Erfahrungen mit der Post? Mailen Sie uns Ihre Meinung. © Illustration Peter Knechtli OnlineReports "Rein betriebswirtschaftliches Denken": Die Schweizerische Post Wie die Post beim Volk ihre Sympathie verscherzt Abbau von Serviceleistungen, höhere Gebühren und peinliche Kommunikationspannen: Die Post läuft immer mehr Gefahr, ihren Goodwill als nationale Institution zu verspielen VON PETER KNECHTLI Das Management der Schweizer Post ist drauf und dran, ihr Kapital als Schweizer Sympathieträger Nummer eins zu verscherzen. Mitschuldig ist eine fragwürdige kundenunfreundliche Kommunikationspolitik, die den Wandel des Konzerns verschleiert statt erklärt. Gleichzeitig stösst die Volksinitiative "Postdienste für alle" auf breite Unterstützung. Harmlos begann der Brief, den Henri Müller aus Tübach SG wie tausende weiterer Postfachinhaber diesen Herbst von der Post erhielt: Es gehe um die "Jahreskontrolle" der Postfach-"Unteradressen". Doch was wie ein Routinecheck aller Schweizer Postfächer anmutete, entpuppte sich als Ankündigung einer massiven Preiserhöhung. Von 10 auf 20 Franken oder um 100 Prozent erhöht sich ab 1. Januar 2003 "die jährliche Gebühr je aufgeführte Unteradresse". Dazu komme neu eine "einmalige Eröffnungsgebühr" von 20 Franken pro Unteradresse. Keine Antwort von der Post Suggestiv-Kommunikation nach Post-Manier: Die Preiserhöhung wird dem Kunden untergejubelt statt erklärt. Auf die Frage von OnlineReports, womit diese Preis-Erhöhung offiziell gerechtfertigt werde, versprach Post-Sprecher Richard Pfister eine Antwort - doch die Post blieb stumm. Dabei sagt es ein Filialleiter so einfach wie einleuchtend: Unteradressen verursachen hinter den Kulissen einen "riesigen administrativen Aufwand, der bisher nie kostendeckend war". "Unglaublich!", empörte sich Werbeunternehmer Müller in einem Brief an die Post-Zentrale in Bern. Er habe der Einfachheit halber ein gemeinsames Postfach für private und geschäftliche Post eingerichtet. Dass dies die Post weniger Geld koste, "dürfte auch Nicht-Studierten einleuchten". Müller kündigte
Zu seiner Verblüffung reagierte die Post umgehend, indem die zuständige Verantwortliche Kathrin Schluep ein "Versehen" geltend machte: In der Datenbereinigung "wurde leider eine kleine notwendige Korrektur Ihrer Daten nicht vorgenommen". Das Postfach werde weiterhin bedient, "ohne dass dafür eine Dienstleistung 'Unteradressen' notwendig ist". Auch anderweitig wundert sich Kleinunternehmer Heinri Müller. Seit dem Posthalterwechsel in seiner Gemeinde wird ihm bei Zahlung per Check öfters eine Gebühr belastet. Und dann geschieht immer das Gleiche: Er reklamiert auf der Post und die belastete Gebühr wird ihm wieder gutgeschrieben. Die Liste der Fälle im Umgang mit der Post, die kundenseitig für Irritation sorgen, wächst. Post-Sprecher Richard Pfisters Erklärung: "Die Erwartungen der Öffentlichkeit orientieren sich zum Teil an der Vergangenheit, in der viele Leistungen der Post aus den Einnahmen der inzwischen verselbständigten und von der Post völlig getrennten Telefonie quersubventioniert wurden." Fragwürdige Aussenpolitik der Post Gilt die firmeninterne Kommunikation als "hervorragend" (so ein Poststellenleiter), sorgt die operative Führung laufend für Ärger bei ihren Versuchen, Finanzlöcher zu stopfen: Kunden, die ihre Zahlungen per Internet leisten und der Post damit Arbeit abnehmen, erhalten keine Kontoauszüge auf Papier mehr. Briefkästen werden aufgehoben oder werden seltener geleert. Die Post nimmt einen beträchtlichen Imageschaden in Kauf, wenn sie geschockten Kunden, die Pakete aus dem Ausland empfangen haben, Wochen später gesalzene Rechnungen nachschickt. Kunden, die sich beim Zügeln weigerten, der Post das Einverständnis zu geben, die neue Adresse an interessierte Firmen weiterzugeben, wurden 240 Franken in Rechnung gestellt. Erst auf Intervention der Stiftung für Konsumentenschutz hin stoppte Bundesrat Moritz Leuenberger das Abriss-Projekt. Mit solchem Kulturverständnis droht die Post ihren immensen Goodwill im Volk zu verscherzen. Deutlich wurde dies auch bei der Ankündigung des Plans, 18 Briefverteilzentren auf deren drei im Mittelland zu reduzieren. Bei Konzernchef Ulrich Gygi (55) hagelte es Proteste. Dilettantische Kommunikation Die Reorganisation war vom Anfang bis zum Schluss dilettantisch kommuniziert worden: Erst