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Dieser Beitrag ist auch dokumentiert in der "Beobachter"-Ausgabe vom 30. Mai 2003

© Symbolfoto OnlineReports

"Prophylaktisch abgemahnt": Lagerchef der Schweizer L'Oréal-Tochtergesellschaft


Handfeste Attacken im Schönheits-Lager

In der Schweizer Tochtergesellschaft des Kosmetikkonzerns L'Oréal kam es zu sexueller Belästigung


VON PETER KNECHTLI

Schwer wiegende Vorwürfe gegen die Schweizer Tochtergesellschaft des französischen Kosmetik-Multis L'Oréal in Neuenhof AG: Mehrere Frauen bezichtigen einen subalternen Lagerchef der sexuellen Belästigung. Eine betroffene Frau, die gegen die Übergriffe vor Gericht ging, wurde entlassen.

Jadwiga Szyjkowski, 52, ehemalige Mitarbeiterin der Cosmétique Active (Suisse) SA in Neuenhof bei Baden, steht mit ihrem wirklichen Namen dazu: Lagerchef Paul Stamm (Name geändert) habe sie in verschiedenen Stufen sexuell belästigt. Angefangen habe es mit Bemerkungen über Busen und Po von Mitarbeiterinnen. Anfänglich waren es nette Bemerkungen und Berührungen an den Händen, später war es ein Streicheln an Kopf und hinter den Ohren. An einem Freitagabend Anfang Januar, kam es zum Höhepunkt der Belästigung: Er habe er sie erst von hinten umarmt, sie dann fest umschlungen und ihr alkoholisiert Zungenküsse aufgezwungen. Am nächsten Montagmorgen erstattete die Bedrängte bei der Sekretärin ihrer Vorgesetzten Meldung.

Klagende Frau entlassen

Doch statt dass der knapp fünfzigjährige Lagerchef über ein knappes Dutzend fast ausnahmslos ausländische und weibliche Mitarbeitende zur Rechenschaft gezogen wurde, erhielt die Betroffene Ende Januar den blauen Brief. Offizieller Grund: Sie passe nicht ins Team und arbeite zu langsam. Einen Antrag auf provisorische
"Auf dem Papier bekannt sich L'Oréal zu edlen ethischen Grundsätzen."
Wiedereinstellung wies das Arbeitsgericht Baden Anfang Mai ab, da die Kündigung aus „begründetem Anlass“ erfolgt sei.

Pikant: Die behaupteten Übergriffe spielten sich im Schweizer Versandzentrum des weltbekannten französischen Kosmetikmultis L’Oréal ab. Von Neuenhof aus werden vor allem Apotheken, Drogerien und Händler mit Produkten der Marken „Vichy“ und „La Roche-Posay“ beliefert. Der Konzern verkauft Frauen nicht nur Schönheit und Attraktivität, sondern bekennt sich auch zu edlen ethischen Grundsätzen. „Jede Haltung und jedes Verhalten, das dazu angetan ist, ein diskriminierendes Arbeitsumfeld zu schaffen, insbesondere sexuelle Belästigung, werden nicht toleriert.“

Ob Cosmétique Active-Generaldirektor Hansjörg Netzer bei der Umsetzung der hehren Arbeitskultur die beanspruchte Konsequenz („das sind für uns keine Worthülsen“) anwendet, scheint zweifelhaft. In seiner Stellungnahme an OnlineReports schrieb er, die Vorwürfe hätten nicht bewiesen werden können. Teilweise seien Vorwürfe sorgar widerlegt worden. Es stehe der Geschäftsleitung darum nicht an, „Mutmassungen“ anzustellen. Vielmehr deckt Netzer seinen Lagerchef: „Sofern sich Vorwürfe nicht beweisen lassen, können wir die Entlassung eines beschuldigten Mitarbeiters genauso wenig verantworten, wie wir eine sexuelle Belästigung akzeptieren würden.“

Fünf Frauen beobachteten oder erlebten Übergriffe

Zu ganz andern Ergebnissen kam OnlineReports bei der Befragung von fünf Frauen, die im Lager gearbeitet und selbst gekündigt haben oder entlassen wurden. Allen Aussagen ist gemeinsam: Die Rede war von einem Klima der Angst vor dem Arbeitsplatz-Verlust, Annäherungen des Lagerchefs, von Kirsch und hochprozentigem Rum.

Eine frühere Mitarbeiterin schilderte, wie der Lagerchef „den Charmeur spielte“, mal „einen Popo berührte“ oder Mitarbeitende „an Kopf und Hals geküsst“ habe. Eine andere Ex-Mitarbeiterin: „Mir sagte er, ich sehe
"Mir sagte er, ich sehe
sexy aus. Und am Morgen gab er Küsschen."
sexy aus. Er machte immer seine Spässchen und Witze. Wenn er am Morgen kam, gab er Küsschen. Wer es nicht akzeptierte, den strafte er mit Verachtung.“

Eine weitere Augenzeugin, die als Aushilfe im Lager arbeitete, sah, wie der Chef einer Mitarbeiterin auf der Schoss sass: „Die küssten sich vor uns.“ Eine Angestellte erklärte, sie habe schon eine „Hand unter der Bluse“ gesehen, er habe Frauen „massieren“ wollen und auf Weigerung mit Aggression reagiert. „Oh, nimm mich!“, soll es schon aus aus den Monitoren seines Computers gestöhnt haben.

Der Lagerchef wurde "abgemahnt"

Leicht abzuschminken sind diese Vorwürfe nicht. Erst im April, nachdem seine Ex-Mitarbeiterin Klage gegen die Vorfälle eingereicht hatte, wies Hansjörg Netzer seine Mitarbeitenden erneut auf die von ihm schon ein Jahr zuvor verteilte Ethik-Broschüre hin. Ganz grundlos scheinen die Klagen aber auch der Geschäftsleitung nicht erschienen sein. Jedenfalls sei der Beschuldigte, so Netzer zu OnlineReports, „prophylaktisch abgemahnt“ worden.

Weitere Konsequenzen aber blieben aus, obschon die im Raum stehenden Vorwürfe zahlreicher Zeuginnen wuchtig sind. Jadwiga Szyjkowski ist zwar mit ihrem Antrag bezüglich Wiedereinstellung gerichtlich gescheitert. Doch ihre Klage wegen der sexuellen Übergriffe ist vor dem Arbeitsgericht Baden noch hängig.

Expertin fordert entschlossene Massnahmen

Laut Expertinnen sind die Unternehmen schon seit 1996 gesetzlich zu Massnahmen gegen ein Betriebsklima verpflichtet, das sexuelle Belästigungen begünstigt. Ingrid Rusterholtz, Leiterin des Gleichstellungsbüros Basel-Stadt: "Die Weiterbeschäftigung des Beschuldigten ist nicht mehr tragbar. Zudem muss sich der CEO die Frage stellen, wie er seine Führungsverantwortung wahr nimmt."

1. Juni 2003

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