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© Foto Pro Natura

Heimat Schweiz "immer realistischer": Einwanderer Wolf


Hurra hurra, der Wolf ist da!

Meister Isegrim interessiert sich - eingewandert aus den Abruzzen - für die Südschweiz

VON RUEDI SUTER

Die einen freut's, die meisten schaudert's: Im Bergell und im Tessin traben wieder Wölfe durch die Wälder. Oder ist es nur ein Einzelgänger, der Schweizer Schaf- und Ziegenhaltern – im Gegensatz zu ihren Kollegen in den Abruzzen – den Schweiss auf die Stirne treibt?

Es wird wieder gezittert in der Südschweiz. Denn jetzt ist es sicher: Ein Wolf geht um, vielleicht sogar mehrere. Jetzt auch im Bündner Bergell, wie anfangs Jahr auch schon im Tessin. Die letzte Gewissheit liefert immer die Universität Lausanne. Hartnäckig ist sie den Wölfen, welche inkognito die Schweizer Grenze überschreiten, wissenschaftlich auf der Spur. Mit DNA-Analysen von Kot oder Haaren, die ihr von wissbegierigen Jagdhütern zugeschickt werden. Ja, konnte jetzt das Jagd- und Fischereiinspektorat Graubünden guten Gewissens verkünden, jenes "Raubtier", das in den letzten Wochen im Bergell und dem angrenzenden Italien Hirsche, Ziegen und Schafen jagte, ist ein Wolf.

"Italienische Wolfsinvasion"

Ja, sagten die Lausanner Gelehrten auch schon im April, die Kotprobe vom Tessiner Monte Carasso habe ebenfalls ein Wolf fallen gelassen, hergewandert aus den Abruzzen. Von dorther scheinen sie meistens zu kommen, die vierbeinigen Asylbewerber. Wie jener Wolf, der am 29. Juli 1995 im Wallis ein paar Schafe riss, flugs zur "Bestie" gemacht wurde und den Beginn der "italienischen Wolfsinvasion" markierte. Oder wie das Wolfstier, das 1998 in Reckingen (VS) ungesühnt eine Wildererkugel traf. Oder wie jener Isegrim, den 1999 auf dem Simplon ein Auto überfuhr. Und wie die meisten anderen Wölfe, die seit den siebziger Jahren via Apennin, Ligurien, Westalpen ins Wallis und weiter wanderten. Das beweisen die genetischen Analysen: Alle Tiere – auch jenes jüngst im Bergell - stammen aus den Abruzzen. Aus jenen italienischen Bergen, wo die Schäfer und Bevölkerung mit den Wölfen leben lernten. Frei von Hysterie.

Die Mär vom "ausgesetzten" Wolf

Nicht so in der Schweiz. Hierzulande treibt nur schon ein einziger Wolf vielen Leuten den Angstschweiss aus den Poren. "Gefährlich" sei er, "böse" auch, heisst es. Und ein hemmungsloser Schafs- und Ziegenkiller. Dass der neue Eindringling bei Pian di Boor am Carasso-Berg nahe Bellinzona drei Geissen tötete, passt da gut ins Bild. Die Reaktionen? Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hat sie eingefangen. Aufschlussreich jene des Jägervereins des Maggiatals. Dessen Vorstand konnte es nicht fassen, dass Konkurrenzfeind Wolf eingewandert war. Das "Raubtier von Monte Carasso" sei von Wolfsnarren ausgesetzt worden. Den Beweis blieben sie schuldig. Die Wildbiologen aber wissen dank der Gen-Analyse, dass der Wolf ein wilder "Abruzzer" ist. Ein junges Männchen vielleicht, das riesige Strecken zurücklegen kann und wahrscheinlich weiterziehen wird. Oder ein Weibchen, das eher im Tessin bleiben könnte – oder sich nun im Bergell herumtreibt. Ob es sich um das gleiche Tiere handelt, konnte die Uni Lausanne nicht feststellen.

Experten halten es indes nicht für ausgeschlossen, dass der Wolf die Autobahn A2 sowie den dichtbesidelten Tessiner Talboden überquert hat und ins Bergell weiter gewandert ist. Die "Südostschweiz" zitiert den Bündner Jagd- und Fischereiinspektor Georg Brosi, der es für "immer realistischer" hält, dass der Wolf auch in Graubünden Fuss fasst.

Südschweiz als ideales Wolfsgebiet

Dass auch das Tessin mit seinen grossen Wäldern Wölfen einen idealen Lebensraum bietet, versicherte bereits der Leiter des Tessiner Jagd- und Fischereiamtes, Giorgio Leoni, gegenüber der NZZ. Das zu zahlreiche Wild im kantonalen Forst könne Meister Isegrim gut ein bisschen dezimieren, meint die Kantonsbehörde gelassen. Beunruhigt sind hingegen die Bewirtschafter der oft kleinen Alpen mit ihren rund 30'000 Schafen und Ziegen. Diese knabbern zumeist ohne Hirtenaufsicht und Hundebewachung das Gras von den Hängen.

Was, wenn hier der wilde Wolf vielleicht doch einmal um sich beisst? Die Schaf- und Ziegenhalter möchten - vor allem aus wirtschaftlichen Gründen - verständlicherweise nicht, dass ihre Tiere vom Wolf gerissen werden. Auch im Bergell hat der hungrige Wolf unter den Wild- und Nutztieren bereits einige Opfer gefordert. Dafür blieb es jetzt im Tessin vergleichsweise ruhig. Für die Bergeller keine Erleichterung, treiben sie doch zurzeit nach dem langen Winter ihre Schafe und Ziegen auf die Weiden. Sie müssen nun ihre Herden besonders gut schützen. Für den Bündner Jagdinspektor Brosi ist der Abschuss von Wölfen, wie von einzelnen Bauern bereits verlangt, kein Thema.

Um Menschen macht er einen Bogen

Der WWF Graubünden meint, Wölfe im Land bereicherten die einheimische Tierwelt. Selbst Tierhalter mögen Isegrim nicht verteufeln. Auch er habe eine Daseinsberechtigung. Und sollte er trotzdem zuschlagen, würde der Bund über sein Wolfsprojekt die vierbeinigen Opfer entschädigen. Keine Entschädigung gibt es für angefallene Menschen - denn um die macht der scheue Wolf einen grossen Bogen. Auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen.

10. Mai 2001

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