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"Nicht Ja zur Abtreibung": Justizministerin Ruth Metzler


CVP-Frauen sagen Überraschungs-Ja
zur Fristenlösung

Mehrheit der Frauen-Delegierten befürwortet Schwangerschaftsabbrüche auch ohne Beratungsmodell


VON PETER KNECHTLI

Nicht nur überraschend, sondern mit 46 zu 21 Stimmen überraschend deutlich haben die Frauen der CVP Schweiz am Samstag in Muttenz der Fristenlösung zugestimmt. Sie folgten damit der Haltung von CVP-Justizministerin Ruth Metzler, die in dieser heiklen Frage die Bestätigung der Frauen-Basis erhielt. Diskussionslos verworfen wurde dagegen die Initiative "für Mutter und Kind".

Justizministerin Ruth Metzler dürfte sich mit Freuden an ihre samstägliche Reise ins blühende Baselbiet erinnern. Fast sah es zwar so aus, als werde sie von ihrer Frauen-Basis in den Regen gestellt, aber nach breiter und fairer Diskussion schien für die CVP-Bundesrätin die Sonne. Applaus und "Bravo!"-Rufe ertönten, als das Abstimmungsergebnis bekannt wurde: Mit klaren 46 zu 21 Stimmen gaben die Frauen-Delegierten die Ja-Parole zur Fristenlösungs-Abstimmung vom 2. Juni heraus. Die aus religiös-konservativen Kreisen stammende Volksinitiative "für Mutter und Kind", die "völlig an der Realität vorbei geht" (so Ida Glanzmann-Hunkeler, Präsidentin der CVP-Frauen), wurde ohne Diskussion mit 72 zu 0 Stimmen verworfen.

Prominente Funktionsträgerinnen überzeugten nicht

Mit diesem von den wenigsten erwarteten Ergebnis setzte sich Bundesrätin Metzler zusammen mit der Basis durch, die gleich mehreren Mandatsträgerinnen eine Abfuhr erteilte, die sich auf das Schutz- und Beratungsmodell der CVP beriefen, das im Parlament gescheitert war: So wurde Frauen-Präsidentin Glanzmann-Hunkeler ebenso überstimmt wie die Nationalrätinnen Lucrezia Meier-Schatz (St. Gallen), Doris Leuthard (Aargau), Chiara Simoneschi-Cortesi (Tessin) und Elvira Bader (Solothurn). Chancenlos blieb auch die frühere CVP-Frauen-
Brigitte Hauser wollte Stimmfreigabe - und scheiterte mit ihrem Antrag.“
Präsidentin Brigitte Hauser, Hauptinitiatorin des Beratungsmodells: Ihr Antrag auf Stimmfreigabe wurde mit 40 zu 29 Stimmen abgelehnt.

Die Debatte liess diesen Aufschwung von unten nicht unbedingt erkennen. Aus den Voten der verschiedenen Landesteile zeigte sich kein einheitliches Bild. Befürworterinnen der jetzt vorgeschlagenen Fristenlösung, nach der Frauen eine ungewollte Schwangerschaft in den ersten zwölf Wochen straffrei abbrechen dürfen, und Verfechterinnen des von der CVP eingebrachten moderateren Schutz- und Beratungsmodells – Schwangerschaftsabbrüche nur mit obligatorischer Beratung der Schwangeren – hielten sich etwa die Waage.

Heftiger Applaus für Ruth Metzler

Auffällig war allerdings der lange und heftige Applaus, den Justiministerin Ruth Metzler nach ihrem einleitenden Referat verbuchen konnte. Kernpunkt der Fristenlösungs-Vorlage sei die Entkriminalisierung der heute noch jährlich 13‘000 Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen. Dennoch "wollen wir, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz möglichst tief ist". Sie sage heute Ja zur Fristenlösung, sagte Metzler, auch wenn das Parlament von einer obligatorischen Beratung durch eine externe Stelle nichts wissen wollte. "Aber ich sage nicht Ja zur Abtreibung. Ich heisse nicht alle Situationen gut."

Wie anschliessend auch zahlreiche Delegierte betonte Metzler aber, dass die Fristenlösung in eine umfassende Familienpolitik eingebunden sein müsse, die es Frauen ermögliche Kinder zu haben. Dazu gehörten genügend Krippenplätze und erziehungsgerechte Arbeitsplatzmodelle, aber auch einen "Mutterschutz, der diesen Namen verdient, sowie verstärkte Aufklärung und Prävention. Erneut wiederholte Metzler den wohl umstrittensten
Ruth Metzler will, dass Verhütungsmittel kassenpflichtig werden.“
Vorschlag ihrer Familienpolitik: Verhütungsmittel sollen kassenpflichtig werden.

