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Foto Novartis


Führt Novartis in Doppelfunktion: Präsident und Konzernchef Daniel Vasella


Sandoz-Führung setzt sich durch:
Daniel Vasella in Morets Fussstapfen

Novartis-Chef Daniel Vasella (45) trägt als Präsident und CEO jetzt die alleinige Verantwortung für den Weltkonzern / Die Finanzwelt reaqiert mit Skepsis

VON PETER KNECHTLI

Mit der zusätzlichen Uebernahme des Präsidiums hat Novartis-Konzernchef Daniel Vasella hat die Allmacht erreicht. Doch jetzt schlägt ihm erstmals Gegenwind ins Gesicht: Auf mehreren Ebenen steht der fusionierte Weltkonzern längst noch nicht dort, wo er stehen müsste, um an der Spitze mithalten zu können.

Er ist 45jährig, hat Frau und drei Kinder im Alter zwischen sieben und 15 Jahren. Er wohnt in einem 12-Millionen-Palast am Zugersee, fährt Porsche und lässt sich täglich in sein Basler Office chauffieren. Seit Mittwoch auch Verwaltungsratspräsident, ist der Chef der Novartis-Konzernleitung mit allen Insignien des wirtschaftlichen Erfolgs geweiht.

Kein anderer Schweizer Wirtschaftsführer hat der Sprung an die Spitze eines Weltkonzerns mit einem Umsatz von 32 Milliarden Franken so katapultartig geschafft wie Daniel Vasella, der 1988 noch als Oberarzt am Berner Inselspital malochte. Den steilen Pfad nach oben geebnet hat ihm der langjährige Sandoz-Patriarch und Fusions-Architekt Marc Moret, der Onkel von Vasellas Ehefrau.

Das Umfeld verdüstert sich

Im zweiten Jahr nach der Fusion von Ciba und Sandoz hatte der juvenile Firmenführer bereits 1,8 Milliarden Franken Sparsynergien zu Cash gemacht. Doch jetzt, da der Fusionskonzern zu einem Wachstumsschub aus eigener Kraft ansetzen sollte, verdüstert sich das Umfeld auf mehreren Ebenen.

"Jetzt ginge es darum, aus einer der grössten Pharmafirmen der Welt eine der billantesten zu machen. Doch hier sehe ich noch nichts", bilanziert ein Branchenkenner. Auch die Finanzwelt begegnet Novartis mit chronischer Lustlosigkeit. Unter den Schweizer Blue chips trägt die "Hochleistungsfirma" (Selbsteinschätzung) die rote Laterne: Seit Jahresbeginn büsste die Novartis-Aktie nicht weniger als 18,4 Prozent ein. Im gleichen Zeitraum legte der Roche-Genussschein um vier Prozent zu.

Selbst wenn das "Jahr der Integration" mit einem um 16 Prozent erhöhten Reingewinn von 6,1 Milliarden Franken ein "Rekordresultat" (Novartis) brachte, blieb die Königssektor Pharma mit sechs Prozent weit unter dem erwarteten zweistelligen Wachstum.

Agro-Geschäft bricht ein

Umso zurückhaltender äussert Vasella neuerdings Prognosen: "Es wir kein leichtes Jahr", hielt er sich Mitte März bedeckt und legte zu Beginn dieser Woche den ersten Zahlenbeleg vor: Der Konzernumsatz ging im ersten Quartal um ein Prozent zurück, die Agro-Division brach um zehn Prozent ein.

An einen Verkauf des zyklischen Agro-Geschäfts scheint Vasella aber nicht zu denken: Mit Pharma und Ernährung habe Agro "unter dem Dach von Life Sciences Platz". Finanzexpterten halten es zumindest für "unverständlich, wie still sich ein Weltkonzern bei sinkenden Marktanteilen an die Banden drängen lässt".

In der Forschungs-Pipeline klafft eine Lücke

Auch andernorts setzt Gegenwind dem Grosskonzern zu. Die Pipeline der Pharma-Forschung ist zwar nicht leer. In Präparaten wie Starlix (Diabetes), Zelmac (Reizdarm), E25 (Asthma) oder Amdray (Krebstherapie) sieht Novartis Blockbuster-Potential. Das entscheidende Loch ist aber unübersehbar: Nachrückende Verkaufsschlager der Zwei-Milliarden-Klasse, die Einnahmenausfälle der bisher patentgeschützten Topseller Sandimmun (Transplantation, 1,85 Mia. Fr.) und Voltaren (Antirheumatikum, 1,57 Mia. Fr.) übertreffen, sind nicht in Sicht.