beherrschten nur "Betriebsschliessungen" und die "Vernachlässigung der Randregionen" die Schlagzeilen statt der Versuch, Volk und Politiker von der Notwendigkeit des Systemswandels zu überzeugen. Dabei wäre dies dringend nötig, wie eine "Saldo"-Untersuchung ergab: In den letzten zehn Jahren stiegen die Posttarife um 75 Prozent. Am Schluss war das Chaos perfekt: Als eine Entschärfung des resoluten Restrukturierungsplans zur Diskussion stand, erklärte Verwaltungsratspräsident Anton Menth wiederum "die reine Dreierlösung" zum "Massstab" und zur "erstrebenswerten Referenzgrösse". "Seit Beginn der Liberalisierung hat ein Kulturschock stattgefunden", bilanziert Simonetta Sommaruga, die Berner SP-Nationalrätin und Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz. Das Unternehmen
Selbst der auf Ausgleich bedachte Postminister Moritz Leuenberger konnte sich einen Seitenhieb an seinen Parteikollegen Gygi und den Verwaltungsrat nicht verkneifen: "Kommunikation ist keine Befehlsausgabe." Folge: Die Kundenfront nimmt verstärkt nur Tariferhöhung, Dienstleistungsabbau, und Intransparenz als Post-Merkmale wahr. Dabei arbeitet die Post mit Kraft und Erfolg an innovativen Dienstleistungen wie dem Zahlungsverkehr per Internet und SMS oder den automobilen Posthaltern, die mit Briefen, Paketen, Briefmarken und Zahlungsausrüstung entlegenste Höfe bedienen. PR-Profi: "Viele Dienstleistungen völlig überflüssig" "Abgesehen von der Zustellung von Rechnungen und Zeitungen erlebe ich viele Dienstleistungen der Post als etwas völlig Überflüssiges", flachst der Basler Kommunikationsberaters Manfred Messmer. "Was mir die Post sonst noch bringt, ist Werbematerial, das ich, meist ungeöffnet, sofort wegschmeisse. "Das Management denkt nicht mehr wie der Pöstler an der Front, der sein Herzblut in den Job steckt und sich vom Morgen bis zum Abend mit der Post als einem Stück Schweiz identifiziert." Als kundenfreundliche Imageträger der Post werden die Frontleute Briefträger, Schalterbeamte - wahrgenommen. Die Manager und Marketingleute wirken als anonyme und aggressive Kassenfüller. Werbe-Stopp-Wunsch wird unterlaufen Ein Beispiel solcher Strategie ist die so genannte "teiladressierte Werbung". Obschon ganze Heerscharen von Kunden ihren Briefkasten mit einem Werbe-Stopp-Kleber versehen haben, versuchen Post und Werbeauftraggeber, diesen Wunsch zu unterlaufen. Kommerz-Sendungen werden mit einer Phantom-Adresse versehen ("An alle Frauen im Haushalt Aemmetweg 8, 8620 Wetzikon") und die Post beruft sich auf ihre Zustellpflicht. Mal belästigt der Schmuckverkäufer Pierre Lang ("Hätten Sie gerne mehr eigenes
Die betroffene Wetzikoner Unternehmerin Claudia Colombini erlebt solchen Werbe-Schrott als eine "postalische Vergewaltigung". Während frisches Altpapier ihren Briefkasten verstopft, erlebt sie die Post gleichzeitig als ein Unternehmen, "in dem ein Normalbürger keine Übersicht über Markt, Tarife und Vorschriften mehr hat". Bereits hat die Stiftung für Konsumentenschutz bei der Post protestiert, "weil teiladressierte Werbung wie unadressierte Werbung ist und darum ganz klar gegen Kleber-Abmachungen verstösst" (so Simonetta Sommaruga). Die Konsumentenschützerin empfiehlt, solche Werbung in ein unfrankiertes Kuvert zu stecken und an Post oder Absender zu refüsieren. Post: "Bedürfnis von Geschäftskunden" Diese "Dienstleistung", entgegnet Post-Sprecher Richard Pfister, entspreche einem "Bedürfnis von Geschäftskunden". Ob sie zu einem festen Bestandteil der Angebotspalette werde, hänge "unter anderem von der Entwicklung der Nachfrage" ab. Tatsache ist: Werbetreibende und Post als Anbieter buhlen immer aufdringlicher um die Aufmerksamkeit der Zielgruppen. Samuel König von der Gewerkschaft Kommunikation weiss gar von einer Werbeaktion, bei der die Pöstler "den Artikel an die Türfalle hängen mussten". Dass solche Dienstleistungsprodukte im Verbund mit dem allgemeinen Image-Baisse der Post zu Abwehrreaktionen führt, müsste der Unternehmensleitung zu denken geben. Wie der Groll der Kunden wächst, wurde der Konsumentenschützerin Sommaruga bewusst, als sie Unterschriften für die erfolgsträchtige Volksinitiative "Postdienste für alle" sammelte: "Die Leute standen zum Unterschreiben an."
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21. Januar 2003
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