"Die heutige Regelung ist für niemanden zufrieden stellen", stellte Frauen-Präsidentin Ida Glanzmann-Hunkeler fest und legte den Schwerpunkt auf eine kohärente CVP-Politik: "Mit einem Nein zur Fristenlösung können wir ein Zeichen setzen und das Schutz- und Beratungsmodell wieder einbringen." Von Dolemtscherdiensten könnten insbesondere auch ausländische Frauen profitieren. Auch die St. Galler Delegierte Hedi Mérillat forderte, dass das Beratungsmodell "schnell wieder auf den Tisch kommt". Zudem sei es eine Illusion zu glauben, die Fristenlösung führe zu einer Reduktion der Schwangerschaftsabbrüche. Auch Lucrezia Meier-Schatz unterstützte das doppelte Nein: "Ohne Beratungsmodell keine Familienpolitik."

Junge Bernerin von Nationalrätinnen enttäuscht

Die profilierteste Kritik an den Nein-Votantinnen trug die junge Berner Delegierte Esther Friedli vor: "Ich bin enttäuscht über die Voten der Nationalrätinnen und hätte mir mehr Mut gewünscht." Die CVP sei in Gefahr, das Terrain, das sie bei den Jungen gut gemacht habe, wieder zu verlieren. Sie habe den Verdacht, dass "strategische Überlegungen" die C-Parlamentarierinnen zu ihrem beharrenden Kurs motiviert hätten: "Stimmen wir Ja und zeigen wir Mut."

Ob die Delegiertenversammlung der Gesamt-CVP am 27. April denselben Mut wie die Frauen zeigen wird, wäre freilich eine ebenso grosse Überraschung wie die feminine Parole vom Samstag. Parteipräsident Philipp Stähelin erlaubte sich zum Schluss einen diskreten Beeinflussungsversuch: Er bitte die Frauen mit Rücksicht auf den "Zusammenhalt des Landes, behutsam zu entscheiden", sagte er patronal. Doch die Frauen entschieden anders.

20. April 2002

 

Echo
Kritische Anmerkungen zur Fristenregelung: Gegen die Privatisierung des Kinderkriegens

Von Xaver Pfister, römisch–katholischer Theologe, Basel

"Wenn ein Paar oder eine alleinstehende Frau sich vor die dramatische Frage einer Abtreibung gestellt sieht, genügt es nicht, objektive Werte zu betonen und den Vorrang des Lebensrechts des ungeborenen Kindes in den Vordergrund zu stellen. Für die betroffenen Personen sind vor allem subjektive Werte ausschlaggebend. Und man sollte nicht vergessen, dass solche Überlegungen meist in einem Kontext des Zeitdrucks und der Verwirrung erfolgen." Diese bemerkenswerten Sätze stehen in der Einleitung eines ausführlichen Dokumentes der theologischen Kommission der Schweizer Bischofskonferenz zum Thema Schwangerschaftsabbruch.

Priorität der konkreten Konfliktsituation

Dieser Satz macht deutlich, dass die Frage der Regelung des Schwangerschaftsabbruches nicht einfach von absolut gesetzten Werten aus angegangen werden kann. Er macht deutlich, dass wir hier vor einem im Konkreten schwierigen Dilemma stehen.

Auf der einen Seite steht das Selbstbestimmungsrecht der Frau(/des Paares), das verbietet, dass jemand gegen seinen Willen zu einer Geburt gezwungen werden kann. Eine Abtreibung kann nur zusammen mit der schwangeren Frau aber nicht gegen sie verhindert werden. Dieser Grundsatz kann nicht genug unterstrichen werden. Auf der anderen Seite steht das ungeborene Leben. Ich habe bis jetzt kein überzeugendes Argument dafür gefunden, dass man im Verlauf der Schwangerschaft einen qualitativen Entwicklungssprung ausmachen kann, der es erlaubt, den Beginn des menschlichen Lebens an einem anderen Zeitpunkt als dem Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei- und Samenzellen festzumachen. 1953 bereits haben die amerikanischen Genetiker James D. Watson und Francis H.Crick nachgewiesen, dass mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle das volle genetische Programm gegeben ist. Damit ist jede Abtreibung Tötung menschlichen Lebens.

Im konkreten Entscheidungsfall stehen diese beiden Werte in Spannung zueinander. Und diese Spannung macht es mir so schwer, mich in der Frage nach der Fristenregelung zu entscheiden. Die Befürworter der Fristenregelung unterschätzen nach meiner Meinung die Bedeutung, die der Verzicht auf den Schutz des menschlichen Lebens in den ersten 12 Schwangerschaftswochen hat. Sie blenden aus, dass jeder Abbruch Tötung menschlichen Lebens ist. Die Gegner der Fristenregelung nehmen mir zu wenig ernst, dass eine Abtreibung nur zusammen mit der schwangeren Frau verhindert werden kann. Sie nehmen die schwangere Frau in ihrer konkreten Situation zu wenig wahr. Damit kann weder das geltende Recht noch die vorgeschlagene Fristenregelung befriedigen. Keine der Regelungen ist eine gute Regelung.