Mit dem revolutionär verbesserten Nachfolge-Präparat von Voltaren kann dafür die innovative amerikanische Kleinfirma Searl brillieren: Sie lanciert das praktisch nebenwirkungsfreie "Soft-Aspirin" - unterstützt durch den originell-agilen US-Grosskonzern Pfizer, der mit der Erektionshilfe Viagra den bisher grössten Verkaufshit der Pharmageschichte lancierte.

Auch im Bereich der Lifestyle-Präparate ist Novartis im Hintertreffen: Während Roche sich mit der Anti-Fett-Pille Xenical einen Welterfolg einheimste, beschlossen die Novartis-Manager letztes Jahr, an einer optimierten Viagra-Kopie zu laborieren.

Mega-Dan droht mit Auslagerung der Forschung

Daniel Vasella ortet eine Ursache der Erfolgshemmung im forschungskritischen Klima der Schweiz. Erst kürzlich bekannte er, sich von der Politik "ungeliebt" zu fühlen: "Es reicht eben nicht, dass man uns knapp duldet."

Dass das Volk die Genschutz-Initiative abschmetterte und den Verfassungsartikel über die Organtransplantation getreu der bundesrätlichen Empfehlung billigte, reicht dem Novartis-Boss nicht: Er will alles - auch die Bewilligung für Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Tomaten, Mais und Kartoffeln, wie sie die Umweltbehörden kürzlich in zwei Fällen ablehnten. Er will auch die Xenotransplantation - Uebertragung tierischer Organe auf den Menschen - was Bundesrat und Nationalrat einstweilen verbieten möchten.

Unverholen drohte Vasella denn auch damit, die Forschungsaktivitäten in der Schweiz abzubauen und in freundlichere Länder wie USA oder Kanada auszulagern. Beobachter glauben, dass der Tenor solcher Drohungen die hiesigen Novartis-Forscher eher verunsichert als zusätzlich motiviert. Doch an ungeschliffener Tonlage gibt es in den nächsten Jahren nichts zu rütteln. Fortan ist Strahlemann "Super-Dan" ("Cash") noch mehr: Macht-Mensch Mega-Dan.

Krauer kritisiert Macht-Filz an Konzernspitze

Mit der Ablösung des charismatischen Präsidenten Alex Krauer werden auch die pragmatisch kaschierten stilistischen Differenzen im bisherigen Führungs-Duo überdeutlich. "In einem grossen Unternehmen ist es wichtig, dass die Macht geteilt wird", kommentierte der Ciba-geprägte Krauer seine neue Rolle im UBS-Präsidium - und kritisierte damit auch den alleinigen Führungsanspruch von Sandoz-Spross Vasella, der den Weg des verehrten Protagonisten wählte: Die Alleinherrschaft in Doppelfunktion - genauso, wie sie sein Ziehvater Marc Moret während mehr als einem Jahrzehnt an der Sandoz-Spitze kommerziell erfolgreich pflegte.

"Auch wenn er nach aussen teamartiges Verhalten zeigt, ist er doch ein Alphatier, eine Art Moret in moderner Verpackung", umschreibt ein Analytiker, wie sich an der Novartis-Spitze das hierarchiebetonte Erbe der Sandoz-Kultur plangemäss durchgesetzt hat. Laut Informationen der SonntagsZeitung dürfte Vasella freilich schon mittelfristig einen CEO berufen - nur habe er den Mann seines Vertrauens noch nicht gefunden.

"Der Mensch braucht ... Feinde"

Der neue Konzernleiter wird sich dereinst Vasellas apodiktischem Kredo ("Der Mensch braucht Freunde und Feinde") unterordnen und mit der anhaltend polarisierten Beurteilung seines Chefs in der Chemie-Metropole abfinden müssen: "Ich finde sensationell, wie schnell er die Fusion durchgezogen und die Gesetzmässigkeiten der Industrie begriffen hat", begeistert sich ein Novartis-Mann, während sich das Basler Establishment "furchtbar skeptisch" zeigt. Ein Pharma-Kenner hütet sich vor frühem Lob: "Vasella arbeitet unter Zwängen, die sehr enorm sein müssen."

Immerhin kann sich Mega-Dan nach eigenem Bekunden über Misserfolge seiner Konkurrenten immer noch diabolisch freuen. Doch für eigene Flops muss er künftig allein gerade stehen. Auf dem Spiel steht viel: Ohne Resultate, sagte Vasella am Freitag vor Gymnasiaten in Oberwil BL, würde Novartis "verfallen und verkauft".

27. April 1999

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(c) by Peter Knechtli