte bilaterale Weg der Schweiz mit der Union könnte "gefährdet" werden. Deiss: "Das ist Gift." Betroffene Unternehmen, drohte der Wirtschaftsminister, würden "rasch reagieren" und ihren Standort - und damit auch Arbeitsplätze - in den nahen EU-Raum verlegen.

Ein gewisses Verständnis mochte der Berner Spitzenpolitiker für oft geäusserte Sorgen wegen Lohndumping und den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen aufbringen - um sie gleichzeitig zu zerstreuen. Mit den flankierenden Massnahmen und der vorgesehenen langfristigen Kontingentierung könne der Lohndruck in einem "relativ bescheidenen Rahmen" gehalten werden. Es gebe "keinen Grund", "Kaskadeneinwanderung und Überschwemmung" mit Arbeitskräften und Familien aus Ost-Staaten zu befürchten. Vielmehr könnten nur Arbeitskräfte in die Schweiz kommen, die über einen Arbeitsvertrag verfügen. Durch die "sanfte Ausweitung" der Freizügigkeit "werden die Schweizer nicht durch Ausländer bedrängt".

"Einwanderung hat eher abgenommen"

Deiss verwies auch auf den demografischen Wandel, den die Schweiz in den nächsten dreissig Jahren durch Überalterung der Bevölkerung und die geringe Reproduktion zu bewältigen habe. Die Schweizer Bevölkerung werde "zurückgehen", was auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes habe: "Wir brauchen diese ausländischen Arbeitskräfte. Der Kanton Basel-Stadt steht still, wenn die Ausländer nicht mehr kommen." Dass die Schweiz nicht überschwemmt werde, habe seinen Grund auch darin, dass die neuen EU-Länder das Problem der Überalterung schon heute empfindlich treffe.

Einleitend verwies Deiss darauf, dass heute genau jene Kreise den bilateralen Weg bekämpfen, die ihn bei der - gescheiterten - Abstimmung über den Schweizer EWR-Beitritt als Lösung empfohlen haben. 63 Prozent der Schweizer Exporte gingen in die EU, über 80 Prozent der Importe stammten von dort her. Im übrigen bestätigte Deiss, worauf Maria Thorgevsky und Dan Wiener in ihrer originellen musikalischen Umrahmung schon hingewiesen hatten: Wanderungen hat es immer schon gegeben. Die Einwanderung in die Schweiz habe in den letzten Jahren eher abgenommen.

Buffet mit Markgräfler Staatswein

In seinem Begrüssungsreferat hatte der Basler Regierungspräsident Ralph Lewin nochmals die geschlossen befürwortende Stellungnahme der Kantonsregierung bekräftigt. Das offizielle Basel - Trägerin der Veranstaltung - vertraten auf der Regierungsbank Ralph Lewin und seine Regierungskollegen Jörg Schild, Carlo Conti und Guy Morin, sowie Nationalrätin Silvia Schenker und Staatsschreiber Robert Heuss. Eine Diskussion sah das Protokoll nicht vor - dafür einen sehr farbenfrohen Apéro mit Markgräfler Staatswein.

* Hinten v.l.n.r.: Regierungspräsident Ralph Lewin, Nationalrätin Silvia Schenker, Justizdirektor Guy Morin

23. August 2005

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In der "Basler Zeitung" vom 25. August steht es auf der Titelseite schwarz auf weiss: "Massgeblich zum Boom des Basler Sexgewerbes beigetragen haben die Erleichterungen, die das Personenfreizügigkeitsabkommen für Bürgerinnen der 'alten' EU-Länder bringt." So dürfen wir uns mit der Erweiterung auf noch mehr Abwechslung und Menschenhandel unter mafiösen Gruppierungen im Basler Rotlichtmilieu freuen. Es ist hinlänglich bekannt, dass Frauen in den Ostblockstaaten von Männern unter Androhung massiver körperlicher Gewalt in die Prostitution gezwungen werden. "Guet Nacht am sächsi" wenn das der einzige Vorteil ist, welcher im Zuge der Erweiterung der Personenfreizügigkeit Basel vor einem Stillstand bewahren soll.

Michel-Remo Lussana
SVP-Grossrat
Basel



"Welche Kostengrundlage haben ausländische Arbeitskräfte?"