Schützt die Fristenregelung das Selbstbestimmungsrecht der Frau?

Das Argument, dass eine Abtreibung nur zusammen mit der schwangeren Frau, nicht aber gegen sie verhindert werden kann, hat für mich ein sehr grosses Gewicht. Die Strafandrohung scheint mir in dieser Konfliktsituation ein untaugliches Mittel zu sein. Sie kann eine Frau unter einen unverantwortbaren Druck setzen. Genauso kann aber der Verzicht auf eine Strafandrohung zu einem unverantwortbaren Druck auf die Frau führen. Nicht selten wollen Frauen ihr Kind austragen, der Vater des Kindes aber, die Verwandtschaft setzen die Frau aus unterschiedlichsten Gründen unter Druck. Und deshalb muss mit Nachdruck gefragt werden: Gewährt die Fristenregelung genügend Schutz für das Selbstbestimmungsrecht der Frau? Wohl hebt die Fristenregelung die Kriminalisierung der Frau bei einer Abtreibung in den ersten 12 Wochen auf und nimmt so Druck von der Frau. Bietet sie aber der Schwangeren die angemessene Unterstützung, um eine verantwortliche Entscheidung zu fällen? Öffnet sie nicht vielmehr das Tor für neue Druckversuche auf die Frau, die unter dem geltenden Recht nicht möglich waren?

Kinderkriegen ist höchst persönlich, aber keinesfalls privat

Bedenklich scheint mir die Fristenlösung, wenn sie dazu führt, die Frage des Kinderkriegens zu privatisieren. Verschiedene Indikatoren weisen darauf hin, dass Kinder zu einem Armutsrisiko werden. Im Wort der Kirchen der Region "Wort zu Familie und Armut" wird festgehalten, dass vor allem allein erziehende Frauen und Männer sowie junge und kinderreiche Familien von Armut betroffen sind. "Der Anteil der Familien am Total der Armen beträgt rund 60 Prozent. Dabei handelt es sich etwa zur Hälfte um Paare mit einem oder zwei Kindern. Grössere Familien und vor allem Alleinerziehende haben ein deutlich erhöhtes Armutsrisiko. Nachdenklich stimmt einen, dass 40 Prozent der Armen verheiratete Paare sind, bei denen nur ein Teil erwerbstätig ist. Obwohl sich hinter dieser Kategorie verschiedene Familientypen verbergen, ..., ist das Ergebnis ein Hinweis darauf, dass ein Einkommen für den Unterhalt einer Familie auch bei uns oft nicht mehr ausreicht ...

Es sind aber nicht bloss diese materiellen Aspekte, die mich zur Behauptung führen, dass unsere Gesellschaft wenig kinderfreundlich ist. Sie kann das ja auch gar nicht sein, wenn in ihr der Grundsatz gilt, dass Kinderkriegen eine Privatsache sei. Eine Fristenlösung ohne deutliche familienpolitische Massnahmen, scheint mir deshalb höchst fragwürdig zu sein. Ich bin zwar der Ueberzeugung, dass es Situationen gibt, in denen eine Abtreibung nicht verhindert werden kann. Und diesen Situationen wird das geltende Recht nicht gerecht. Ein Einstehen für die Fristenregelung ist für mich aber nur in enger Koppelung mit entschiedenen familienpolitischen Massnahmen nachvollziehbar. Zu diesen Massnahmen gehört es,

- dass ein Einkommen für den Unterhalt einer ganzen Familie reichen muss.
- dass die Erwerbsarbeit und Familienarbeit zwischen Frau und Mann so aufgeteilt werden kann, dass beide, wenn sie das wollen, in beiden Bereichen ihre Verantwortung übernehmen können.
- dass eine genügende Anzahl von Kinderbetreuungsplätzen zur Verfügung gestellt wird.
- dass das Kindergeld die realen Kosten eines Kindes deckt.

Wer für die Fristenregelung mit dem Argument des fragwürdigen Drucks auf die schwangere Frau durch die geltende gesetzliche Regelung argumentiert - ein Argument, das ich durchaus nachvollziehen kann - muss sich aber ebenso entschieden dafür einsetzen, dass der Druck abgebaut wird, der dadurch entsteht, dass Kinderkriegen zur Privatsache gemacht wird und unsere Gesellschaft in vielem nicht sehr kinder- und familienfreundlich ist.

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