Dass die demagogischen Teile der SVP nichts von gerechter Zusammenarbeit, die immer auf Reziprozität beruht, hält, ist allseits bekannt. Was sind denn dieNachteile? Nehmen wir mal an: Tschechen - arbeitsethisch und geisteskulturell mindestens auf hiesigem Niveau - kommen besuchsweise in die Schweiz. Emsig, wie sie sind, benutzen sie die Zeit, um hier Arbeit zu suchen. Sie werden fündig, sie werden angestellt - offiziell, von einem "reinrassig helvetischen Arbeitgeber". Welche Kostengrundlage habe sie bei voller Erwerbstätigkeit in der Schweiz? Die schweizerische - oder die tschechische?

Was ich sagen will ist: Ihr Lohn kann logischerweise gar nicht so sehr von dem Schweizern Bezahlten abweichen - oder glaubt man, hier ansässige "Ausländer" sind von den hiesigen Lebenshaltungskosten aufgrund von ihrer Herkunft nicht tangiert?

Patric C. Friedlin
Basel



"Schweizer Firmen suchen schon auf dem deutschen Arbeitsmarkt"

Jean-Luc E. Aeby hat vollkommen Recht: Den Befürworten geht es schlichtweg nur ums Geld. Jene, die anschliessend keine Lehrstelle finden, landen dann als Hilfsarbeiter auf dem Arbeitsmarkt. Wer auf der Website www.bundesagentur.de ein wenig herumstöbert, wird feststellen, dass bereits Schweizer Firmen Hilfsarbeiter für Abbrucharbeiten oder die Hotelerie auf dem deutschen Arbeitsmarkt suchen. Es muss einfach billiger als billig sein, damit sich Herren wie Deiss und Co. noch mehr die Taschen mit Geld vollstopfen können! Ideal für unsere geldgierigen Raffzähne wäre, wenn wieder die Sklavenarbeit eingeführt würde. Und wenn Basel nur noch mit Ausländern funktionieren sollte, dann hat die Basler Regierung schlichtweg etwas falsch gemacht. Dies gilt übrigens auch für den Rest der Eidgenossenschaft.

Philippe Hurni
Basel



"Nachteile werden wieder totgeschwiegen"

Die mit Steuergeldern finanzierte Propagandamaschinerie geht in die zweite Runde und nach wie vor werden die Nachteile der Vorlage in verantwortungsloser Manier totgeschwiegen. So würden wir ein funktionierendes Kontingentesystem, welches uns erlaubt, selbst zu entscheiden, welche Fachkräfte wir benötigen, aufgeben. Die Aussage, nur wer einen Arbeitsvertrag besitze könne einwandern, stimmt schlichtweg nicht. Nebst Familiennachzug erhalten auch Studenten und selbstständig Erwerbende eine Aufenthaltsbewilligung. Im Falle der selbstständig Erwerbenden versagen zudem die hochgepriesenen flankierenden Massnahmen.

Die Drohung mit der Guillotinen-Klausel - Kündigung der "Bilateralen 1" - ist zudem reine Angstmacherei. Lustig, wirft man dies selbst doch der SVP bei jeder Gelegenheit vor. Tatsache ist, dass die "Bilateralen 1" nur in globo gekündigt werden können und dazu die Zustimmung aller Mitglieder notwendig ist. Ob Österreich wirklich ein Interesse daran hat, den ganzen Transitverkehr über den Brenner rollen zu lassen (Transitabkommen), oder Deutschland, dessen Amt für Arbeit mit hochdotierten Jobs in der Schweiz wirbt, gerne auf die Freizügigkeit verzichtet? Die Gefahr einer Kündigung ist rein theoretisch, hat doch die Schweiz bei den "Bilateralen 1" durchaus keine Rosinenpickerei betrieben.

Tommy E. Frey
Grossrat SVP
Basel



"Auch Herrn Deiss geht es nur ums Geld"

Jedes Jahr finden von den abgehenden WBS-Schülerinnen und Schülern in Basel rund hundert mehr als im Vorjahr keine Lehrstellen und nehmen ein Brückenagebot (der Schule für Brückenagebote) in Anspruch. Die Personenfreizügigkeit wird die letzten Lehrstellen streichen. Das Gewerbe bedient sich lieber billiger Arbeitskräfte, als dass es sich um die Ausbildung und die Zukunft der hier ansässigen Jungen kümmert. Die "Massnahmen" des Gewerbeverbandes sind Platitüden. Die Schere zwischen den Machthabern und den Machtlosen, den Reichen und den Armen geht einmal mehr zu Gunsten der einen und zu Ungunsten der andern auseinander. Eine gesellschaftliche Krise ist vorhersehbar. Auch Herrn Deiss geht es ums Geld, nicht um die Menschen hierzulande, oder?

Jean-Luc E. Aeby
Basel


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